Überfall im eigenen Garten - wenn ein Hund wildert
Mehr zum Thema: Experteninterviews, Tierhalter, Haftung, Tierhalterhaftung, Geschädigte, Schadenersatz, TierarztkostenTierhalterhaftung - Welche Rechte haben Geschädigte?
Im eigenen Haus und Garten sollte man sich eigentlich sicher fühlen können. Man selbst, die Kinder, aber auch die geliebten Haustiere, die ja oft ein Teil der Familie sind. Was aber, wenn in diese sichere Zone eingedrungen wird?
Rechtsanwältin Feßler weiß, was in so einer Situation wichtig ist:
123recht.de: Frau Feßler, vor einigen Tagen passierte das Drama: Die drei Hühner pickten friedlich im eingezäunten Teil des Gartens, als plötzlich ein Hund auf das Grundstück eindringt und wie im Blutrausch über die Hühner herfällt. Eines war sofort tot, das zweite verletzt. das dritte konnte nur durch beherztes Eingreifen der Hühnerhalterin gerettet werden. Ich gehe davon aus, dass die Halter des Hundes dafür zur Verantwortung gezogen werden können, oder?
Rechtsanwältin Feßler: Sie haben Recht mit ihrer Annahme. Ein Tierhalter muss grundsätzlich für die Schäden aufkommen, die sein Tier verursacht hat. Diese Pflicht gilt für Schäden an Menschen sowie an Gegenständen und natürlich auch anderen Tieren. Das gilt übrigens ganz unabhängig davon, ob der Tierhalter selbst verantwortlich für das Verhalten seines Hundes war oder nicht. Also auch wenn der Tierhalter keinen eigenen Fehler begangen hat, haftet er für das Verhalten seines Hundes.
Diese sogenannte Gefährdungshaftung ergibt sich aus § 833 Satz 1 BGB und aus der spezifischen Tiergefahr, die der Gesetzgeber annimmt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber annimmt, dass ein Tier grundsätzlich unberechenbar ist und eine Gefahr für andere darstellt. Für den Gesetzgeber ist ein Tier kein vernünftiges Wesen, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Tierhalter „schuld“ ist. Der Halter des Tieres haftet also grundsätzlich für Schäden durch sein Tier verursacht wurden.
Ein Tierhalter haftet grundsätzlich für sein Tier
123recht.de: Macht es einen Unterschied, ob das Grundstück offen oder eingezäunt ist?
Rechtsanwältin Feßler: In unserem Fall macht es keinen Unterschied, dass das Grundstück eingezäunt war. Es könnte höchstens ein Unterschied machen, wenn es um die Verteilung der Haftung geht. Da auch das Huhn ein Tier ist und sich hier die spezifische Tiergefahr verwirklichen kann, wäre bei einem freien Zusammentreffen der beiden Tiere eventuell eine Haftungsquote zu prüfen.
123recht.de: Dieses ist eingezäunt, der Hund hat sich durch einen Spalt zwischen Zaun und Tor hindurchgequetscht. Hinzu kommt, dass der Weg, den die Halterin mit dem Hund gegangen ist ein Privatweg ist, wo Hunde verboten sind. Das ist doch schon grob fahrlässig, oder?
Rechtsanwältin Feßler: Ja, man kann davon ausgehen, dass der Hundehalter oder die Hundehalterin hier die Sorgfaltspflichten grob verletzt hat. Für die Haftung und die Verpflichtung, den Schaden zu ersetzen, macht es allerdings kein Unterschied, da die Tierhalterhaftung – wie vorher schon erwähnt – unabhängig vom eigenen Verschulden des Hundehalters ist.
123recht.de: Das verletzte Huhn wurde in eine Tierklinik gebracht, wo es trotz OP schließlich verstorben ist. Wer muss die Kosten für die Behandlung tragen?
Rechtsanwältin Feßler: Hier, im Falle des Todes des verletzten Huhnes hat der Halter des Hundes die Kosten einer versuchten Heilbehandlung zu tragen, wenn sie nicht gemessen am Alter und Gesundheitszustand des verstorbenen Huhnes unangemessen erscheinen. Zu beachten ist auch, dass die Kosten der Heilbehandlung nicht unangemessen zum Wert des Tieres stehen dürfen. Auch persönliche Bindung zum Tier können hier Berücksichtigung finden. Es wird also hier darauf ankommen wie hoch die Kosten der Heilbehandlung waren. Angemessene Heilbehandlungskosten muss der Hundehalter bezahlen.
