Häusliche Gewalt – Ich muss bleiben und darüber schweigen!

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I. Einleitung

Eine für die Opfer von Gewaltstraftaten besonders belastende Form der Gewalt ist die im sozialen Nahbereich, innerhalb der Polizei als „häusliche Gewalt“ bezeichnete Form der Gewalt. Häusliche Gewalt ist ein seit Langem bekanntes alltägliches, gesellschaftliches Phänomen, welches in allen sozialen Schichten zu finden ist und von einer Person ausgeübt wird, welchem das Opfer vertraut. Sie findet ferner in einer Umgebung statt, die idealer Weise Schutz und Geborgenheit suggeriert. Nach Einschätzung der Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission) ist in der BRD Gewalt in Familien die am weitesten verbreitete Form überhaupt. (vgl. Seifert/Püschel/Heinemann FPR 2011,185) Ab Mitte der 1970er Jahre wurde familiäre Gewalt zunehmend als ein gesamtgesellschaftliches bzw. gesellschaftspolitisches Problem angesehen. (vgl. Lamnek/Luedtke/Ottermann (2006), S. 133) Aufgrund dessen galt sie zunehmend nicht mehr als absolute Privatangelegenheit, sondern vielmehr als ein Thema welches kontrovers diskutiert wurde. Häusliche Gewalt ist eine Form der Gewalt, welche seit je her (obwohl ihre Existenz hinlänglich bekannt und verbreitet war) verschwiegen wurde. Allerdings ist bzgl. dieser Akzeptanz zwischen den einzelnen Formen und den betroffenen Personen innerhalb der Familie zu unterscheiden. Körperliche und psychische Gewalt innerhalb der Familie war z. B. bis zu dem Jahr 2000 gegenüber den Kindern der Familie in gewissen Grenzen als akzeptabel erachtet worden.

II. Was ist häusliche Gewalt?

Häusliche Gewalt umfasst nicht ausschließlich Gewalt in Paarbeziehungen (vor, während und nach der Trennung), sondern auch Gewalt gegen die eigenen Kinder, von Kindern gegenüber ihren Eltern, zwischen Geschwistern und gegen im Haushalt lebende ältere Menschen. Dabei ist die Gewaltanwendung nicht allein als körperliche Gewalt zu verstehen, sondern in einem umfassenden Sinne. Sie umfasst jede direkte oder indirekte physische oder psychische Einwirkung gegen einen der oben bezeichneten Personen. Folglich kann diese Gewalt in Form von körperlicher, sexualisierter, psychischer, sozialer und / oder ökonomischer Gewalt auftreten.

III. Wie weit verbreitet ist dieses Phänomen?

Die Statistiken vermitteln das Bild, dass die Gewalt in Paarbeziehungen meist von den männlichen Partnern begangen wird. Allerdings müssen sie dahin gehend mit Vorsicht interpretiert werden, z. B. weil es männlichen Partnern besonders schwerfällt, sich als Opfer von häuslicher Gewalt zu offenbaren. Die Diskrepanz zwischen Dunkel- und Hellfeld bezüglich körperlicher Gewalt in der Paarbeziehung entsteht, da Männer aus Angst und Scham sehr oft keine Anzeige erstatten und über das diesbezüglich Erlebte schweigen. Weibliche Opfer körperlicher Gewalt besitzen im Vergleich zu männlichen Opfer ein stärkeres Unrechtsbewusstsein, in Bezug auf das was ihnen angetan wurde, und erstatten folglich weitaus schneller Anzeige. Ferner liegt die Vermutung nahe, dass betroffene Frauen sich in diesen Statistiken (welche das Dunkelfeld bzgl. häuslicher Gewalt und mittels anonymen Befragungen ermittelt wurden) eher offenbarten als Männer mit den gleichen Erfahrungen.

IV. Wieso verlasse ich diese gewaltvolle Beziehung nicht einfach?

„Beziehungen, in denen Gewalt ausgeübt wird, unterliegen häufig einer Dynamik, die unabhängig von den einzelnen Persönlichkeiten einem bestimmten Muster folgt. Typisch ist dabei, dass die Gewalt sich zyklisch wiederholt, wobei mit der Zeit sowohl die Abstände zwischen den einzelnen Gewaltakten geringer werden, als auch die Taten in ihrer Schwere zunehmen.“ (vgl. J. Peichel, S. 8) Lenore Walker publizierte als erste den sogenannten „Kreislauf der Gewalt“ (circle of violence). Er beschreibt und stellt schematisch ein zirkuläres Geschehen in destruktiven Partnerschaften dar. In dem von Leonore Walker beschriebenen Kreislauf der Gewalt ist die Frau das Opfer und der Mann der Täter dieser Gewalt. (vgl. J. Peichel, S. 8) Zu beachten ist jedoch, dass sowohl die Frau, als auch der Mann und sogar Kinder/Teenager innerhalb der Familie Täter als auch Opfer dieser Form der Gewalt sein können. Die einzigen Unterschiede ergeben sich meines Erachtens bzgl. der Gründe für das Schützen des Täters und bzgl. des Verbleibens in dem Familiengefüge. Der Gewaltkreislauf nach Leonore Walker gliedert sich in die Spannungsaufbauphase, gefolgt von der Explosion, welcher eine Beruhigung und Wiedergutmachung folgt. Jede Phase kann jedoch eine unterschiedlich lange Zeit andauern.

