Die Bewertung von Unternehmen im Zugewinnausgleich

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Grundsätze des Zugewinnausgleiches

Den Begriff „Unternehmensbewertung“ bringen die meisten Ehegatten mit Investitionen, Börsengängen und Übernahmen in Verbindung, nicht jedoch mit ihrer eigenen Ehe. Wenn jedoch zumindest ein Ehegatte selbständig ist, kann die Bewertung seiner Tätigkeit im Falle einer Scheidung eine zentrale Rolle spielen, welche im schlimmsten Fall existenzbedrohend sein kann. Dies gilt im Grundsatz nicht nur für größere Unternehmungen, sondern für jede Form einer selbständigen Tätigkeit, sei es als (Klein-) Gewerbetreibender, als Gesellschafter einer GmbH oder als Freiberufler.

Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft -was den Regelfall darstellt, wenn die Ehegatten in einem Ehevertrag keine abweichende Vereinbarung getroffen haben- so ist im Falle einer Scheidung der während der Ehe gemeinsam erwirtschaftete Zugewinn auszugleichen. Bei der Ermittlung des Zugewinnes eines jeden Ehegatten werden –stark vereinfacht ausgedrückt- der jeweilige Vermögensbestand zu Beginn der Ehe (sog. Anfangsvermögen) und zum Beginn des Scheidungsverfahrens (sog. Endvermögen) miteinander verglichen. Die Differenz ist der Zugewinn. Hat ein Ehegatte mehr Zugewinn als der andere erwirtschaftet, so ist der Überschuss hälftig zu teilen.

Unternehmen bzw. Unternehmensbeteiligungen gehören auch zum Vermögensbestand. Diese sind zu den jeweiligen Stichtagen für das Anfangs- und Endvermögen zu bewerten.

Die Bewertungsmethoden

Die Bewertung richtet sich nach den in der Wirtschaftslehre entwickelten Methoden. Im folgenden werden die für die familienrechtliche Praxis wichtigsten Methoden dargestellt:

1. Liquidationswertverfahren

Der Liquidationswert ist der fiktive Preis, welcher ein potentieller Käufer für die einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens zu zahlen bereit wäre (auch Zerschlagungswert genannt).

Dieser Wert stellt in der Regel die absolute Wertuntergrenze eines Unternehmens dar.

2. Substanzwertverfahren

Der Substanzwert eines Unternehmens spiegelt den Wert wider, der für eine identische Reproduktion des Unternehmens zu bezahlen wäre (auch Sachwert genannt).

Der Wert wird hiernach vor allem aus den materiellen Gütern des Unternehmens (Anlagevermögen, Umlagevermögen etc.) gebildet (sog. Teilreproduktionswert). Aber auch immaterielle Werte können berücksichtigt werden (sog. Vollreproduktionswert).

3. Ertragswertverfahren

Dieses Verfahren berücksichtigt allein das zukünftige Wachstum und den Gewinn des Unternehmens. Der Ertragswert ist der Wert, welcher ein potentieller Käufer des Unternehmens bereit wäre zu bezahlen, um sein Kapital in der Zukunft verzinst zu erhalten.

Innerhalb dieser Methode gibt es wiederum unterschiedliche Rechenansätze. In der Regel werden die zukünftigen Gewinne innerhalb eines zukunftsbezogenen Planungszeitraumes von drei bis fünf Jahren –auch auf Grundlage der vergangenen Jahre- geschätzt und mit einem Zinssatz abdiskontiert (z.B. Zinssatz einer sicheren Alternativanlage zzgl. Risikoaufschlag) bzw. kapitalisiert (mit einem sog. Kapitalisierungszinsfuß). Abgezogen werden des weiteren ein kalkulatorischer Unternehmerlohn sowie Steuern.

4. Mittelwertverfahren

Dieses  Verfahren verbindet Substanz- und Ertragswertverfahren, um vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsbezogene Gesichtspunkte berücksichtigen zu können. Als Unternehmenswert wird also der Mittelwert der im Substanz- und Ertragswertverfahren ermittelten Werte angenommen.

5. Discounted Cash Flow Verfahren (DCF)

Bei diesem Verfahren werden nicht die buchhalterischen Gewinne berücksichtigt, sondern der tatsächliche Zahlungsmittelüberschuss (Cash Flow), welcher dazu dient, Investitionen zu tätigen, Verbindlichkeiten zu tilgen, etc.

6. IDW ES 1

Die sog. „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (IDW ES 1) wurden vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) entwickelt. Hierbei wird der objektive Zukunftserfolgswert eines Unternehmens ermittelt, welcher sich „bei Fortführung des Unternehmens in unverändertem Konzept und mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen der Marktchancen und –risiken, finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie sonstigen Einflussfaktoren ergibt“ (so IDW Standard 2004 Tz. 12).

Im Ergebnis wendet der IDW-Standard das o. g. Ertragswertverfahren und das Discounted Cash Flow-Verfahren an. Die Untergrenze stellt jedoch in jedem Fall der Liquidationswert dar.

7. Besonderheiten bei Freiberuflern

Bei Freiberuflern besteht die Besonderheit, dass die Leistung des Unternehmens sich in deren geistiger Tätigkeit erschöpft, also nicht ohne weiteres auf einen potentiellen Investor übertragbar ist.

Es wird daher bei der Bewertung grundsätzlich vom Substanzwert ausgegangen und sodann der sog. „good will“ (ideelle Wert) ermittelt, welcher sich letztlich wiederum auch nach dem zukünftigen Ertrag richtet. Wie beim Ertragswertverfahren sind auch hier ein Unternehmerlohn sowie latente Steuern abzuziehen.

