Recht auf Kitaplatz

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Wie Eltern ihr Recht auf einen Betreuungsplatz durchsetzen können

Ab diesem Sommer haben Eltern von 1-3-jährigen Kindern ein gesetzlich verankertes Anrecht auf einen Betreuungsplatz für diese Kinder. Doch wie sieht das in der Praxis aus? Wir haben bei Rechtsanwältin Jana Laurentius nachgefragt.

123recht: Frau Laurentius, ab August 2013 haben Eltern einen Anspruch auf einen Kitaplatz. Was heißt das?

Rechtsanwältin Laurentius: Bereits jetzt gibt es einen Anspruch auf einen Kita-Platz, allerdings nur für Kinder im Alter zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt. Für jüngere Kinder gibt es bislang nur unter Einschränkungen einen Anspruch auf den Besuch einer Kindertagesstätte oder Unterbringung bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater, etwa wenn die Berufstätigkeit der Eltern ihre außerfamiliäre Betreuung notwendig macht. Diese Einschränkungen fallen zukünftig für Kinder ab dem ersten Lebensjahr weg. Ab dem 01.08.2013 haben alle Kinder ab dem ersten Geburtstag einen Anspruch auf einen Kita-Platz. Übrigens haben dann auch Kinder im Schulalter ein Recht, eine Tageseinrichtung (Offene Ganztagsschule, Hort etc.) besuchen zu dürfen. Kapazitätsprobleme dürfen zukünftig keinem einzigen Kind mehr entgegengehalten werden, dessen Eltern eine Betreuung in einer Kindertagesstätte oder vergleichbaren Einrichtung wünschen.

123recht: Habe ich also ein Recht auf einen Ganztagsplatz oder muss ich mich auch mit weniger zufrieden geben?

Rechtsanwältin Laurentius: § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung besagt, dass sich der zeitliche Umfang der Betreuung des Kindes in einer Kindertagesstätte (oder bei Kindern unter drei Jahren alternativ bei einer Tagesmutter oder einen Tagesvater) nach dem individuellen Bedarf richtet. Der individuelle Bedarf wird sich nach den Wünschen und Anforderungen der Familie des Kindes richten. Wenn die Eltern ab dem 01.08.2013 also die ganztägige Unterbringung ihres Kindes in einer Kindertagesstätte wünschen bzw. für erforderlich halten, müssen sie sich nicht mit einem geringeren Betreuungsangebot abspeisen lassen.

123recht: Ist eine Betreuungsquote vorgesehen? Wie viele Kinder kommen auf einen Erzieher bzw. eine Erzieherin?

Rechtsanwältin Laurentius: Der so genannte Betreuungsschlüssel unterfällt der Regelungsbefugnis der einzelnen Bundesländer. Eine gute Übersicht über den Rechtszustand in den einzelnen Bundesländern findet sich beispielsweise auf der Webseite des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg: Länderübersicht Kita: Personalstandards

123recht: Wie bekomme ich einen Kitaplatz für mein Kind? Gibt es eine zentrale Vergabestelle oder muss ich mir selbst eine Krabbelstube suchen?

Rechtsanwältin Laurentius: Häufig haben Eltern ja bereits gewisse Vorstellungen darüber, welche Anforderungen eine Kindertagesstätte, die ihr Kind besuchen soll, erfüllen soll. Wenn sie nicht selbst einen Kita-Platz, der diesen Anforderungen gerecht wird, finden können oder wollen, können sie sich an den örtlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in der Regel das örtliche Jugendamt, wenden. Die Jugendämter trifft ab dem 01.08.2013 eine gesetzliche Verpflichtung, Eltern, die einen Kita-Platz für ihr Kind suchen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogischen Konzepte in den Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Außerdem müssen sie darauf hinwirken, dass die öffentlichen und die freien Träger von Kindertageseinrichtungen ausreichend Kapazitäten anbieten. Eltern sollten also keine Scheu haben, im Bedarfsfall an das Jugendamt heranzutreten und um Unterstützung zu bitten. Dies ist ihr gutes Recht.

123recht: Gibt es eine Entfernungsbegrenzung? Ich will ja nicht morgens zwei Mal durch die ganze Stadt fahren müssen...

Rechtsanwältin Laurentius: Eine Entfernungsbegrenzung ist nicht explizit gesetzlich festgelegt. Einzelne Bundesländer haben geregelt, dass die Kindertagesstätte "in zumutbarer Entfernung" vom Wohnort des Kindes liegen muss. Da sich der Anspruch auf einen Kita-Platz wie oben gesagt nach dem individuellen Bedarf richtet, sind aber in jedem Fall Entfernungsaspekte zu berücksichtigen. Wann eine Entfernung in diesem Sinne "zumutbar" ist und wann nicht, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles. Sollte es hierüber Uneinigkeit zwischen Eltern und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe geben, wird dies letztlich von den Verwaltungsgerichten entschieden werden müssen.

123recht: Was macht man, wenn man nur Absagen bekommt? Wie setze ich meinen Anspruch durch?

Rechtsanwältin Laurentius: Eltern, die bislang bei der Suche nach einem Kita-Platz erfolglos geblieben sind, müssen an das örtliche Jugendamt herantreten und den Anspruch ihres Kindes auf einen Kita-Platz geltend machen. Zu beachten ist dabei, dass die Bundesländer Fristen vorsehen dürfen, binnen derer Eltern einen solchen Anspruch geltend machen müssen. Beispielsweise findet sich eine Regelung in Niedersachsen zum bisherigen Rechtszustand, nach der die örtlichen Träger vorsehen dürfen, dass der Anspruch auf einen Kita-Platz innerhalb einer Frist von nicht mehr als drei Monaten geltend gemacht werden muss, es sei denn, es besteht ein Härtefall. Eltern sollten sich daher frühzeitig darüber informieren, ob in ihrem Bundesland eine solche Frist besteht, und diese im eigenen Interesse einhalten. Sollte trotz fristgerechter Geltendmachung des Anspruchs auf einen bedarfsgerechten Kita-Platz ein solcher vom Jugendamt nicht zur Verfügung gestellt werden können, besteht die Möglichkeit, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, auch in einem Eilverfahren.

123recht: Kann ich zur Überbrückung eine Kinderfrau oder Tagesmutter engagieren und das Geld dafür zurückverlangen?

Rechtsanwältin Laurentius: Hierzu gibt es tatsächlich schon Entscheidungen vom Verwaltungsgericht Mainz und ihm folgend auch vom Oberverwaltungsgericht Koblenz aus dem Jahr 2012 – in Rheinland-Pfalz gibt es bereits einen Anspruch auf einen Kita-Platz ab dem zweiten Lebensjahr. Danach können Eltern, die einen Anspruch ihres Kindes auf einen Kita-Platz beim Jugendamt ordnungsgemäß geltend gemacht haben, aber hierbei erfolglos geblieben sind, in der Tat die Betreuung ihres Kindes privat organisieren und vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe Ersatz der hierdurch entstandenen Kosten verlangen. Der Kostenerstattungsanspruch der Eltern richtet sich auf die tatsächlichen Kosten dieser Kinderbetreuung abzüglich der Kosten, die den Eltern bei einer Erfüllung des Anspruchs auf einen Kita-Platz entstanden wären. Die genannten Gerichtsentscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, es spricht aber viel dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht die Rechtslage nicht anders beurteilen wird als die Vorinstanzen. Eine eindeutige gesetzliche Regelung hierzu gibt es allerdings nicht, so dass hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs eines solchen Ersatzanspruchs noch Unwägbarkeiten bestehen.

123recht: Was ist mit dem Betreuungsgeld?

Rechtsanwältin Laurentius: Nach dem zwischenzeitlich beschlossenen Betreuungsgeldgesetz haben Eltern, bei denen die persönlichen Voraussetzungen zum Bezug von Elterngeld erfüllt sind, für ein Kind zwischen dem 13. und dem 36. Lebensmonat Anspruch auf ein Betreuungsgeld in Höhe von monatlich 150,00 €, statt des Anspruchs auf einen Kita-Platz nach § 24 SGB VIII. Eltern erhalten mit anderen Worten ab dem 01.08.2013 ein Wahlrecht zwischen der Betreuung ihres Kindes in einer öffentlich geförderten Betreuungseinrichtung ohne Betreuungsgeld oder einer anderweitigen – innerfamiliären oder sonstigen privaten – Betreuung mit Betreuungsgeld..

123recht: Wie sieht Ihr konkreter Praxistipp für junge Eltern aus?

Rechtsanwältin Laurentius: Für Eltern, die den ab dem 01.08.2013 bestehenden Anspruch auf einen Kita-Platz geltend machen wollen, ist es dringend angezeigt, sich mit dem örtlichen Jugendamt in Verbindung zu setzen, schon um keine Fristen zu verpassen. Sie sollten sich dabei nicht vom Jugendamt abwimmeln lassen. Der Anspruch auf einen Kita-Platz (bzw. für Kinder zwischen einem und drei Jahren alternativ auf einen Platz bei einer Tagesmutter oder einen Tagesvater) entsprechend dem individuellen Bedarf besteht ohne Wenn und Aber für jedes einzelne Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Sollte sich abzeichnen, dass der Anspruch vom Jugendamt nicht erfüllt werden wird, steht der Weg zum Verwaltungsgericht offen. Da derartige Verfahren jedoch immer einige Zeit in Anspruch nehmen, ist auch unter diesem Aspekt ein zeitiges Herangehen an dieses Thema angezeigt.

123recht: Vielen Dank Frau Laurentius.

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