V. Erfahrungen mit dem Gewaltschutzgesetz

Den Opfern häuslicher Gewalt wurde es bis zu dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes im Jahr 2002 zugemutet, selbst für ihren Schutz zu sorgen und den Verlust ihrer vertrauten Wohnung und Umgebung in Kauf zu nehmen. So mussten sie z. B. über Kreisgrenzen hinweg Zuflucht in anderen zur Verfügung stehenden Frauenhäusern suchen. Meist wurden die Kinder mitgenommen. Folglich war ein Wechsel von Kindergarten und Schule notwendig. Ferner mussten die betroffenen Frauen von Bekannten und Freunden getrennt in einer fremden Umgebung leben. Das Gewaltschutzgesetz stellt aufgrund dessen einen Meilenstein in der Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich dar. Es verankert den Grundsatz: „Wer schlägt, muss gehen, das Opfer bleibt in der Wohnung.“

VI. Wo finden Sie als Opfer häuslicher Gewalt Hilfe?

„Bei Gewalt gegen Frauen“

Ein bundesweites Hilfetelefon finden Sie unter 08000-116016 (anonym, kostenlos, mehrsprachig, rund um die Uhr erreichbar). Dort können sich Betroffene, Angehörige, Bekannte oder Fachleute oder welche, die beruflich mit diesem Thema zu tun haben Hilfe suchend melden. Weitere Informationen finden Sie zudem unter https://www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/haeusliche-gewalt.html Zudem steht es Ihnen auch jederzeit frei, ein Frauenhaus in Ihrer Nähe zu kontaktieren, um dort Hilfe zu erhalten.

„Bei Gewalt gegen Männer“

Männer die unter häuslicher Gewalt leiden, können sich z. B. über diese Homepage http://gewalthotline.de/beratung-gewalthandelnde/hausliche-gewalt-gegen-manner Hilfe suchen. Weitere Hilfeangebote finden Sie z. B. auch unter: http://www.gewaltschutz-muenster.de/dt/index.php/informationen-fuer-maenner/maenner-als-opfer und unter http://www.maennerberatungsnetz.de/standorte-beratungsangebote/

„Hilfe für Männer und Frauen“

Sowohl als Mann als auch als Frau können Sie sich für den Fall häuslicher Gewalt an den Weißen Ring wenden (https://weisser-ring.de/).

Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz

Formulare für Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz: unter dem Link: http://www.big-berlin.info/medien/schutzantraege (für Wohnungszuweisung; Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Kindeswohlgefährdung; Schutzanordnung im Falle häuslicher Gewalt; einstweiliger Rechtsschutz bzgl. Zuweisung der Ehewohnung im Falle häuslicher Gewalt)

Hilfe bei juristischen Fragen zu diesem Thema

Wenn es sich um juristische Fragen wie z. B. Unterhalt, Wohnungsüberlassung, Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz, Scheidung, Aufenthalt der Kinder etc. handelt, ist es erforderlich das Sie sich juristische Beratung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin Ihres vertrauen einholen. In solch einer emotionalen Ausnahmesituation, die mit so vielen Ängsten, Traumata und Unsicherheiten verbunden ist, ist es vor allem wichtig, sich jemandem anzuvertrauen, der einem helfen kann und möchte. Sollten Sie oder jemand in Ihrem Umfeld in solch einer schwierigen Lage sein, können Sie selbstverständlich mich sehr gerne via oder telefonisch kontaktieren.

Quellen

Seifert, D., Püschel, K., Heinemann, A., Häusliche Gewalt aus rechtsmedizinischer Sicht, FPR 2011, 185

Lamnek, S., Luedtke, J., Ottermann, R., Tatort Familie – häusliche Gewalt im gesellschaftlichen Kontext, 2. Auflage, 2006

Peichel, J., Destruktive Paarbeziehungen: Wie entsteht die Spirale der Gewalt? ,URL: http://www.maenner-contra-gewalt.de/BP-27-Peichel-Gewalt %20in %20Paarbeziehungen.pdf