Das neue Stalkinggesetz

Mehr zum Thema: Familienrecht, Stalking, Stalkinggesetz, Gewaltschutzgesetz, Hilfe, Nachbarn
5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
2

Wie steht das neue Stalkinggesetz zum Gewaltschutz?

Stalking - ein immer größer werdendes gesellschaftliches Problem nimmt mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten immer neue Züge an. Die Frage bleibt, was können die Opfer tun?

Die Stimmen in der Öffentlichkeit verlangen schon lang eine überfällige Gesetzesänderung. Diese ist nun zum 10. März 2017 über § 238 StGB erfolgt. Die Änderung sieht vor, dass Betroffene ohne Antrag nach Gewaltschutzgesetz, nach bestimmten Voraussetzungen Strafanzeige erstatten können. Allerdings sind die Hürden relativ hoch und das Gesetz weist Schwächen auf.

Elisabeth Aleiter
Partner
seit 2013
Rechtsanwältin
Schubertstraße 6
80336 München
Tel: 089/ 29161431
Tel: 089 / 29161423
Web: http://www.kanzlei-aleiter.de
E-Mail:
Wirtschaftsrecht, Strafrecht, Erbrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht

Sachverhalt: Gewalttätige Übergriffe nach Trennung

Frau Sch. aus M. hat mit T zwei Kinder. Beide sind nicht verheiratet. Als Frau Sch. sich von T in 2014 trennt, beginnt er sie zu verfolgen, ruft sie und die Kinder ständig auf das Handy an, verfolgt sie, wenn sie das Haus verlässt. Er fährt ihnen nach, wenn sie mit dem Auto ausfahren. Es kommt mehrmals zu gewalttätigen Übergriffen gegenüber der Mutter. Auch die Kinder verfolgt er ständig mit seinen Anrufen. T droht u.a. sich, die Sch. und die Kinder zu töten. Das dauert an bis Juni 2017 Frau Sch. geht zu Rechtsanwalt Grübel und bittet um Hilfe.

Rechtliche Beurteilung:

§ 238 StGB nF seit 10.03.2017

Die Nachstellungen, Drohungen des Herrn T gegen Sch. stellen in der Zeit ab 1.3.17 den Tatbestand des Stalkings i.S. des § 238 StGB n. F. dar gemäß § 238 I StGB:

§ 238
Nachstellung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er beharrlich

1.

die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,

2.

unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht

3.

unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen, oder

4.

diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht oder

5.

eine andere vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) Auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahe stehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Der T verwirklicht alle Tatbestände des neuen § 238 I StGB und muss sich u.U. schon bald auf eine empfindliche Freiheitsstrafe gefasst machen. Die Gerichte werden sich allerdings schwer tun, ein Definition für die folgende Beschreibung zu finden:

„wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er beharrlich"……

Es ist fraglich, wann Nachstellen die Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. Da in diesem Fall bereits mehrere Körperverletzungen anlässlich des Stalkings verübt wurden, ist von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers bzw. der Betroffenen in diesem Fall unbedingt auszugehen.

D.h. es kann in einem solchen Fall sofort Strafanzeige erstattet werden, es muss kein Umweg über das so genannte Gewaltschutzgesetz gegangen werden. § 238 I StGB ist ein Offizialdelikt, d.h. es wird ohne Strafantrag verfolgt.

§ 1 ff. Gewaltschutzgesetz

Auch das Gewaltschutzgesetz regelt das Verfolgen einer Person und soll davor schützen.

Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz - GewSchG)
§ 1 Gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen

(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1.

die Wohnung der verletzten Person zu betreten,

2.

sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,

3.

zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,

4.

Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,

5.

Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,

soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.

eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat oder

2.

eine Person widerrechtlich und vorsätzlich

a)

in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder

b)

eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.

Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

§ 2 Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung

(1) Hat die verletzte Person zum Zeitpunkt einer Tat nach § 1 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, mit dem Täter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt, so kann sie von diesem verlangen, ihr die gemeinsam genutzte Wohnung zur alleinigen Benutzung zu überlassen.

(2) Die Dauer der Überlassung der Wohnung ist zu befristen, wenn der verletzten Person mit dem Täter das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück, auf dem sich die Wohnung befindet, zusteht oder die verletzte Person mit dem Täter die Wohnung gemietet hat. Steht dem Täter allein oder gemeinsam mit einem Dritten das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zu, auf dem sich die Wohnung befindet, oder hat er die Wohnung allein oder gemeinsam mit einem Dritten gemietet, so hat das Gericht die Wohnungsüberlassung an die verletzte Person auf die Dauer von höchstens sechs Monaten zu befristen. Konnte die verletzte Person innerhalb der vom Gericht nach Satz 2 bestimmten Frist anderen angemessenen Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschaffen, so kann das Gericht die Frist um höchstens weitere sechs Monate verlängern, es sei denn, überwiegende Belange des Täters oder des Dritten stehen entgegen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht und das dingliche Wohnrecht.

