Vorsicht bei der Bauabnahme – Was eine Abnahme des Bauwerks wirklich bedeutet!

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Wie erfolgt die Abnahme und wie kann man sich darauf vorbereiten? 6 Fragen an Rechtsanwältin Dr. Eva Feldmann.

Nach einer nervenaufreibenden Planungs- und Bauphase ist das Eigenheim endlich fertig. Alle Arbeiten sind erledigt und man möchte einziehen. Aber da war doch was? Gab es da nicht so etwas wie eine „Abnahme"? Welche Folgen hat die Abnahme beim Bau - und kann man als Hausbauer dabei etwas falsch machen?

123recht.de hat bei Rechtsanwältin Dr. Eva Feldmann nachgefragt, welche Konsequenzen eine Abnahme hat, welche Möglichkeiten es gibt und was beachtet werden sollte, damit dieser wichtige Termin reibungslos klappt.

123recht.de: Warum ist eine Abnahme des Bauwerks so entscheidend?

Rechtsanwältin Dr. Feldmann: Die Abnahme ist bei einer Werkleistung - und der Bau eines Eigenheims ist juristisch gesehen eine Werkleistung - ein entscheidender Zeitpunkt der Vertragsabwicklung. Oft jedoch versäumen die Bauherren und die Bauunternehmer, diese wichtige Rechtshandlung klar zu dokumentieren. Ein Umstand, der häufig später zu Problemen führt, da mit der Abnahme zahlreiche Rechtsfolgen eintreten.

So endet mit der Abnahme der Anspruch des Bauherrn auf die Herstellung des Bauwerks. Danach kann dann nur noch die Beseitigung der Mängel verlangt werden. Weiterhin ist die Abnahme die Fälligkeitsvoraussetzung für die Vergütung des Bauunternehmers. Damit dieser seinen Vergütungsanspruch im Streitfall durchsetzen kann, muss eine klar dokumentierte Abnahme vorliegen.

Die Abnahme hat aber auch eine entscheidende Bedeutung für die Verzinsung des Werklohnanspruchs und den Beginn der Verjährungsfrist für Mängelgewährleistungsansprüche. Denn insbesondere für die Mängelgewährleistung gilt: Ab Abnahme erfolgt eine so genannte Beweislastumkehr, so dass nun der Bauherr für das Vorliegen eines Mangels in der vollen Beweislast steht. Vor der Abnahme trifft diese Beweislast den Bauunternehmer. Er muss also beweisen, dass er das Werk ordnungsgemäß erstellt hat.

Wichtig ist auch: Mit der Abnahme geht die Gefahr, dass Beschädigungen an dem Bauwerk auftreten, auf den Bauherrn über. Der Bauherr muss sich eventuelle Vertragsstrafe zwingend vorbehalten. Dasselbe gilt für Mängel, die er bereits zum Zeitpunkt der Abnahme kannte.

123recht.de: Wie kann eine Abnahme des Bauwerks erfolgen?

Rechtsanwältin Dr. Feldmann: Es gibt verschiedene Möglichkeiten der rechtsgeschäftlichen Abnahme, die nicht mit einer behördlichen Abnahme, z.B. durch das zuständige Bauordnungsamt, verwechselt werden sollte. Es gibt zunächst die "ausdrückliche" Abnahme, in der der Bauherr ausdrücklich gegenüber dem Bauunternehmer erklärt, dass er die Bauleistung als vertragsgemäß akzeptiert. Eine bestimmte Form, wie z.B. die Schriftform, ist hierfür nicht vorgesehen.

Anders ist dies bei der "förmlichen" Abnahme, die entsprechend vereinbart oder im VOB/B-Vertrag auch verlangt werden muss. Hier wird z.B. von den Parteien des Bauvertrages vereinbart, dass eine Begehung stattfindet, bei der dann ein Abnahmeprotokoll gefertigt wird.

Immer zu beachten ist auch die so genannte "stillschweigende" Abnahme, bei der aus dem Verhalten des Bauherrn geschlossen wird, dass er die Bauleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt. Dies ist bei einem Eigenheim zumeist der Fall, wenn der Bauherr einzieht, einige Zeit darin wohnt und keine wesentlichen Mängel rügt. Hier sollte ein Bauherr also stets aufpassen.

