Wann ist ein befristeter Arbeitsvertrag nicht erlaubt?

Mehr zum Thema: Experteninterviews, Arbeitsvertrag, Befristung, sachgrundlos, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Arbeitsverhältnis
5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
6

Bundesverfassungsgericht sieht sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages kritisch

Das Bundesarbeitsgericht hatte bislang sachgrundlose Befristungen weitgehend gebilligt. Dem ist nun das Bundesverfassungsgericht deutlich entgegengetreten. Unzählige Befristungen könnten damit unwirksam sein.
123recht.de hat mit Herrn Rechtsanwalt Johannes Kromer gesprochen, wie Betroffene nun weiter vorgehen sollen und ob Hoffnung auf eine unbefristete Anstellung besteht.

123recht.de: Herr Kromer, warum ist eine Befristung eines Arbeitsvertrages kritisch?

Johannes Kromer
Partner
seit 2013
Rechtsanwalt
Tannenweg 17
72654 Neckartenzlingen
Tel: 07127/349-1208
Web: http://www.rechtsanwalt-kromer.de
E-Mail:
Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Maklerrecht, Vertragsrecht
Preis: 60 €
Antwortet: ∅ 3 Std. Stunden

Rechtsanwalt Kromer: Das ist vor allem eine politische Frage. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass unbefristete Arbeitsverhältnisse der Normalfall sein sollten. Der Arbeitgeber soll nicht alle Unwägbarkeiten, wie beispielsweise eine gleichbleibend hohe Auftragslage, zum Risiko des Arbeitnehmers machen. Daher hat der Gesetzgeber im „Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge" (TzBFG) einen Katalog aufgestellt, wann ein Arbeitsverhältnis auf bestimmte Zeit angegangen werden darf.

Befristeter Arbeitsvertrag maximal für zwei Jahre möglich

123recht.de: Das heißt, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses hat immer besondere Voraussetzungen?

Rechtsanwalt Kromer: Ja, das Gesetz hat hier in § 14 TzBFG unterschiedliche Fallgruppen vorgenommen. Letztendlich unterscheidet man zwischen einer Befristung aus sachlichem Grund oder einer Befristung ohne sachlichen Grund. Wir sprechen heute über die Probleme der sachgrundlosen Befristung. Diese ist vor allem deshalb sehr praxisrelevant, da der gesetzliche Katalog an zulässigen Sachgründen doch recht streng gehandhabt wird. Musterbeispiel für einen sachlichen Grund ist der Saisonarbeiter oder die Elternzeitvertretung. Allerdings kommt es auch hier auf jedes Detail an.

123recht.de: Ok, lassen Sie uns bei der sachgrundlosen Befristung bleiben. Können wir davon ausgehen, dass eine Befristung ohne sachlichen Grund immer unwirksam ist?

Rechtsanwalt Kromer: Nein, nach § 14 Abs. 2 TzBFG soll die Befristung eines Arbeitsverhältnisses auch ohne sachlichen Grund zulässig sein. Dies gilt aber nur bis zu einer Dauer von maximal zwei Jahren. Während dieser Dauer von zwei Jahren kann auch ein auf kürzere Zeit befristetes Arbeitsverhältnis maximal dreimal verlängert werden. Allerdings besagt das Gesetz auch, dass ein Arbeitgeber sich dann nicht auf eine sachgrundlose Befristung berufen kann, wenn mit demselben Arbeitnehmer zuvor schon mal ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte.

123recht.de: Das hört sich recht eindeutig und klar an. Warum erleben Sie hier in Ihrer täglichen Praxis immer wieder Streitigkeiten?

Rechtsanwalt Kromer: Das Einfallstor für Streitigkeiten ist recht groß. Da der Gesetzgeber und die Rechtsprechung nur wenige Gründe anerkennen, wann eine Befristung sachlich gerechtfertigt ist, bietet es sich für den Arbeitgeber natürlich an, auf die Befristung ohne Sachgrund abzustellen. Auch wenn ein angedachter Sachgrund bei näherer gerichtlicher Prüfung nicht vorliegt, kann sich der Arbeitgeber immernoch auf die sachgrundlose Befristung berufen.

Spannend ist nun vor allem die Frage, ob bereits vorher ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat.

Knackpunkt: Gab es mit dem Arbeitnehmer vorher ein Arbeitsverhältnis?

123recht.de: Aber das sollte doch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eigentlich relativ klar sein, oder?

Rechtsanwalt Kromer: Oft ist das klar. Teilweise aber eben auch nicht, wenn man beispielsweise an Ferienjobs, Praktikas, Ausbildung etc. denkt, die vielleicht schon Jahrzehnte zurückliegen. Auch dort ist es noch schwierig zu sagen, was ein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne ist. Schwierig ist weiter, dass es in der Zeit auch viele Firmenübernahmen gegeben hat, d.h. auch hier war diese Frage regelmäßig problematisch, insbesondere wenn ein Unternehmen in ein anderes Unternehmen eingegliedert wurde.

123recht.de: Der Teufel liegt also mal wieder im Detail?

