Die Prozesskostenhilfe im Familienrecht

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Die Prozesskostenhilfe im Familienrecht

Von Rechtsanwalt Klaus Wille

Immer mehr Menschen sind finanziell nicht in der Lage, einen Rechtsstreit zu führen. Um diesen Personen die Möglichkeit einzuräumen, gerichtliche Ansprüche durchzusetzen, kann Prozesskostenhilfe beantragt werden. Prozesskostenhilfe (kurz: PKH) ist eine Form der Sozialleistung des Staates. Dadurch soll eine Gleichstellung zwischen "Armen und Reichen" erfolgen (BVerfGE in: FamRZ 2002, S. 665). PKH kann in allen Arten zivilprozessualer Streitigkeiten und im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bewilligt werden (Ausnahme: schiedsgerichtliche Verfahren). Auch in bestimmten strafprozessualen Verfahren kommt sie in Betracht. Gerade im Familienrecht ist Prozesskostenhilfe von entscheidender Bedeutung. Dieser Beitrag soll einen kurzen Überblick bieten.

  1. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit jemand Prozesskostenhilfe erhält?

    Klaus Wille
    Rechtsanwalt
    Waidmarkt 11
    50676 Köln
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    Fachanwalt für Familienrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht, Kindschaftsrecht

    Ausgangspunkt ist § 114 ZPO. Es sind vier verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen:

    1. Es ist ein Antrag auf Prozesskostenhilfe notwendig;
    2. die Partei ist bedürftig,
    3. die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hat ausreichende Aussicht auf Erfolg
    4. und ist nicht mutwillig.

  2. Wer kann wo einen Antrag einreichen?

    Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist bei dem Gericht einzureichen, bei dem das Verfahren, für das um Prozesskostenhilfe nachgesucht wird, anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll (vgl. § 117 Abs. 1 S. 1). Dieses Gericht prüft den Antrag und entscheidet darüber, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben sind.

    Dem Antrag muss eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Beruf, Vermögen, Einkommen, etc) sowie die Belege beigefügt werden.

    Wichtig: Gemäß § 117 Abs. 3 und 4 ZPO i.V.m. der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) muss ein bestimmter Vordruck benutzt werden. Dies bedeutet, dass man sich den Vordruck selbst besorgen muss (z.B. auf der Rechtsantragsstelle jedes Amtsgerichts, im Handel). Wir in unserer Kanzlei stellen unseren Mandanten den Vordruck zur Verfügung.

    Es gibt nur wenige Personen, die den Vordruck nicht benutzen müssen (vgl. § 1 II PKHVV). Dazu gehören juristische Personen oder parteifähige Vereinigungen. Ein minderjähriges Kind kann eine so genannte vereinfachte Erklärung abgeben (vgl. §1 Abs. 3 sowie § 2 PKHVV). Im Bedarfsfall beraten wir Sie gerne.

    Ein Antrag wir in der Regel durch Ihren Anwalt eingereicht. Er kann aber auch persönlich eingereicht werden.

    Die Staatsangehörigkeit spielt im Übrigen keine Rolle.

  3. Wann bin ich bedürftig?

    Nur derjenige, der nicht im Stande ist, die Prozesskosten selbst zu tragen, erhält PKH. Dazu muss man bedürftig sein. Dies wird gemäß § 115 ZPO sowie des Bundessozialhilfegesetz bestimmt. Man geht wie folgt vor:

    1. Zunächst errechnet man das durchschnittliche Monatesnettoeinkommen. Dies errechnet sich aus dem Bruttojahreseinkommen, abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Diesen Betrag teilt man dann durch zwölf Monate. Wenn man kein Einkommen hat, so verlangen einige Gerichte, dass man darlegen und glaubhaft machen muss, wie man seinen Lebensunterhalt bestreitet.

      Als Einkommen zählt u.a. : Gehalt, Überstundenlohn, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, erhaltener Unterhalt, Wohngeld, Arbeitnehmersparzulagen, Arbeitslosenhilfe, Bafög.
      Nicht zum Einkommen sollen z.B. Abfindungen bei Verlust des Arbeitsplatzes (§§ 9, 10 KSchG) zählen. Dies ist aber nicht unumstritten. Gleiches zählt für das Kindergeld. Hier werden beide Ansichten vertreten.

    2. Von dem Monatsnettoeinkommen werden dann verschiedene Abzüge zugelassen:

      • gezahlter (gesetzlicher) Unterhalt kann abgezogen werden; nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe kann nur der nachgewiesene tatsächliche Unterhalt vom Einkommen abgesetzt werden;

      • die Kosten der Unterkunft und Heizung in der tatsächlichen Höhe sind abzugsfähig, wenn sich nicht im auffälligen Missverhältnis stehen.

      • Abzug eines Freibetrages, der seit der "Ersten Prozesskostenhilfebekanntmachung 2005 - 1. PKHB 2005" vom 21.12.2004 (BGBl. I S. 3842) folgende Höhe hat:

        1. in den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein für die Partei 442 Euro und für den Ehegatten oder Lebenspartner 442 Euro und für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, 311 Euro;

        2. in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für die Partei 424 Euro, für den Ehegatten oder Lebenspartner 424 Euro sowie für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, 298 Euro;

        3. in Bayern für die Partei 436 Euro, für den Ehegatten oder Lebenspartner 436 Euro, für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, 307 Euro.

