Legalisierung von Cannabis - Viel Rauch um nichts?
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Cannabis, Verein, Jugendschutz, Konsum, KonsumentenGras, THC, Haschisch, Cannabis - Was sich seit dem 1. April 2024 für Konsumenten geändert hat
Was zunächst nach einem Aprilscherz klingt ist Wirklichkeit geworden. In Deutschland darf seit dem 1. April legal Cannabis konsumiert werden. Besserer Jugendschutz, die Erhöhung der Sicherheit des Konsums, sowie die Entlastung der Polizei und Justiz soll das Gesetz laut Gesetzgeber angeblich bewirken. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Martin Kämpf erläutert im Interview mit 123recht.de, ob das stimmt und was zu erwarten ist.
123recht.de: Herr Kämpf, warum wurde der Konsum von Cannabis legalisiert und was ist das Zwei-Säulen-Modell?
seit 2006
Rechtsanwalt Kämpf: Ziele der Cannabis-Entkriminalisierung sind ein besserer Jugendschutz, die Erhöhung der Sicherheit des Konsums sowie die Entlastung der Polizei und Justiz. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers mittels des so genannten Zwei-Säulen-Modells CARe (Club Anbau und Regional-Modell) umgesetzt werden.
- Erste Säule: Eigenanbau und Anbauvereinigung
Die Versorgung mit legalem Cannabis soll zunächst per Eigenanbau sowie Anbau von Cannabis in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen gelingen.
-Zweite Säule: regionaler Modellversuch
Des Weiteren ist geplant, in ausgewählten Modellregionen Anbau, Vertrieb und Abgabe von Cannabis durch lizenzierte und staatlich kontrollierte Unternehmen umzusetzen.
123recht.de: Wird die Polizei durch die Entkriminalisierung von Cannabis entlastet?
Rechtsanwalt Kämpf: Meines Erachtens besteht durchaus Hoffnung dahingehend, dass es durch die Entkriminalisierung zu einer erheblichen Reduzierung der Fallzahlen von Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cannabis kommen wird. Ob dies tatsächlich auch in der Praxis eintritt, wird sich aber erst noch zeigen.
123recht.de: Wird durch die Einführung des KCanG der Jugendschutz erhöht?
Rechtsanwalt Kämpf: Hier ist zunächst festzustellen, dass vor der Gesetzesänderung trotz erheblicher Fallzahlen von Cannabis-Delikten bei Jugendlichen und Heranwachsenden ein Jugendschutz im Sinne einer frühzeitigen Aufklärung (beispielsweise in Schulen) kaum stattfand. Jugendschutz wurde einigermaßen erfolglos lediglich im Sinne einer Abschreckung durch Strafverfolgung betrieben. Nun besteht zumindest die Hoffnung, dass die zuständigen Landesbehörden den Wunsch des Gesetzgebers nach einer Abkehr von der zuvor bestehenden Repression hin zu einer fundierten Prävention umsetzen und hierdurch eine Erhöhung des Jugendschutzes erfolgt. Eine Verschlechterung bezogen auf den Jugendschutz dürfte jedenfalls nach meinem Dafürhalten nicht eintreten.
Bis zu 50 Gramm Cannabis sind erlaubt
123recht.de: Wieviel Cannabis darf man seit dem 1. April besitzen?
Rechtsanwalt Kämpf: Der erlaubte Besitz von Cannabis ist in § 3 KCanG geregelt. Danach darf jeder Volljährige außerhalb seiner Wohnung 25 g Cannabis zum eigenen Konsum besitzen. Am eigenen Wohnsitz oder dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ist der Besitz von bis zu 50 g Cannabis erlaubt. Es kommt jeweils auf das Gewicht nach dem Trocknen an.
123recht.de: Wer darf Cannabis anbauen und was gibt es dabei zu beachten?
Rechtsanwalt Kämpf: Nach § 3 Abs. 2 KCanG darf jeder Erwachsene an seinem Wohnsitz oder seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort bis zu drei lebende Cannabispflanzen gleichzeitig anbauen. Die Cannabispflanzen samt Vermehrungsmaterial sind dabei durch geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen vor dem Zugriff Dritter – insbesondere Kinder und Jugendlichen – zu schützen. Bitte beachten Sie, dass Dritte beispielsweise auch die Ehegattin, der Ehegatte, die Lebensgefährtin, der Lebensgefährte oder der Mitbewohner sind.
Die Weitergabe von Cannabis ist weiterhin verboten
123recht.de: Darf das angebaute Cannabis weitergegeben werden? Wenn nein, wäre das dann nicht schon beim Herumreichen eines Joints ein Verstoß?
Rechtsanwalt Kämpf: Die Weitergabe von aus dem Eigenanbau gewonnenen Cannabis ist ebenso wie die Weitergabe sonstigen in ihrem Besitz befindlichen Cannabis verboten. Gemäß des Straftatbestandes § 34 Abs. 1 Nr. 7 KCanG ist hierfür Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorgesehen. Das Herumreichen eines Joints erfüllt den Straftatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 8 KCanG und ist mithin ebenfalls wie bereits bisher verboten.
