Elternunterhalt - wann müssen Kinder für ihre alten Eltern zahlen?

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Wenn alte Eltern sich nicht mehr selbst versorgen können und schließlich in einem Alten - oder Pflegeheim untergebracht werden müssen, treibt die Kinder die Sorge um: wer soll das bezahlen?

Müssen wir für unsere alten Eltern aufkommen – obwohl wir genug damit zu tun haben, unsere eigene Familie zu versorgen und selbst über die Runden zu kommen?

Wenn die Rente für die Heimkosten nicht ausreicht, wenn das Vermögen der Eltern schließlich aufgebraucht ist, greift zunächst der Staat in Gestalt des Sozialamts ein und erbringt Leistungen nach dem SGB XII (vormals Sozialhilfe).Weil die alten Eltern im Regelfall nicht mehr erwerbsfähig sind, wenn sie in ein Heim kommen, scheiden Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) aus. Der Rückgriff des Sozialamts gegen Angehörige richtet sich nach § 94 SGB XII. Danach kann ein Unterhaltsanspruch auf das Sozialamt übergehen, und zwar in der Höhe, in welcher es Leistungen erbracht hat bzw. erbringt. Mit anderen Worten: das, was der Staat vorab erbracht hat, holt er sich hinterher wieder, z.B. von den Kindern.

Zulässig ist dies aber nur, wenn überhaupt ein Unterhaltsanspruch der Eltern gegen die Kinder besteht.

Wann haben Eltern gegen ihre Kinder einen Anspruch auf Unterhalt?

Anspruch auf Elternunterhalt besteht nur, wenn das erwachsene Kind ausreichend leistungsfähig ist.

Mit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 01.01.2003 durch das Grundsicherungsgesetz und seit dem 01.01.2005 durch die §§ 41 ff SGB XII hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass die Belastung erwachsener Kinder durch die Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt unter Berücksichtigung ihrer eigenen Lebenssituation in Grenzen gehalten werden soll. In § 43 Abs.2 SGB XII ist eine Einkommensgrenze von 100.000 € jährlich eingeführt worden, bis zu der Kinder Einkommen beziehen können, ohne dass Unterhaltsansprüche ihrer Eltern gegen sie bei der Gewährung von Grundsicherung im Alter berücksichtigt werden. Außerdem gilt die gesetzliche Vermutung, dass das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes diese Grenze nicht überschreitet. Dadurch wird das gesetzgeberische Ziel verwirklicht, dass Kinder durch Unterhaltszahlungen an ihre Eltern nicht ihren Lebensstandard einschränken sollen. Sehr informativ ist hierzu die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.06.2005 - Az. 1 BvR 1508/96 - .Viele Faktoren spielen eine Rolle: haben die Kinder ihrerseits Kinder, denen sie zu Unterhalt verpflichtet sind? Sind sie stolze Eigentümer einer Immobilie, die schuldenfrei ist, oder wohnen sie zur Miete, oder sind sie dabei, Schulden abzubezahlen?Überschreitet das Jahreseinkommen der Kinder die 100.000 € - Grenze, müssen sie damit rechnen, dass sie in Höhe der Hälfte des den Selbstbehalt von 1.400 € übersteigenden Einkommens zum Elternunterhalt beisteuern müssen. Vereinfacht gesagt : leistungsfähig und zu Unterhalt gegenüber den Eltern verpflichtet sind nur Kinder, die in wirtschaftlich guter oder gehobener Position leben.

Müssen Kinder für Elternunterhalt auch ihr eigenes Vermögen angreifen?

Grundsätzlich ist Unterhalt auch aus den Vermögenserträgen zu leisten, denn es sind sämtliche Einkünfte der Kinder zu berücksichtigen.

Die Frage, ob auch der Vermögensstamm angegriffen werden muss, ist hochumstritten. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass unangreifbare Freibeträge zur Sicherstellung der eigenen Altersvorsorge der Kinder anzuerkennen sind. Uneinheitlich wird die Höhe der Freibeträge beurteilt. Die Rechtsprechung bewegte sich im Jahr 2005 zwischen 20.000 und 76.000 €. Unterhaltsverpflichteten Kindern ohne Eigenheim wird ein höherer Schon- /Freibetrag zugestanden. Insgesamt sind viele einzelne Punkte zu klären, um in jedem Einzelfall beurteilen zu können, ob ein Rückgriff des Sozialamtes auf unterhaltsverpflichtete Kinder zu erwarten ist, und welche Handlungsalternativen im Vorfeld bestehen, um dem entgegen zu steuern. Wenn schon ein Rückforderungsbescheid ergangen ist, bedarf es einer
umfassenden Prüfung der gesamten Einkommens- und Vermögenslage der in Anspruch genommenen Kinder, um die Rechtsmäßigkeit des Bescheides prüfen zu können. Falls Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, ist anwaltlicher Rat unerlässlich. Vorsorglich kann ein Betroffener selbst gegen einen solchen Bescheid innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 84 SGG (Sozialgerichtsgesetz)Widerspruch einlegen (dieser muss nicht begründet werden).Wenn dann ein ablehnender Widerspruchsbescheid ergangen ist, sollte mit anwaltlicher Unterstützung überlegt werden, ob eine Klage erfolgreich sein könnte.