Insbesondere bei Kammerberufen gelten teilweise für jeden Berufsstand eigene Bewertungsregeln, welche von den zuständigen Kammern aufgestellt werden (z.B. für Ärzte, Rechtsanwälte und Steuerberater). Diese wurden von der Rechtsprechung anerkannt. Bei Architekten besteht die Besonderheit, dass ihren Unternehmungen in der Regel kein good will zuerkannt wird, da die individuelle künstlerische Leistung im Vordergrund steht. Hier ist also nur der Substanzwert maßgeblich.

Die Anwendung der Bewertungsmethoden in der richterlichen Praxis

Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, dass im Wege der Unternehmensbewertung der „wirkliche Wert“ zu ermitteln sei. Es sei damit Aufgabe des jeweiligen Richters, mit Hilfe eines Sachverständigen in jedem Einzelfall die richtige Bewertungsmethode auszuwählen und anzuwenden.

Problematisch ist hierbei, dass es keinen wirklichen, objektiven Wert eines Unternehmens gibt, bzw. dieser schlicht nicht zu ermitteln ist. Jede Methode ergibt einen anderen Wert und jeder Sachverständige gewichtet einzelne Faktoren im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes anders. Da verwundert es nicht, dass die Rechtsprechung oftmals den Mittelwert aus mehreren Methoden heranzieht und letztlich ergebnisorientiert Entscheidungen trifft.

Die Ertragswertmethode ist unabhängig hiervon wohl die Methode, welche am häufigsten von der Rechtsprechung angewendet wird. Bei der konkreten Berechnung gibt es im wesentlichen zwei Unsicherheitsfaktoren, welche den Wert des Unternehmens maßgeblich beeinflussen:

- Der Kapitalisierungszinssatz (inkl. Risikozuschlag)

Jener hängt im konkreten Fall von der Höhe der jeweiligen Risikobeurteilung sowie der Annahme über die künftige Zins- und Inflationsentwicklung ab. Die Bestimmung des Risikozuschlages wird beeinflusst von Faktoren wie der Genauigkeit der Ermittlung der zukünftigen Überschüsse, der Finanzierungsstruktur des Unternehmens, der Rechtsform, der Branche, der Wiederverkäuflichkeit etc. Bereits kleinste Änderungen des so ermittelten Zinssatzes haben dabei großen Einfluss auf den Unternehmenswert, so dass hier besonders sorgfältig geprüft werden muss.

- Der kalkulatorische und individuelle Unternehmerlohn

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist der marktübliche Lohn, welcher ein Käufer des Unternehmens bei dessen Fortführung für die Beschäftigung eines Geschäftsführers aufwenden müsste. Da der kalkulatorische Unternehmerlohn direkt vom Gewinn vor Abzinsung abgezogen wird, hat dessen Höhe großen Einfluss auf die Unternehmensbewertung. Bei kleineren Unternehmen führt oftmals allein der Ansatz eines kalkulatorischen Unternehmerlohnes dazu, dass der Ertragswert mit Null zu beziffern ist.

In manchen Fällen ist der Ansatz eines marktüblichen Lohnes nicht gerechtfertigt, da ansonsten die persönliche Leistung des Unternehmers nicht angemessen honoriert würde und es letztlich zu einer Doppelbelastung bei Zugewinnausgleich und Unterhalt käme. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist daher in diesen Fällen ein individuell zu bemessener Unternehmerlohn anzusetzen.

Empfehlungen für betroffene Unternehmer

Die vorstehend beschriebene Praxis zeigt, dass es für die Beteiligten eines gerichtlichen Zugewinnausgleichsverfahrens kaum vorhersehbar ist, welcher Wert dem Unternehmen beizumessen ist. Die vorgerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens ist hier wenig erhellend, da letztlich das zuständige Gericht im Einzelfall entscheidet, welche Bewertungsmethode(n) Anwendung finden soll(en).

Um die Kosten und Risiken eines Gerichtsverfahrens zu vermeiden, empfiehlt es sich, zunächst eine außergerichtliche Lösung anzustreben, welche auch die gemeinsame Beauftragung eines Sachverständigen zum Inhalt haben kann. In einem solchen Schiedsvertrag könnten die Ehegatten festlegen, welche Bewertungsmethode sie bevorzugen bzw. auf welche Faktoren es bei der Bewertung ankommen soll.

Sofern eine Einigung nicht zustande kommt, sollte im darauf folgenden gerichtlichen Zugewinnausgleichsverfahren darauf geachtet werden, dass dem gerichtlichen Sachverständigen und dem Gericht selbst alle für die Bewertung relevanten Umstände mitgeteilt werden und dass sodann das angefertigte Gutachten genauestens überprüft wird, ggf. unter Hinzuziehung eines eigenen Sachverständigen. Durch die oben beschriebenen Unsicherheitsfaktoren bei den Bewertungsmethoden gibt es hier in der Regel einen weiten Raum für Argumentationen.

Unternehmer, welche an Gesellschaften beteiligt sind und deren Abfindungsansprüche im Gesellschaftervertrag ausgeschlossen oder beschränkt wurden, sollten sich nicht darauf verlassen, dass dies im Zugewinnausgleichsverfahren zu ihren Gunsten berücksichtigt wird. Denn die Rechtsprechung geht in der Regel dennoch von dem „wirklichen Wert“ des Gesellschaftsanteils aus, es sei denn, die Gesellschaft wurde bereits zum Stichtag gekündigt.

Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich generell, in einem notariellen Ehevertrag das Unternehmen vom Zugewinnausgleich auszunehmen oder den Ausgleich auf bestimmte Unternehmensteile zu beschränken (z.B. auf eine Immobilie im Betriebsvermögen). Hier gibt es eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten, welche für beide Ehegatten interessengerecht sind.

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