123recht.de: Dürfen auch Minderjährige Cannabis anbauen, besitzen etc.? Was droht Kindern, die beim Kiffen erwischt werden?
Rechtsanwalt Kämpf: Jugendliche dürfen weiterhin nicht mit Cannabis umgehen. Sowohl der Anbau als auch der Besitz durch Jugendliche bleibt verboten. Werden Jugendliche beim Kiffen erwischt, wird das Cannabis eingezogen und es findet eine Frühintervention nach § 7 KCanG statt. Danach wird das Cannabis eingezogen, im Anschluss werden der oder die Personensorgeberechtigten informiert. Bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung oder eine solche des Jugendlichen wird der örtliche Träger der Jugendhilfe unterrichtet. Durch diesen können sodann Frühinterventionsprogramme wie beispielsweise ein FreD-Kurs angeordnet werden
Vereine dürfen nicht gewerblich Cannabis anbauen
123recht.de: Was sind Anbauvereinigungen? Ist das mit niederländischen Coffeeshops vergleichbar?
Rechtsanwalt Kämpf: Anbauvereinigungen sind nicht wirtschaftliche Vereine oder eingetragene Genossenschaften. In den Anbauvereinigungen soll gemeinschaftlich, nicht gewerblich Cannabis angebaut und an die Mitglieder weitergegeben werden. Dabei sind folgende Mengenbegrenzungen zu beachten: An über 21-jährige Mitglieder dürfen nach § 19 Abs. 3 KCanG maximal 25 g Cannabis pro Tag und höchstens 50 g pro Monat zum eigenen Konsum abgegeben werden. Es besteht eine Einschränkung bei heranwachsenden. An diese darf maximal 25 g pro Tag und höchstens 30 g pro Monat abgegeben werden. Der Wirkstoffgehalt des an Heranwachsende abgegebene Cannabis darf 10 % THC nicht überschreiten.
Außerdem dürfen Anbauvereinigungen Vermehrungsmaterial (Stecklinge und Cannabissamen) an ihre Mitglieder und Nichtmitglieder mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland abgeben. Die Anbauvereinigungen haben mit niederländischen Coffeeshops nichts gemein. Insbesondere ist der Konsum von Cannabis in den Räumen der Anbauvereinigung ebenso wie der Verkauf von Cannabisprodukten an Nichtmitglieder untersagt.
123recht.de: Was sind die Vorgaben für eine Vereinigung?
Rechtsanwalt Kämpf: Anbauvereinigungen müssen von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Die Vorstandsmitglieder bzw. Vertretungsberechtigten müssen ein Führungszeugnis sowie eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vorlegen. In einer Anbauvereinigung dürfen maximal 500 Personen Mitglied sein. Die Mitglieder müssen volljährig sein. Jedes Mitglied muss bei Aufnahme in die Anbauvereinigung versichert, nicht in einer weiteren Anbau Vereinigungsmitglied zu sein. Darüber hinaus sind geeignete Sicherung- und Schutzmaßnahmen wie beispielsweise Zäune, Sichtschutz usw. zu installieren. Des Weiteren muss ein Gesundheit- und Jugendschutzkonzept bestehen. Jede Anbauvereinigung muss darüber hinaus einen Präventionsbeauftragten haben.
Vereine haben umfassende Dokumentationspflichten
123recht.de: Welche Pflichten haben die Vereinigungen?
Rechtsanwalt Kämpf: Die Anbauvereinigungen dürfen Cannabis lediglich in den Räumen der Anbauvereinigung weitergeben. Dabei sind sowohl das Alter als auch die Mitgliedschaft streng zu kontrollieren. Es besteht die Pflicht, Name, Vorname und Geburtsjahr des Mitglieds ebenso wie die Menge, der durchschnittliche THC-Gehalt und das Weitergabedatum zu dokumentieren. Außerdem bestehen umfassende Dokumentationspflichten im Hinblick auf die Mengen des angebauten Cannabis ebenso wie des vernichteten Cannabis.
123recht.de: Gibt es Kontrollen und was droht bei Verstößen?
Rechtsanwalt Kämpf: Die zuständige Behörde kontrolliert die Anbauvereinigungen regelmäßig. Dabei werden Stichproben des Cannabis genommen. Der kontrollierenden Behörde ist der Zugang zu den Räumen zu gewähren. Bei Verstößen droht die Einleitung von Bußgeld-und Strafverfahren.
123recht.de: Seit dem 1. April darf Cannabis ja legal konsumiert werden. Aktuell ist das gesamte Cannabis aus illegalen Quellen, widerspricht sich das nicht?
Rechtsanwalt Kämpf: Tatsächlich liegt hier ein gewisser Widerspruch vor. Allerdings gelten für den Besitz von Cannabis die bereits erwähnten Regelungen. Bitte beachten Sie aber, dass sie gegenüber der Polizei ein Schweigerecht haben. Sie müssen keine Angaben zur Herkunft des Cannabis tätigen. Außerdem sind Sie nicht dazu verpflichtet, gegenüber der Polizei die Ausübung Ihres Schweigerechts zu begründen!
