Trennung - geht jetzt der Ärger richtig los?

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6 Fragen zum Thema Scheidung an Rechtsanwalt Kurt Schulte Herbrüggen

Täglich werden auf unseren Plattformen Fragen zum Thema Trennung und Scheidung gestellt. "Unterhalt" und "Kindesunterhalt" wird auf Frag-einen-Anwalt.de und im Forum auf 123recht.de am häufigsten nachgefragt. Man könnte den Eindruck bekommen, dass in Deutschland heftig um Geld und Kinder gestritten wird. Ein Interview mit dem Familienrechtsexperten Kurt Schulte Herbrüggen.

123recht: Herr Schulte Herbrüggen, entspricht das der Realität, enden die meisten Trennungen wirklich im Rosenkrieg, oder liest man von den einvernehmlichen Scheidungen einfach nur nicht so oft?

Rechtsanwalt Schulte Herbrüggen: Die ganz, ganz überwiegende Zahl der Trennungen und Scheidungen endet nicht im Rosenkrieg. Sie haben recht, ein gegenteiliger Eindruck ist Folge einer falschen Wahrnehmung. Die wirklich pathologischen Fälle sind sehr selten, ich schätze, 1-2 % der Gesamtzahl der Scheidungen. Diese Fälle werden auch nie wirklich gelöst, sondern enden allenfalls, wenn nicht in Mord und Totschlag, dann in allgemeiner Erschöpfung aller Beteiligten - einschließlich der Richter und Anwälte.

Die Trennung, gerade aus einer langdauernden Beziehung heraus, ist für die Betroffenen natürlich schmerzhaft. Das führte im Anfang häufig zu „Stress“. Das gibt sich aber meistens wieder.

123recht: Worum wird am häufigsten gestritten?

Rechtsanwalt Schulte Herbrüggen: Natürlich wird sehr häufig um Geld gestritten. In diesen Verfahren ist aber der Streit meist zu Ende, wenn das Gericht entschieden hat.

In den letzten Jahren steigt aber zunehmend die Zahl der Verfahren, in denen es um die Kinder geht, sei es um das Besuchsrecht, sei es um die elterliche Sorge. Dies haben mir auch Familienrichter bestätigt. Ich finde das besorgniserregend. Dahinter steht meist ein ungelöster Konflikt der Eltern. Dieser zieht sich über mehrere Jahre und mehrere Verfahren hin. Das besorgniserregende daran ist, dass in diesen Verfahren die Eltern häufig das Wohl der Kinder völlig aus dem Blick verlieren. Trotz eines sehr hohen Engagements der beteiligten Richter (und Anwälte) kommt es zu keiner dauerhaften Lösung, weil die Auflösung des Konflikts zwischen den Kindeseltern einfach mit Mitteln der Justiz nicht zu machen ist.

123recht: Kann man sich mit Hilfe eines Ehevertrages vor dem Rosenkrieg schützen?

Rechtsanwalt Schulte Herbrüggen: Über diese Frage kann man natürlich ganze Bücher schreiben. Ein Ehevertrag, der vor der Ehe oder bei Eheschließung geschlossen wird, hat für mich den enormen Vorteil, dass man sich Gedanken über die Ehe gemacht hat. Diese Gedanken und Vorstellungen hat man in einem schriftlichen Vertrag (der beim Notar geschlossen werden muss) verbindlich zusammengefasst. Das ist auf der psychologischen Ebene sehr viel wert.

Einen Rosenkrieg kann ein Ehevertrag nicht verhindern. In dieser Situation hat man es mit Leuten zu tun, die sich unbedingt streiten wollen und daran hindert sie auch kein Ehevertrag. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man nicht für 20 Jahre im Voraus Vorsorge treffen kann. Gegebenenfalls muss damit ein solcher Vertrag nach einiger Zeit angepasst werden. Das wird häufig nicht geschehen. Ein wesentlicher Grund für juristische Konflikte ist aber gerade, dass eine vertragliche Regelung nicht mehr mit der Realität übereinstimmt. Außerdem kann sich natürlich auch die Rechtslage ändern. So kann es passieren, dass ein Vertrag, der vor 20 Jahren keinerlei Stirnrunzeln hervorgerufen hat, heute von einem Gericht als ungültig angesehen wird.

Kurz gesagt: Bei Ehen, in denen beispielsweise Vermögen vorhanden ist und möglicherweise Kinder aus verschiedenen Ehen, die erben können, ist ein Ehevertrag unabdingbar. Wenn Unterhaltsfragen geregelt werden sollen, wird es sehr kompliziert und fehleranfällig, weil eine langfristige Prognose erforderlich ist (kommen Kinder, wie viele, wie ist die Entwicklung des Einkommens?). Ein genereller Ausschluss von Unterhaltsansprüchen des Ehegatten wird eher unmöglich sein. Wichtig ist in diesen Fällen eine gründliche juristische Beratung durch einen Anwalt und möglicherweise auch eine steuerliche Beratung durch den Steuerberater. Die Beratung durch den Notar, so wichtig sie ist, ist häufig nicht ausreichend, weil der Notar im Prinzip nicht prüft, ob der Vertrag tatsächlich Sinn macht.

123recht: Was halten Sie von der Mediation als weitere Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen?

Rechtsanwalt Schulte Herbrüggen: Über das, was die Mediation leisten kann, gibt es häufig Fehlvorstellungen. Mediation ist ein Verfahren, das bei hochstreitigen Angelegenheiten im persönlichen Bereich eingesetzt werden sollte. Konflikte um das Besuchsrecht sind beispielsweise geeignet für die Mediation. Gerade in solchen Fällen wird aber eine Mediation auch abgelehnt, weil es Konfliktparteien gibt, die gar keine Lösung des Problems wollen.

Bei denjenigen Themen, bei denen kein so hohes persönliches Konfliktpotenzial vorhanden ist, sind dagegen Verhandlungen zwischen den Anwälten und den Parteien regelmäßig die sinnvollere Lösung und führen auch fast immer zu vernünftigen Ergebnissen.

123recht: Gibt es einen weit verbreiteten Irrglauben, mit dem Sie als Familienrechtler immer wieder konfrontiert werden?

Rechtsanwalt Schulte Herbrüggen: Ein wirklich hartnäckiger Irrglaube ist der, dass man in der Ehe automatisch für die Schulden des anderen haftet. Hier scheinen alte Rechtsvorstellungen weiterzuwirken, die bereits seit Jahrzehnten nicht mehr gelten.

123recht: Haben Sie einen persönlichen Rat für die Getrennten?

Rechtsanwalt Schulte Herbrüggen: Dass Scheidungskinder große Probleme haben, ist kein leeres Gerede. Wenn Sie den anderen nicht mehr lieben, heißt das noch lange nicht, dass das bei Ihrem Kind genauso ist. Kinder lieben beide Eltern. Wer das nicht wahrhaben will, schadet seinem Kind. Und er schadet nicht zuletzt sich selbst: Die Probleme, die man heute dem anderen bereitet, indem man das Kind gegen ihn instrumentalisiert, kommen irgendwann als Erziehungsprobleme auf einen selbst wieder zu.

123recht: Vielen Dank Herr Schulte Herbrüggen.

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