          Diese Freibeträge gelten seit dem 01.01.2005.

    3. Dann hat man das Einkommen des Antragstellers, das für die Prozessführung eingesetzt werden muss.

      1. Bei einem einzusetzenden Einkommen von weniger als 15 Euro monatlich erhält der Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen.

      2. Bei einem Einkommen von über 15 Euro erhält man Prozesskostenhilfe nur mit Ratenzahlung. Die Höhe der Raten richtet sich nach dem Einkommen. Hat man z.B. ein Einkommen bis 50 EUR monatlich, so muss man monatlich 15 EUR an die Staatskasse zahlen; hat man ein Einkommen von über 50 und bis zu 100 EUR monatlich, so ist man verpflichtet, eine Rate von monatlich 30 EUR zu zahlen (vgl. § 115 Abs. 1 a.E. ZPO).

    4. PKH wird nicht gewährt, wenn der Antragsteller die Prozesskosten mit vier Monatsraten ausgleichen kann.

    5. Wichtig ist, dass der Antragsteller auch das Vermögen einzusetzen hat, soweit es ihm zumutbar ist. So kann ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zum Vermögen gehören. Besteht eine Rechtsschutzversicherung, so scheidet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus. In der Regel gibt es aber für familienrechtliche Verfahren keine Deckungszusage der Versicherungen.

    6. Außerdem muss vorher geklärt werden, ob der Antragsteller nicht einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss hat. Dies ist ein Anspruch auf Zahlung der Prozesskosten z.B. durch den Ehepartner. Insbesondere im Familienrecht kann dies relevant werden, da zusammenlebende Eheleute im Rahmen des Familienunterhalts eine solchen Anspruch haben (§ 1360a Abs. 4 BGB). Dieser Anspruch gehört auch zum Vermögen des Antragstellers. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Gegner den geforderten Betrag in einer Summe aufbringen kann.

  4. Ich bin bedürftig: Bekomme ich jetzt automatisch Prozesskostenhilfe?

    Nein, denn das Gericht prüft in allen Fällen, ob die Rechtsverfolgung oder Verteidigung auch "hinreichende Aussicht auf Erfolg hat" und ob das Verfahren "mutwillig" ist.

    1. Das Wort hinreichend kennzeichnet, dass es sich hier nur über eine "vorläufige" Prüfung der Erfolgsaussichten handelt. Der Erfolg muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben.

      Das Gericht darf den Rechtsstreit nicht in das PKH-Prüfungsverfahren verlagern. In der Praxis geschieht es nicht selten, dass das Gericht mit der Entscheidung abwartet und in einem PKH-Prüfungstermin die Frage klärt.

      1. Bei einer Scheidung muss der Antragsteller bzw. dessen Anwalt die gesamten Tatsachen vortragen, die das Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen wahrscheinlich machen. Ist das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen und kommt eine Härtefallscheidung nicht in Betracht, so ist der Scheidungsantrag unschlüssig und die PKH abzuweisen (so: OLG Dresden in: FamRZ 2002, S. 890). Ist der Antragsgegner auch bedürftig, so kann er auch einen PKH - Antrag stellen. Auch wenn er nur dem Scheidungsantrag zustimmen will. Dazu sollten Sie im Zweifelsfalle Ihren Anwalt darauf ansprechen.

        Bei einverständlichen Scheidungen ist es notwendig, dass die Parteien sich über das Sorgerecht, den Umgang, den Unterhalt und den Hausrat einig sind oder dass Sie bereit sind, eine solche Vereinbarung zu protokollieren. Es gibt einige Gericht, die andernfalls die Erfolgsaussichten verneinen und dann die Prozesskostenhilfe verweigern.

        Nimmt man den Scheidungsantrag zurück, weil sich die Parteien versöhnt haben, so kann trotzdem Prozesskostenhilfe gewährt werden.

      2. Füllt jemand die Formulare des Versorgungsausgleichs nicht aus, so kann u.U. auch eine Versagung der PKH in Betracht kommen. Hier stellen die Gerichte auf den Einzelfall ab.

      3. In Unterhaltsfällen muss man die Voraussetzungen des Anspruchs darlegen und gegebenenfalls glaubhaft machen. Nach der Rechtssprechung soll auch die freiwillige Zahlung des Kinderunterhalts eine Klage ermöglichen, da der Unterhaltsberechtigte ein "schutzwürdiges Interesse" an einem Titel habe. Der Schuldner müsse vorher aber zur Errichtung einer Jugendamtsurkunde aufgefordert worden sein.

      4. In einigen Fällen gehen Deutsche und Ausländer die Ehe nur deswegen ein, um dem Ausländer eine Aufenthaltsbefugnis zu verschaffen (Scheinehen). Trotz allem gewähren einige Oberlandesgerichte Prozesskostenhilfe. Wir werden Sie gerne über die weitergehenden Möglichkeiten unterrichten.

    2. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung/Rechtsverteidigung, wenn ein verständiger Dritter sein Recht nicht so verfolgen würde oder wenn das Ziel mit kostengünstigeren Mitteln zu erreichen wäre.

      Dies ist insbesondere bei den Fällen relevant, wenn ein Scheidungsverfahren anhängig ist und nun eine Unterhaltsklage geltend gemacht wird. Lassen sich nämlich die Eheleute scheiden und prozessieren danach in isolierten Verfahren z.B. um Unterhalt oder den Zugewinnausgleich, so verursachen sie regelmäßig höherer Kosten als im so genannten Verbundverfahren. Dies liegt daran, dass im so genannten Verbundverfahren die Gebühren nach den Werten der Scheidungssache und der Folgesache berechnet werden (Viefhues, Fehlerquellen im familiengerichtlichen Verfahren, S. 264).

      Es wird daher darauf abgestellt, ob man aus nachvollziehbaren Gründen davon absehen konnte, eine Angelegenheit im Scheidungsverbund zu verfolgen (Viefhues, a.a.O). Überwiegend bejaht man die Mutwilligkeit einer isolierten Unterhaltsklage, da damit Mehrkosten verursacht werden. Bei Kindesunterhalt muss der Unterhaltszahler vor der Klage aufgefordert werden, eine Jugendamtsurkunde einzurichten. Denn der Verpflichtete kann dort den Unterhalt für alle Beteiligten umsonst festsetzen lassen.

  5. Ich erhalte nun Prozesskostenhilfe "mit Ratenzahlung". Was heißt dies?

    Gemäß § 115 Abs. 1 S. 4 ZPO können nur 48 Monatsraten als Ratenzahlung festgesetzt werden. Nach 48 Raten ist die Zahlungspflicht beendet. Was darüber hinaus an Kosten anfällt, übernimmt die Staatskasse.

  6. Ich erhalte Prozesskostenhilfe "ohne Ratenzahlung". Kann sich dies noch ändern?

    Ja! Gemäß § 120 Abs. 4 ZPO ist dazu aber eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers notwendig. Überwiegend nimmt man an, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse um 10 Prozent ändern müssen.

    Außerdem kann das Gericht eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse vornehmen. Dazu wird nach Abschluss des Verfahrens ein Fragebogen übersandt, der beantwortet werden muss. Andernfalls droht der Entzug der PKH.

  7. Kann die Prozesskostenhilfe widerrufen werden?

    Ja! Dies bestimmt § 124 ZPO. Die Prozesskostenhilfe kann aber nur in folgenden Fällen widerrufen werden:

    1. wenn der Antragsteller durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der PKH maßgebenden Verhältnisse vorgetäuscht hat;

    2. durch absichtliche unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder durch Nichtabgabe bestimmter Erklärungen;

    3. durch Nichtvorliegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse;

    4. durch einen Rückstand von mehr als drei Monatsraten.

    Die Entscheidung ist eine Ermessensentscheidung. Wurde die PKH aber widerrufen, dann gilt dies (grds.) rückwirkend. Gegen die Aufhebung ist die sofortige Beschwerde möglich.

  8. Mein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt. Was kann ich tun?

    Lehnt das Gericht den Antrag ab oder sind die Raten zu hoch, so steht Ihnen das Recht der sofortigen Beschwerde zu. Dazu muss aber der Streitwert der Hauptsache den Betrag von 600 Euro übersteigen. Übersteigt der Streitwert der Hauptsache den Betrag von 600,-- EUR nicht, dann ist eine Beschwerde nur zulässig, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Prozesskostenhilfe verneint hat.

    Die Beschwerde muss aber einen Monat nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht werden.

  9. Ich habe Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen. Welche Kosten trägt die Staatskasse nun?

    Die Prozesskostenhilfe umfasst nur die Gerichtskosten und die Kosten eines Rechtsanwalts; allerdings nicht die Kosten des gegnerischen Anwalts. Wird daher Prozesskostenhilfe bewilligt, aber die Klage letztlich ganz oder teilweise abgewiesen, so muss der Antragsteller seinen Anwalt nicht zahlen. Aber: der Antragsteller hat dann die Kosten der Gegenseite zu tragen! Dies gilt auch dann, wenn dem Gegner PKH gewährt wurde.

  10. Ich habe Prozesskostenhilfe bekommen. Gilt dies auch für eine zweite Instanz?

    Nein! Hier muss noch ein gesonderter Antrag gestellt werden.

  11. Kann ich eigentlich Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren beantragen?

    Nein. Dies ist allgemein Ansicht.

Letztlich sollte Sie als Mandant den Anwalt auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe ansprechen. Wir beraten Sie diesbezüglich gerne.


Rechtsanwalt Klaus Wille
Breite Str. 147 - 151
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Tel. : 0221/ 272 4745
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Mit freundlichen Grüße
Klaus Wille
Rechtsanwalt
und Fachanwalt für Familienrecht
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