Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen und Gewerbetreibenden sowie Verbrauchern durch das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG)

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Hintergrund der aktuellen Gesetzgebung - Was müssen Unternehmer bei drohender Insolvenz durch die Corona-Pandemie wissen?

Gerade Klein- und mittelständischen Unternehmen droht durch die Corona-Pandemie die Insolvenz. Um Unternehmen zu schützen, hat die Bundesregierung im Eilverfahren das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz durch den Bundestag gepeitscht. Worum geht es dabei und was müssen Unternehmer, die von Zahlungsschwierigkeiten betroffen sind, nun wissen? Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht, Dr. Holger Traub, analysiert im Interview mit 123recht.de das neue Gesetz.

123recht.de: Herr Dr. Traub, worum geht es in dem COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz?

Holger Traub
Partner
seit 2014
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Albstraße 45
73249 Wernau
Tel: 07153/9964381
Web: http://www.dr-traub.legal
E-Mail:
Wirtschaftsrecht, Erbschaftssteuerrecht, Vertragsrecht, Immobilienrecht, Verwaltungsrecht
Preis: 87 €
Antwortet: ∅ 5 Std. Stunden

Rechtsanwalt Traub: Der Bundestag hat anlässlich der COVID-19-Pandemie im Eilverfahren das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) beschlossen, das am 27. März 2020 in Kraft getreten ist. Das COVInsAG stellt ein seitens des Gesetzgebers abgestimmtes und stützendes Maßnahmenpaket dar, das in einer Vielzahl von Rechtsbereichen, namentlich u. a. im Gesellschaftsrecht, Vertragsrecht, aber insbesondere auch im Insolvenzrecht, zeitlich befristete Regelungen zum Schutz von Unternehmen und Verbrauchern vor den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie setzt bzw. setzen soll.

Zur Stützung der Wirtschaft und der Vermeidung einer sofortigen Insolvenz einer Vielzahl an Unternehmen wurden insolvenzrechtliche Änderungen normiert.

123recht.de: Ab wann gelten die Änderungen?

Rechtsanwalt Traub: Die Änderungen im Rechtsgebiet des Insolvenzrechts treten mit Wirkung zum 1. März 2020 in Kraft und enden mit Ablauf zum 31. März 2021.

123recht.de: Also bekommen Unternehmer keine Hilfe, wenn die finanziellen Probleme schon vor der Corona-Pandemie bestanden haben?

Rechtsanwalt Traub: Genau. Ausgenommen sind Unternehmen/Vereine, deren Insolvenzreife nicht auf der Corona-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung bestehen, namentlich der Wiederherstellung der „insolvenzrechtlichen“ Zahlungsfähigkeit (Artikel 1 § 1 des COVInsAG).

Problematik am COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz - Nachweis der Zahlungsunfähigkeit / Überschuldung durch die Corona-Pandemie

123recht.de: Gibt es auch Kritik am Gesetz?

Rechtsanwalt Traub: Zunächst einmal wird sich zeigen, welche Probleme in den nächsten Wochen und Monaten durch das „über Nacht entworfene“ und auf den Weg gebrachte COVInsAG offengelegt werden. Es versteht sich von selbst, dass in der Kürze der Zeit nicht alle möglichen auftretenden Eventualitäten im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung abschließend durchdacht werden konnten.

Ein wesentliches Problem liegt jedoch, nach Einschätzung des Autors, in der Verknüpfung des Gesetzgebers bzgl. der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Haftung der Geschäftsführung mit der Bedingung, dass die eingetretene Zahlungsunfähigkeit / Überschuldung nicht auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist oder dass keine Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung, sprich die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit, bestehen. Dies beinhaltet, ohne die Schaffung entsprechender Tatsachen und Nachweise, sowohl ein Einfallstor für die Aufrechterhaltung der strafbaren Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO als auch für eine Haftung der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes.

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Aussetzung der Haftung von Geschäftsführern und Vorständen

123recht.de: Welche Möglichkeiten haben Unternehmen durch das Gesetz denn nun konkret?

Rechtsanwalt Traub: Bis zum 30. September 2020 wird die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB für den jeweils umfassten Unternehmens- bzw. Personenkreis aufgehoben.

Parallel zur ausgesetzten Antragspflicht nach § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB wird auch die Haftung von Gesellschaftern und Organen der jeweiligen Unternehmung für „Verschleppungszahlungen“ nach Eintritt der Insolvenzreife suspendiert. Zahlungen, die nicht mit einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang vereinbar sind, lösen die Haftungstatbestände zu Lasten der Geschäftsleitung nach wie vor aus. Hiervon sind u. a. Zahlungen umfasst, die nicht der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen.

