Beziehung zu Ende – Was ist mit den Kindern?

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Psychologischer Hintergrund

An vorderster Stelle ist das Kind Inhaber eines Umgangsrechts mit seinen Eltern.
Das Kind hat also einen Anspruch auf Umgang mit beiden Eltern. Es existieren bereits Entscheidungen, wonach das Kind sein Recht auf Umgang verbunden mit einer Zwangsgeldandrohung gegen den umgangsunwilligen Elternteil auch gerichtlich geltend machen und durchsetzen kann. Damit korrespondiert das Recht beider Elternteile auf Umgang mit dem Kind.

Zweck des Umgangsrechts ist die Aufrechterhaltung der verwandtschaftlichen Beziehungen des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es nicht lebt. Es soll einer Entfremdung vorgebeugt und dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung getragen werden. Auch die Anknüpfung einer Beziehung oder das Entgegenwirken einer bereits eingetretenen Entfremdung ist dem Kindeswohl grundsätzlich dienlich.

Zum menschlichen Selbstverständnis gehört die Identifikation mit Mutter und Vater.
Das Kind benötigt eine weibliche und eine männliche Bezugsperson, um sich "normal" sozialisieren zu können. Die Abwesenheit des Vaters (oder der Mutter, wobei dies seltener vorkommt) führt im Allgemeinen dazu, dass das Kind sich von dem abwesenden Elternteil abgelehnt fühlt, gleichgültig, welchen Grund es für die Abwesenheit gibt. Dies liegt u.a. auch daran, dass Kinder ein egozentrisches Weltbild besitzen und sich daher als Ursache aller Vorgänge erleben.

Findet kein oder nur sehr selten Umgang statt, kann das Kind als Jugendliche/r und gegebenenfalls noch als Erwachsene/r nachhaltige Minderwertigkeitsgefühle empfinden, die oft nur durch Psychotherapie aufgelöst werden können. Es ist von erheblicher Bedeutung, die eigenen Wurzeln zu kennen, und das Fehlen dieser Kenntnis (wenn der verbliebene Elternteil über den abwesenden die Unwahrheit sagt oder ganz zu diesem Thema schweigt) führt zu einem oft diffusen Gefühl, dass "irgendetwas nicht stimmt".

Man muss daher sagen, dass selbst der Umgang mit einem "schlechten" Vater besser ist, als den Vater gar nicht zu sehen. Die Abwesenheit des Vaters führt – besonders, wenn die Mutter nicht in einer neuen, dauerhaften festen Beziehung lebt – häufig dazu, dass die Kinder keine männliche Bezugsperson haben und damit auch keinen Orientierungspunkt, zu dem sie sich hin oder von dem sie sich wegbewegen können.

Rechte des Umgangsberechtigten

Dem Umgangsberechtigten steht die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung zu. Das betrifft auch die Frage, mit wem das Kind während des Umgangs Kontakt hat. Damit kann der Berechtigte entscheiden, ob das Kind mit seinem neuen Lebensgefährten oder den Großeltern zusammentreffen soll. Der andere Elternteil hat aber die Möglichkeit, das Umgangsrecht beschränken zu lassen, sofern es für das Kindeswohl erforderlich ist.
Belasten z.B. die Großeltern das Kind mit ihrer negativen Einstellung zu dem anderen Elternteil, so kann der Kontakt zu diesen auf einige Tage im Jahr beschränkt werden.
Ausnahmsweise kann auch der Kontakt zu dem neuen Partner in der ersten Trennungszeit der Eltern beschränkt werden.

Wohlverhaltensgebot

Naturgemäß besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Personensorge und Umgangsrecht, denn der/die Personensorgeberechtigte (bei dem das Kind lebt) kann nicht den Umgang bestimmen, und das Umgangsrecht steht auch nicht unter dem Vorbehalt, dass der/die Personensorgeberechtigte Maßnahmen treffen kann, mit denen der Umgang nicht mehr vereinbar ist. Andererseits besteht ein Erziehungsvorrang des Sorgeberechtigten gegenüber dem Umgangsberechtigten, und in diesen Erziehungsvorrang darf nur insoweit eingegriffen werden, als dies zur Verwirklichung des Umgangs erforderlich ist.

Beiden Elternteilen ist daher die Verpflichtung auferlegt, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder erschwert.
Dieses Wohlverhaltensgebot betrifft nicht nur den Umgangs-/Sorgekonflikt, sondern wirkt auch auf das Verhältnis gemeinsam Sorgeberechtigter: Eltern müssen Einflussnahmen auf das Kind in streitigen Erziehungsfragen unterlassen, sie müssen sich loyal verhalten und sich bemühen, die Ursachen des Scheiterns ihrer Beziehung von dem Kind fernzuhalten, als dem Kind nicht vermeintliche negative Eigenschaften des anderen vermitteln. Ferner bestehen auch aktive Förderungspflichten, so dass der betreuende Elternteil das Kind zum Umgang mit den anderen motivieren und ihm den Umgang als etwas Schönes und Nützliches darstellen muss. Der betreuende Elternteil darf auch nicht durch formal korrektes Nichtstun dem Kind deutlich machen, dass ihm der Umgang nicht recht ist. Solches Verhalten wirkt auf das Kind, das auf Einvernehmen mit dem betreuenden Elternteil angewiesen ist, als Aufforderung zu umgangsablehnenden Verhalten und bewirkt einen großen Loyalitätskonflikt, dem ein - besonders kleines - Kind nicht gewachsen ist. Verhaltensauffälligkeiten sind die Folge.