Im Straßenverkehr gelten aktuell die alten Grenzwerte
123recht.de: Was müssen Konsumenten jetzt im Straßenverkehr beachten?
Rechtsanwalt Kämpf: Bei Fahrten unter Einfluss von THC gilt weiterhin der „alte“ Grenzwert von 1 Nanogramm/Milliliter, ab dem die Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG (500 € Bußgeld, ein Monat Fahrverbot, zwei Punkte) erfüllt ist. Sollte einen Fahrfehler oder eine drogentypische Auffälligkeit seitens der Polizei festgestellt worden sein, droht eine Verurteilung wegen der Trunkenheit im Straßenverkehr § 316 StGB. Außerdem droht weiterhin die Anordnung einer MPU.
Nach § 44 KCanG soll durch eine Arbeitsgruppe bis zum 31. März 2024 ein neuer Grenzwert ermittelt und vorgeschlagen werden. Der neue THC-Grenzwert soll sich nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft richten. Er soll ab einer THC-Konzentration erreicht sein, ab der das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist. Der Vorschlag der Expertenkommission sind 3,5 ng/ml. Dieser Grenzwert ist aber noch nicht in das Gesetz aufgenommen.
123recht.de: Darf ich auch auf der Arbeit kiffen?
Rechtsanwalt Kämpf: Tatsächlich dürften die allermeisten Arbeitgeber von dieser Idee wenig begeistert sein. Sollte der Arbeitgeber aber mit dem Cannabiskonsum seiner Angestellten einverstanden sein, ist der Konsum im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben legal.
Strafrechtlich gibt es einige Änderungen zu beachten
123recht.de: Was ändert sich im Strafrecht? Hat das Gesetz z.B. Auswirkungen auf frühere Verurteilungen?
Rechtsanwalt Kämpf: Das KCanG führt strafrechtlich zu erheblichen Änderungen im Vergleich zum BtMG bei der Verwirklichung von Straftatbeständen im Zusammenhang mit Cannabis. So reduziert sich der Strafrahmen des Grundtatbestands von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von fünf Jahren (§ 29 Abs. 1 BtMG) auf drei Jahre (§ 34 Abs. 1 KCanG).
Auch der Strafrahmen beim gewerbsmäßigen Handeltreiben, also einem besonders schweren Fall, ändert sich vom § 29 Abs. 3 BtMG – Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr – auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 KCanG. Gleiches gilt für die Abgabe an Minderjährige nach § 34 Abs. 3 Nr. 3a und Nr. 4 KCanG.
Bei der Einfuhr einer nicht geringen Menge, früher ein Verbrechenstatbestand mit einer Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren gem. § 30 Abs. 1 Nummer 4 BtMG, sieht § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG nun Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Der Strafrahmen für das bandenmäßige Begehen von Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis (zum Beispiel bandenmäßiges Handeltreiben, bandenmäßige der Anbau etc. reduziert sich von zwei Jahren Mindestfreiheitsstrafe nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG auf Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe gem. § 34 Abs. 1 KCanG.Für verschiedene Straftatbestände des BtMG wie das bandenmäßige Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge, das Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben sowie das bewaffnete Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge (§ 30a BtmG) verringerte der Gesetzgeber die Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren (!) auf nunmehr zwei Jahre Freiheitsstrafe.
123recht.de: Ab wie viel Gramm des Wirkstoffes THC liegt eine nicht geringe Menge von Cannabis vor? Hat sich diese verändert, möglicherweise sogar erhöht?
Rechtsanwalt Kämpf: Die Bestimmung der nicht geringen Menge ist für eine Vielzahl von Straftatbeständen von Bedeutung, denn deren Überschreitung zieht regelmäßig Strafverschärfungen nach sich.
Vor der Gesetzesänderung lag die nicht geringe Menge für Cannabisprodukte bei 7,5 g THC. Entgegen der Vorgabe des Gesetzgebers in seiner Gesetzesbegründung – nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die nicht geringe Menge anhand einer neu vorzunehmenden Risikobewertung von der Rechtsprechung neu bestimmt und deutlich höher als bisher angesetzt werden – entschied als erstes Obergericht der 1. Strafsenat des BGH per Beschluss vom 18. April 2024 (Aktenzeichen: 1 StR 106/24), dass die nicht geringe Menge weiterhin ab 7,5 g THC vorliegt. Dem 1. Strafsenat gelang es folglich nach Jahrzehnten der Cannabis-Prohibition nicht über seinen Schatten zu springen und dem Wunsch des Gesetzgebers zu entsprechen. Vielmehr blieb er bei seiner antiquierten und spätestens seit der Gesetzesänderung überholten Auffassung zum Grenzwert der nicht geringen Menge.
Hier bleibt zu hoffen, dass andere (liberalere) Senate des Bundesgerichtshofs in naher Zukunft zu einer anderen Einschätzung kommen und einen zeitgemäßen Grenzwert festsetzen.
123recht.de: Wir bedanken uns für das informative Gespräch.
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