Rechtsanwalt Kromer: Generell lässt sich im rechtlichen Bereich sagen, dass selten ein Fall genauso wie der andere ist. Gerade bei diesen Themen muss man genau und sorgfältig prüfen. Das Bundesarbeitsgericht hatte hier aber in den vergangenen Jahren versucht, das Thema etwas zu entspannen. Es hat eine Rechtsprechung entwickelt, die sich so im Gesetz überhaupt nicht wiederfindet.

Das Bundesarbeitsgericht ging her und hat angefangen, in § 14 TzBFG etwas hineinzulesen. Als Ergebnis stand dann die Aussage, dass eine vorherige Beschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 TzBFG dann nicht vorliegt, wenn das ältere Beschäftigungsverhältnis bereits länger als drei Jahre zurückliegt.

"Bundesarbeitsgericht über das Ziel hinausgeschossen"

123recht.de: Kann ein Gericht einfach so nach Belieben die Gesetze ändern?

Rechtsanwalt Kromer: Die Gerichte haben nicht am buchstäblichen Wortlaut festzukleben. Natürlich sind Begleitumstände, wie beispielsweise auch eine Gesetzesbegründung sowie der Sinn und Zweck eines Gesetzes einzubeziehen. Eine Gesetzesänderung ist aber dem Gesetzgeber vorbehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun am 06.06.2018 (Az. 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14) ausdrücklich festgestellt, dass das Bundesarbeitsgericht hier über das Ziel hinausgeschossen ist. Es hat dieser Rechtsprechung eine klare Absage erteilt.

123recht.de: Also sind wir nun wieder bei der ursprünglichen Regelung im Gesetz?

Rechtsanwalt Kromer: Jein. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar ganz klar gesagt, dass es eine starre Frist nicht gibt, allerdings durchaus anklingen lassen, dass es auch im Einzelfall eine großzügigere Handhabung zulassen würde. Angesprochen sind damit die Fälle, in denen eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anderer Natur (z.B. Nebenjob als Schüler) oder von sehr kurzer Dauer war.

Vorsicht bei neuer Vorlage oder Nachtrag eines Arbeitsvertrages

123recht.de: Was für Möglichkeiten hat ein Arbeitnehmer, der vermutet, dass seine Befristung unwirksam sein könnte?

Rechtsanwalt Kromer: Wichtig ist zunächst, die Rahmenbedingungen zu kennen. So sagt beispielsweise § 14 Abs. 4 TzBFG ausdrücklich, dass eine Befristung schriftlich niedergelegt sein muss. Aufpassen muss man auch, wenn der Arbeitgeber einem einen neuen Arbeitsvertrag oder einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag vorlegt.

Auch ein Arbeitsverhältnis, das nicht wirksam befristet wurde, kann noch im Nachhinein – durch Unterschrift des Arbeitnehmers – wirksam befristet werden, wenn es dafür im Zeitpunkt der Unterschrift einen Grund gab.

Interessant ist auch, dass dann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung weiter arbeitet, der Arbeitgeber dies erkennt und nicht widerspricht.

123recht.de: Das dürften Ausnahmen sein. Was kann aber der Arbeitnehmer im Normalfall tun? Riskiere ich nicht meinen Job, wenn ich nun bereits während der Befristung dem Arbeitgeber widersprechen möchte?

Rechtsanwalt Kromer: Das ist sehr praktisch handhabbar. Der Arbeitnehmer hat drei Wochen nach Auslauf der Befristung Zeit, eine Klage beim Arbeitsgericht zu erheben. Wichtig ist, dass diese Drei-Wochen-Frist immer im Blick behalten wird, da ansonsten auch eine unwirksame Befristung wirksam werden könnte.

"Arbeitgeber haben sich auf die sachgrundlose Befristung verlassen"

123recht.de: Was ist Ihre Einschätzung zu den Folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts?

Rechtsanwalt Kromer: Das Thema der Befristung war immer ein für Arbeitgeber heikles Thema. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat in vielen Betrieben dazu geführt, dass man sich weniger Gedanken über sachliche Gründe für eine Befristung gemacht hat. Arbeitgeber haben sich als „Backup" auf die sachgrundlose Befristung verlassen und das etwaige Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht sauber dokumentiert. Das kann sich nun in vielen Fällen rächen.

123recht.de: Vielen Dank für Ihre Zeit.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung. Ich setze mich bundesweit für Ihre Interessen ein.

Rechtsanwalt Kromer
Tannenweg 17
72654 Neckartenzlingen
info@rechtsanwalt-kromer.de
www.rechtsanwalt-kromer.de
Wollen Sie mehr wissen? Lassen Sie sich jetzt von diesem Anwalt schriftlich beraten.
Das könnte Sie auch interessieren
Experteninterviews Die Abfindung im Arbeitsrecht - das müssen Arbeitnehmer wissen
Arbeitsrecht Entfristung eines befristeten Arbeitsvertrags – Beispiel: Deutsche Post
Arbeitsrecht Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses: Chancen auf eine Abfindung?