Möglichkeiten der kurzfristigen Kapitalbeschaffung und Aufbau einer Liquiditätsdecke

123recht.de: Und wie funktioniert die Sanierung und Kapitalbeschaffung?

Rechtsanwalt Traub: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Unternehmen nun zur Verfügung stehen. Diese teilen sich auf in:

Kurzfristige Kapitalbeschaffung:

Zur Stützung von Unternehmen und freiberuflich tätigen Personen haben sämtliche Bundesländer ein Soforthilfeprogramm zur schnellen Auszahlung liquider Mittel zur Deckung der Ausgaben der kommenden Wochen und Monate bereitgestellt. Entsprechende Soforthilfemittel sind größtenteils nicht zurückzubezahlen. Flankierend können, auch mit Blick auf die nächsten Monate, über die Förderbanken der Länder spezielle „Krisendarlehen“ zu vergünstigten Konditionen beantragt werden. Die entsprechenden Voraussetzungen und Anforderungen sind auf den Webseiten der Förderbanken abrufbar. Alternativ können betroffene Gewerbetreibende und Freiberufler für die Beantragung bei ihrer Hausbank vorstellig werden.

Mittelfristiger Kapitalaufbau:

Bei der zuständigen Finanzbehörde ist, nach Vorgaben der Regierung, für die nächsten Monate die Beantragung von Steuerstundungen und/oder die Aussetzung bzw. Herabsetzung von beschiedenen Steuerzahlungsverpflichtungen möglich. Die Finanzämter sind hier angehalten, „großzügig“ dem Steuerpflichtigen entgegen zu kommen.

Über die geänderten vereinfachten Regelungen zur Gewährung von Kurzarbeit können Unternehmen Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit beantragen. Für die Zeit der Kurzarbeit werden die Arbeitnehmerentgelte von der Agentur für Arbeit getragen. Gleichlaufend erstattet die Bundesagentur für Arbeit dem Arbeitgeber alle auf das Kurzarbeitergeld entfallende Sozialversicherungsbeiträge.

Einschränkung der insolvenzrechtlichen Anfechtung

123recht.de: Bisher konnte der Insolvenzverwalter ja durch sein Anfechtungsrecht durchaus eine Sanierung torpedieren.

Rechtsanwalt Traub: Das ist richtig. Der Gesetzgeber hat das ebenfalls erkannt. Zur Erhaltung von Sanierungschancen und der Schaffung von Liquiditätszuführungsanreizen werden daher – flankierend zu der vorgenannten beschriebenen Aussetzung – im umfassten Krisenzeitraum Bankdarlehen, Zuschüsse, aber auch Gesellschafterdarlehen von der insolvenzrechtlichen Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO ausgenommen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass Unternehmen und Gewerbetreibenden eine schnelle und „unkomplizierte“ Liquiditätseindeckung ermöglicht wird.

Drohende Insolvenz und/oder Insolvenzreife

123recht.de: Was gilt, wenn trotz Sanierungsversuch und staatlicher Hilfe die Insolvenz nicht abgewendet werden kann?

Rechtsanwalt Traub: Sollte es sich abzeichnen, dass sämtliche durch die Regierung initiierten stützende Maßnahmen nicht ausreichen, um eine drohende Insolvenz bzw. eine eingetretene Insolvenzreife zu beseitigen, müsste über eine jeweilige unternehmensspezifische Einleitung von Sanierungsmaßnahmen durch ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung (§ 270b InsO) oder eine Insolvenz in Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) nachgedacht werden. Hierbei besteht jeweils die Möglichkeit, dass der Unternehmer, beraten durch entsprechende Krisen- und Insolvenzrechtspezialisten, „selbststeuernd“ sein Unternehmen durch die Insolvenz führt.

123recht.de: Was empfehlen Sie Unternehmen, die von Zahlungsproblemen betroffen sind?

Rechtsanwalt Traub: Rechtswahrend sollte frühzeitig die Beratung durch einen Spezialisten im Insolvenzrecht gesucht werden, um u. a. durch ein rechtssicheres Sanierungskonzept die Wahrscheinlichkeit einer Sanierung zu attestieren und hierdurch eine fundierte Grundlage für die Anwendung des Artikel 1 § 1 des COVInsAG schaffen zu können.

123recht.de: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

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