(3) Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen,

1.

wenn weitere Verletzungen nicht zu besorgen sind, es sei denn, dass der verletzten Person das weitere Zusammenleben mit dem Täter wegen der Schwere der Tat nicht zuzumuten ist oder

2.

wenn die verletzte Person nicht innerhalb von drei Monaten nach der Tat die Überlassung der Wohnung schriftlich vom Täter verlangt oder

3.

soweit der Überlassung der Wohnung an die verletzte Person besonders schwerwiegende Belange des Täters entgegenstehen.

(4) Ist der verletzten Person die Wohnung zur Benutzung überlassen worden, so hat der Täter alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung dieses Nutzungsrechts zu erschweren oder zu vereiteln.

(5) Der Täter kann von der verletzten Person eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.

(6) Hat die bedrohte Person zum Zeitpunkt einer Drohung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt mit dem Täter geführt, kann sie die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung verlangen, wenn dies erforderlich ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Eine unbillige Härte kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist. Im Übrigen gelten die Absätze 2 bis 5 entsprechend.

§ 3 Geltungsbereich, Konkurrenzen

(1) Steht die verletzte oder bedrohte Person im Zeitpunkt einer Tat nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 unter elterlicher Sorge, Vormundschaft oder unter Pflegschaft, so treten im Verhältnis zu den Eltern und zu sorgeberechtigten Personen an die Stelle von §§ 1 und 2 die für das Sorgerechts-, Vormundschafts- oder Pflegschaftsverhältnis maßgebenden Vorschriften.

(2) Weitergehende Ansprüche der verletzten Person werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 4 Strafvorschriften

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer bestimmten vollstreckbaren

1.

Anordnung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1, zuwiderhandelt oder

2.

Verpflichtung aus einem Vergleich zuwiderhandelt, soweit der Vergleich nach § 214a Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3 dieses Gesetzes, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 dieses Gesetzes, bestätigt worden ist.

Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

Wie sich unschwer aus § 1 Gewaltschutzgesetz ergibt, ist diese Regelung wesentlich niedrigschwelliger. D.h. die Geschädigten können auch schon bei geringfügigeren Nachstellungen oder der ersten Nachstellung, für die u.U. noch nicht der Nachweis der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des betroffenen Opfers gelingt, ein Verfahren beim Familiengericht einleiten.

Nach dem Gewaltschutzgesetz muss der oder die Betroffene einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht d.h. dem Familiengericht stellen, d.h. einen Sachverhalt i.S. des Gewaltschutzgesetzes in Form einer eidesstattlichen Versicherung einreichen, um den Beschluss des Gerichtes zu erhalten, dass der vermeintliche Täter sich ihr bzw. ihm nicht mehr nähern darf, nicht mehr anrufen darf u.a..

Im Fall des Gewaltschutzgesetzes macht ein Täter bzw. Stalker sich erst strafbar, wenn das Familiengericht einen Beschluss erlassen hat, der dem Täter verbietet sich zu nähern und dieser dann dagegen verstößt und Strafanzeige erstattet wird.

Also stellt das Gewaltschutzgesetz zwar eine niedrigschwelligere Möglichkeit für Verbote dar, aber wesentlich umständlicher um den Täter in die Strafbarkeit zu bringen mit entsprechenden Konsequenzen für den Täter.

Fazit:

Ob die Änderung vom 10.3.17 die § 238 StGB verschärft hat ein großer Wurf war, bleibt abzuwarten. Es liegt allerdings auf der Hand, dass der Gesetzgeber tätig werden musste und besser eine Änderung vorgenommen wurde, als gar keine.

Weiterhin gibt es das Gewaltschutzgesetz, das niederschlagbar ist.

Was können die Opfer tun:

  • Alles aufschreiben, Tagebuch führen, alles noch so kleine Details aufschreiben.
  • Psychologische Hilfe für die gesamte Familie
  • Anwaltliche Hilfe holen
  • Anträge nach Gewaltschutzgesetz stellen
  • Strafanzeigen nach Gewaltschutzbeschlüssen oder dem Stalkinggesetz  erstatten
  • Konsequent jede Einladung des Täters ablehnen, dem Täter jegliche Zuwendung, Zugang verbieten
  • Nach außen gehen, Presse, Funk und Fernsehen
  • Sich Hilfe von Nachbarn, Freunden holen
  • Am Arbeitsplatz, Nachbarschaft Problem darstellen allen Leuten sagen, wer der Täter ist, dass dieser krank ist und was er tut;

Rechtsanwältin Elisabeth Aleiter
Schubertstraße 6 / an der Oktoberfestwiese

80336 München
Tel.: 089/29161431
Fax: 089/29161437

E-Mail:elisabeth.aleiter@kanzlei-aleiter.de
Web: http://www.kanzlei-aleiter.de
Das könnte Sie auch interessieren
Familienrecht Das Umgangsrecht der Kinder und ihrer Eltern
Familienrecht Was ist im Scheidungsverfahren zu beachten?
Familienrecht Die nichteheliche Lebensgemeinschaft
Familienrecht Die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft