Urheberrecht in der Schule - Was ist erlaubt?

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Worauf müssen Lehrer achten, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material im Unterricht verwenden wollen?

Kopierte Texte aus einem Buch, einer Zeitung oder dem Internet - sicher jeder Schüler wurde in seiner Schullaufbahn schon mit solchen ergänzenden Unterrichtsmaterialien konfrontiert. Aber dürfen Lehrer das einfach so? Worauf müssen sie achten und gibt es Grenzen? Gelten für Texte dieselben Regeln wie für Musiknoten, Bilder oder Filme? 123recht.de hat bei Rechtsanwalt Henning Twelmeier nachgefragt.

123recht.de: Herr Twelmeier, dürfen Lehrer Aufsätze aus Büchern kopieren oder aus dem Internet herunterladen, diese vervielfältigen und an ihre Schüler verteilen?

Henning Twelmeier
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Rechtsanwalt Twelmeier: Ja, unter bestimmten Voraussetzungen ist das erlaubt. Die Handlungen müssen zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre stattfinden, und es dürfen keine kommerziellen Zwecke verfolgt werden. Außerdem darf es sich nicht um Bücher handeln, die ausschließlich für den Unterricht an Schulen geeignet, bestimmt und entsprechend gekennzeichnet sind. Damit sind reine Schulbücher ausgenommen.

Für den Unterricht besteht ein Interesse, Teile von Werken kopieren zu können

123recht.de: Der Urheber muss nicht gefragt werden?

Rechtsanwalt Twelmeier: Nein, das ist nicht erforderlich, weil diese Nutzungserlaubnis in § 60a UrhG ausdrücklich verankert ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass im Rahmen von Unterricht und Lehre ein Interesse daran besteht, Teile bestehender Werke kopieren zu können, ohne mit der Einholung von Lizenzen belastet zu werden. Das Verbietungsrecht des Urhebers gilt hier also nur eingeschränkt.

123recht.de: Was ist, wenn der Aufsatz in der Schule die Runde macht oder im Schulflur ausgehangen wird?

Rechtsanwalt Twelmeier: Dann könnte sich der Urheber des Aufsatzes dagegen zur Wehr setzen, es sei denn, der Aushang würde lediglich der Präsentation von Unterrichts- oder Lernergebnissen dienen.

123recht.de: Muss die Quelle des Textes genannt werden?

Rechtsanwalt Twelmeier: Ja, die Quelle ist stets deutlich anzugeben. Erforderlich sind der Name des Urhebers sowie alle weiteren Informationen, die eine klare Zuordnung sicherstellen und es ermöglichen, das Originalwerk aufzufinden. Hierzu gehören insbesondere der Titel des Werks und die Fundstelle oder bei Webseiten die Internetadresse.

123recht.de: Darf ein Zeitungsartikel kopiert und in der Schule besprochen werden?

Rechtsanwalt Twelmeier: Ja, auch das ist unter den zuvor genannten Voraussetzungen erlaubt.

Bei größeren Werken liegt die Grenze der Nutzung bei 15 Prozent

123recht.de: Für den laufenden Unterricht scheint ja einiges erlaubt zu sein, das sonst im Urheberrecht gar nicht geht. Aber wo ist die Grenze? Ein ganzes Buch darf ein Lehrer sicher nicht kopieren und an seine Klasse verteilen?

Rechtsanwalt Twelmeier: Nein, das ist richtig. Vollständig genutzt werden dürfen nur Werke geringen Umfangs, wie zum Beispiel einzelne Beiträge aus derselben Zeitschrift und außerdem vergriffene Werke. Für nicht vergriffene Werke größeren Umfangs liegt die Grenze der zulässigen Nutzung bei 15 Prozent.

123recht.de: Darf der Lehrer Bilder kopieren und diese im Unterricht verwenden?

Rechtsanwalt Twelmeier: Ja, die Verwertung von veröffentlichten Abbildungen gehört ebenfalls zu den in der Schule erlaubten Werknutzungen.

123recht.de: Was ist mit Bildern von Personen? Können die auch einfach für den Unterricht verwendet werden?

Rechtsanwalt Twelmeier: Dazu ist normalerweise die Einwilligung der abgebildeten Personen erforderlich. Es gibt aber Ausnahmen von diesem Erfordernis, unter anderem für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte und für Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk erscheinen.

123recht.de: Vorausgesetzt, ein Bild kann grundsätzlich verwendet werden – darf ein Lehrer das Bild auch verändern?

Rechtsanwalt Twelmeier: Nein, Änderungen im Sinne eines gestalterischen Eingriffs dürfen nicht vorgenommen werden. Zulässig sind allenfalls Verkleinerungen oder Vergrößerungen, wenn ein Bild kopiert wird, und Änderungen, die mit dem Kopiervorgang zwangsläufig einhergehen.

Musiknoten dürfen nicht ohne Zustimmung des Urhebers kopiert oder verteilt werden

123recht.de: Was gilt bei Noten von Musikstücken oder Liedtexten?

Rechtsanwalt Twelmeier: Für Noten sind die Regelungen weniger großzügig, weil Notendrucke sehr aufwendig und teuer sind. Deswegen dürfen Noten generell nicht ohne Zustimmung des jeweiligen Urhebers vervielfältigt und verbreitet werden, auch wenn die Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke erfolgt. Bei Liedtexten handelt es sich demgegenüber um Sprachwerke, für die dasselbe gilt wie für andere Texte. Sie dürfen also kopiert und an Schüler verteilt werden.

123recht.de: Was droht, wenn urheberrechtlich geschütztes Material auf der Schulwebseite landet oder in der Schülerzeitung?

Rechtsanwalt Twelmeier: Eine Verbreitung, die nicht zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre dient, ist rechtswidrig. In einem solchen Fall kann der Urheber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Schlimmstenfalls drohen sogar Geld- oder Freiheitsstrafen.

Filmvorführungen vor der Klasse ohne Lizenz können problematisch sein

123recht.de: Dürfen Lehrer ihre eigenen gekauften Filme vorführen, z.B. vor einer ganzen Klasse?

Rechtsanwalt Twelmeier: Hier befinden wir uns in einer rechtlichen Grauzone. Unproblematisch zulässig ist die Vorführung von maximal 15 Prozent eines Films oder von sehr kurzen Filmen, die lediglich wenige Minuten dauern. Bei längeren Filmsequenzen stellt sich die Frage, ob die Vorführung vor der ganzen Klasse bereits eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des UrhG darstellt, denn allein diese bedarf der Zustimmung des Filmherstellers, während die Wiedergabe im privaten Umfeld zulässig ist. Eine nicht öffentliche Veranstaltung kann jedoch nach geltender Rechtslage nur angenommen werden, wenn die an der Filmvorführung Beteiligten durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind. Ob die hauptsächlich durch den Unterricht geprägten Beziehungen zwischen Lehrer und Schülern dafür ausreichen, ist sehr umstritten. Vorsichtshalber sollten deshalb ausschließlich Filme mit Schullizenz genutzt werden.

123recht.de: Was ist mit Werken von Schülern, z.B. Aufsätze, darf der Lehrer die in Folgejahrgängen als Beispiel oder Unterrichtsmaterial benutzen?

Rechtsanwalt Twelmeier: Das geht nicht ohne Zustimmung des jeweiligen Schülers, denn die gesetzliche Nutzungserlaubnis gilt nur für bereits veröffentlichte Werke und damit nicht für Aufsätze, die allein dem Lehrer zugänglich gemacht wurden.

123recht.de: Vielen Dank Herr Twelmeier!

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Leserkommentare
von Pretender_de am 29.05.2018 14:40:22# 1
Zu der Frage und der Antwort:
123recht.net: Darf ein Zeitungsartikel kopiert und in der Schule besprochen werden?
Rechtsanwalt Twelmeier: Ja, auch das ist unter den zuvor genannten Voraussetzungen erlaubt.

Das ist so nicht richtig. Für Zeitungsartikel gilt ebenfalls ausschließlich das Zitierrecht oder die 15% Regelung. Einen vollständigen Zeitungsartikel darf man derzeit nicht vollständig kopieren und im Unterricht verwenden. Siehe auch: https://irights.info/artikel/urhwissg-tritt-in-kraft/28994
    
von Rechtsanwalt Henning Twelmeier am 25.06.2018 23:04:52# 2
Sie haben insoweit Recht, als diese Auffassung in der Begründung der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 27.06.2017 tatsächlich vertreten wird. Mit dem Wortlaut des § 60a Abs. 2 UrhG, der neben einzelnen Beiträgen aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift auch „sonstige Werke geringen Umfangs" zur vollständigen Nutzung für Unterricht und Lehre freigibt, ist das allerdings nur schwer in Einklang zu bringen.
    
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