Problematisch ist jedoch, wie das Wohlverhaltensgebot durchgesetzt werden soll, wenn Verstöße dagegen auftreten.
Mit Hinweis auf das Kontinuitätsinteresse des Kindes wurde früher ein Ungleichgewicht im Sanktionensystem hingenommen:
Illoyales Verhalten des Umgangselternteils konnte zu einer Einschränkung oder gar Ausschluss des Umgangs führen, während jedoch Illoyalität des Sorgeberechtigten selten zu einer entsprechenden Sanktion führten. In der jüngeren Vergangenheit zeichnet sich jedoch eine Entwicklung ab, die zu größerer Waffengleichheit führt. So ist der Verfasserin ein Sachverhalt bekannt, wo auf Antrag des Umgangsberechtigten eine Verfahrenspflegerin bestellt wurde, da die Sorgeberechtigte das Umgangsrecht dauerhaft vereitelte. Eine Zwangsmaßnahme ist z.B. die Verhängung von Zwangsgeld, die immer öfter erfolgt.

Einschränkung und Ausschluss des Umgangsrechts

Sofern das Kindeswohl es erfordert, sind Einschränkungen des Umgangsrechts möglich, die sogar bis zu einem Ausschluss führen können. Es sind sowohl zeitlich beschränkte Einschränkungen möglich als auch dauerhafte. Ebenso sind zeitlich begrenzte Phasen des vollständigen Ausschlusses des Umgangsrechts denkbar.

Einschränkungen oder gar der Ausschluss des Umgangsrechts erfordern jedoch ein besonders hohes Maß der Kindeswohlgefährdung, wobei die Gefährdung bei einer zeitlich begrenzten Einschränkung weniger stark sein muss als bei einer umfassenden Einschränkung bzw. eines (wenn auch zeitlich begrenzten) Ausschlusses des Umgangs.

Begleiteter / beschützter Umgang

Eine häufig verwendete Einschränkung besteht darin, dass der Umgangsberechtigte nicht mit dem Kind allein sein darf, sondern eine Betreuungsperson an den Treffen teilnimmt. Dieser beschützte Umgang stellt bereits eine schwerwiegende Einschränkung dar, ist jedoch einem sonst notwendigen vollständigen Ausschluss vorzuziehen. Der beschützte Umgang setzt immer eine nicht anders abwendbare Gefahr voraus und eignet sich in Fallgruppen, in denen nicht der Umgang als solcher das Kindeswohl gefährdet, sondern anlässlich des Umgangs Gefahren drohen. Hier ist z.B. an die Gefahr des sexuellen Missbrauchs durch den Umgangselternteil zu denken oder an Fälle uneinsichtiger Entführungsbereitschaft oder nach langer Entfremdung bzw. in sonstigen psychischen Ausnahmesituationen (Angst des Kindes nach aggressivem Verhalten des Umgangselternteils). Doch auch hier ist Ziel der Maßnahme, die unnatürliche überwachte Umgangssituation auf längere Sicht in einen normalen Umgang münden zu lassen.

Sexueller Missbrauch

Dass erwiesener Missbrauch den Umgangsausschluss rechtfertigt und ein begleiteter Umgang erst nach längerer Verarbeitung des Vorfalles das Kind vor den psychischen Nachteilen des Umgangskontaktes bewahren kann, steht außer Frage. Leider hat sich in jüngerer Zeit der unbewiesene Verdacht des Missbrauchs zu einem gerne verwendeten Argument entwickelt, da er schwer aufklärbar ist und immer "etwas hängen bleibt". Kann bestmögliche sachverständig beratene Aufklärung den Vorwurf nicht erhärten, verbietet sich die Umgangsbeschränkung.

Prostitution des Umgangsberechtigten steht dem Umgang nicht entgegen, verlangt aber gegebenenfalls nach einer räumlichen Einschränkung.Auch wenn ein Elternteil inhaftiert ist, kann er dennoch Umgang mit seinem Kind haben, sofern ein geeigneter Umgangsort vorhanden ist, der eine Kindeswohlbeeinträchtigung verhindert. Bei Gewaltkriminalität mit Kind- oder Familienbezug kann es nach der Haftentlassung notwendig sein, betreuten Umgang durchzuführen, und selbst nach einem Tötungsdelikt am anderen Elternteil kann ein vorsichtig psychologisch betreuter Umgang die realistische Verarbeitung durch das Kind fördern.

Ablehnung des Umgangs durch das Kind

Das Argument "Das Kind will ja nicht" wird häufig als Begründung für ein Verlangen nach Umgangsausschluss angeführt. Der Kindeswille ist jedoch altersabhängig unterschiedlich stark in Beziehung zum Kindeswohl zu setzen: der Kindeswille könnte nur dann unmittelbar den Umgangsausschluss begründen, wenn er vollständig frei die Persönlichkeit des Kindes widerspiegelt, was allenfalls bei fast Volljährigen anzunehmen ist. Vorher stellt der Kindeswille ein Indiz der Bindungen des Kindes an seine Eltern dar, wenngleich er natürlich auch Ausdruck der wachsenden Persönlichkeit ist.
Hinzu kommt, dass das Kind nicht umfassend beurteilen kann, was seinem Wohl dient, so dass auch der Kindeswille sich am Kindeswohl messen lassen muss. Erst recht gilt dies, wenn der ausgedrückte Kindeswille (der im Übrigen mit dem inneren Willen nicht übereinstimmen muss) beeinflusst oder gar manipuliert ist, was nicht ausschließt, dass sich die psychische Prägung so verfestigt hat, dass das Kind subjektiv in einer ausweglosen Situation ist.