123recht.de: Muss der Hundehalter die toten Hühner ersetzen?
Rechtsanwältin Feßler: Ja, der Halter des Hundes hat die toten Hühner zu ersetzen
Emotionale Werte werden nicht ersetzt
123recht.de: Wie ist denn der Wert zu ermitteln? Ein Huhn kostet ja nicht viel, aber es hätte ja noch ein paar Jahre Eier gelegt, vom emotionalen Wert mal ganz zu schweigen?
Rechtsanwältin Feßler: Grundsätzlich sind hier die Anschaffungskosten der Hühner zu ersetzen. Auch die entgangene Nutzung der Hühner, also die Eier, die die Hühner gelegt hätten, sind grundsätzlich erstattungsfähig. Allerdings sind natürlich die Eier, die die neuen Hühner, welche von den durch den Hundehalter bezahlten Anschaffungskosten gekauft werden können, dem entgegenzuhalten. Hier dürfte also kein Schaden entstanden sein, da die neuen Hühner auch Eier legen werden.
Der emotionale Wert der Hühner wird nicht ersetzt. Nach der herrschenden Rechtsprechung wird Schmerzensgeld nur bei psychischen Beeinträchtigungen zuerkannt, wie sie zum Beispiel durch den Tod eines Verwandten ausgelöst werden. Schon bei entfernten Verwandten oder Freunden sprechen die Gerichte kein Schmerzensgeld zu. Bei einem Haustier wird in der Regel kein Schmerzensgeld wegen des emotionalen Verlustes bezahlt.
123recht.de: Abgesehen vom Schadensersatz, was kann noch auf die Hundehalter zukommen? Ich denke zb. an eine Maulkorbpflicht oder ähnliches?
Rechtsanwältin Feßler: Es kann durchaus sein, dass auf den Hundehalter noch weiteres zukommt. Ist der Hund bereits in der Vergangenheit durch Aggressivität aufgefallen, so sind wegen der hiermit verbundenen erhöhten Gefahr, die durch den Hund ausgeht, strengere Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Hundehalters zu stellen. Gegebenenfalls muss er durch Anlegen eines Maulkorbes oder ständiges sicheres Anleinen verhindern, dass sein Hund andere Tiere verletzen kann. Die Rechtsprechung geht davon aus dass der Hundehalter grundsätzlich verpflichtet ist, seinen Hund so zu überwachen, dass Verletzungen und Schädigungen verhindert werden. Ist dieses Tier also schon einmal durch Bösartigkeit aufgefallen, sind an diese Sorgfaltspflichten des Hundehalters besonders strenge Anforderungen zu stellen.
Bei der Tierhalterhaftung spielt es keine Rolle, um was für ein Tier es sich handelt
123recht.de: Können die Grundstücksbesitzer verlangen, dass die Hundebesitzer den Weg nicht mehr benutzen? Wie könnten sie das notfalls durchsetzen?
Rechtsanwältin Feßler: Da der Weg Privatbesitz ist hat der Eigentümer das Recht zu bestimmen, wer den Weg benutzen darf. Es ist aber oft so, dass die Privatstraßen – auch wenn sie im Eigentum einer Privatperson stehen - in einen öffentlichen Weg umgewidmet worden sind. Dies kann die Eigentümerin im Grundbuch sehen oder bei der Gemeinde erfragen. Wenn dies der Fall ist, darf der Weg auch von anderen benutzt werden.
Ansonsten hat die Eigentümerin das Recht, die Nutzung zu untersagen. In diesem Fall kann die Eigentümerin durch Unterlassungsklage erreichen, dass die Nutzung des Weges unterbunden wird. Mit der Untersagung wird dann auch eine Geldstrafe bei einem Verstoß verbunden.
123recht.de: Macht es einen Unterschied, ob ein Hund der "Täter" war, oder zum Beispiel eine freilaufende Katze den Hamster im Nachbargarten killt?
Rechtsanwältin Feßler: Jeder Tierhalter unterliegt der Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB. Eine Katze gilt zwar als zahmes Haustier, kann aber natürlich auch Schäden anrichten wie z.B das Töten des Hamsters im Nachbargarten. Auch hier haftet der Halter der Katze. Dies gilt natürlich auch für Schäden, die andere Haustiere, wie z.B. Pferde oder Hausschweine verursachen.
123recht.de: Vielen Dank Frau Feßler.