123recht.de: Wie bereite ich mich auf die Abnahme vor? Wie dokumentiere ich Mängel am besten und wie kann ich sichergehen, dass diese auch beseitigt werden?<

Rechtsanwältin Dr. Feldmann: Meiner Ansicht nach ist der private Bauherr ohne eigene Fachkenntnis hiermit überfordert. Nach meiner Erfahrung macht es Sinn, bereits während der Bauphase einen eigenen Sachverständigen hinzuzuziehen und diesen regelmäßig das Bauvorhaben überprüfen zu lassen. Einige Mängel sind zum Zeitpunkt der Abnahme schlichtweg nicht mehr sichtbar. Relevante Zeitpunkte, wie z.B. die Fertigstellung des Rohbaus, müssen dokumentiert werden. Soweit schon während der Bauphase Mängel auftreten, sollte auch baubegleitend ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, da hier z.B. Fristen gesetzt werden sollten und es wichtig ist, sich entsprechend die Mängelrechte vorzubehalten.

Zusätzlich ist es immer wichtig, auch selbst möglichst viel fotografisch zu dokumentieren und sich Notizen zu machen. Solche Momentaufnahmen können in einem Rechtsstreit, der teilweise erst Jahre später stattfindet, wichtige Hinweise geben.

Und man kann es nicht deutlich genug sagen: Die gesamte Korrespondenz ist stets schriftlich zu führen. Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Zusagen oder Versprechungen.

123recht.de: Was ist Ihrer Ansicht nach der häufigste Fehler, der im Zusammenhang mit einer Abnahme gemacht wird?

Die meisten Bauherren sind sich der Rechtswirkungen und der Wichtigkeit der Abnahme nicht bewusst. Das ist auch nach einer anstrengenden und oft hektischen Bauphase nachvollziehbar. Man will endlich einziehen. Trotzdem wird hier die Grundlage gelegt, seine späteren Rechtsansprüche auch durchsetzen bzw. beweisen zu können.

123recht.de: Jetzt sind Mängel am Bau ja nicht selten. Kann ich die Abnahme denn immer verweigern, wenn ich Fehler finde - oder hängt das von den Mängeln ab?

Rechtsanwältin Dr. Feldmann: Grundsätzlich hat der Bauunternehmer einen Anspruch auf Abnahme. Der Bauherr kann sie aber verweigern, wenn wesentliche Mängel vorhanden sind. Bei der Frage, wann ein wesentlicher Mangel vorliegt, kommt es auf den Einzelfall an, jedoch darf es für den Bauherrn nicht mehr zumutbar sein, die Leistung als vollständig erbracht anzunehmen. Neben der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit wird man hier auch oft von einer Gefährdung der Sicherheit oder einem erheblichen Aufwand sprechen müssen.

123recht.de: Sie erwähnten Eingangs die VOB, also die Verdingsungsordnung für Bauleistungen. Normaler Werkvertrag oder die Regelungen der VOB - macht das für die Abnahme einen Unterschied?

Rechtsanwältin Dr. Feldmann: Die VOB kennt in § 12 VOB/B eine spezielle Regelung zur Abnahme, die einige Unterschiede zu einem BGB-Vertrag enthält.Allerdings ist zu beachten, dass die VOB nicht automatisch gilt, auch wenn im Vertrag darauf verwiesen wurde. Zum einen ist Voraussetzung, dass die VOB dem Bauherren auch übergeben wurde und dies auch dokumentiert werden kann. Auch sind die Regelungen der VOB wie Allgemeine Geschäftsbedingungen zu sehen und unterliegen deshalb einer Einzelfallprüfung. Dies folgt insbesondere aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. : VII ZR 55/07). Das bedeutet, dass selbst bei Vereinbarung der VOB/B als Ganzes jede einzelne Klausel von einem Gericht dahingehend überprüft werden darf, ob diese spezielle Klausel den Verbraucher unangemessen benachteiligt. Folge hiervon wäre die Unwirksamkeit der Regelung.

Gemäß § 12 Abs. 2 VOB/B existiert ein Recht des Bauunternehmers, Teilabnahmen zu verlangen. Auch gelten recht kurze Fristen. So hat grundsätzlich eine Abnahme gemäß § 12 Abs. 1 VOB/B innerhalb von zwölf Werktagen nach entsprechender Aufforderung durch den Bauunternehmer zu erfolgen.

Gemäß § 12 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B hat eine förmliche Abnahme dann stattzufinden, wenn eine Vertragspartei es verlangt. Das bedeutet, dass in der Regel gemeinsam das Bauwerk begangen und ein Abnahmeprotokoll erstellt wird.

Schließlich werden die Regelungen zur fiktiven Abnahme erweitert. Wird keine förmliche Abnahme vereinbart oder verlangt, so gilt gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B die Leistung mit dem Ablauf von zwölf Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung automatisch als abgenommen. Hier kann ein Schweigen auf eine Fertigstellungsmitteilung weitreichende Folgen haben. Bei der Benutzung des Bauwerks durch den Bauherrn gilt sogar gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B nur eine Frist von sechs Tagen.

123recht.de: Vielen Dank!

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