Rückforderung von Unterhalt für die Vergangenheit

Mehr zum Thema: Familienrecht, Rückforderung, Unterhalt, Sonderbedarf, Vaterschaftsanfechtung, Verzug, Vergangenheit
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Kann im nachhinein Unterhalt gefordert werden?

Liebe Leser,

wir werden oft in Beratungs- und Besprechungstermine gefragt, ob eine Rückzahlung von Unterhalt droht, wenn man monatelang keinen Unterhalt zahlt oder man einvernehmlich auf Unterhalt verzichtet hat und der Unterhaltsberechtigte verlangt plötzlich für viele Monate nichtgezahlte Alimente.

z.B. kann sich folgendes Szenario ergeben:

Ein Mann bekommt einen Brief vom Jugendamt oder vom anderen Institutionen, in welchem ihm offeriert wird, dass er Vater eines fünfjährigen Sohnes ist. Die Mutter fordert jetzt Unterhalt von dem „frisch gebackenen Vater“. Bei einem gut verdienenden Mann (ca. 3.000 € netto) können dies ungefähr 330 € pro Monat sein, wenn er keinen weiteren Unterhaltsverpflichtungen nachgehen muss. Dies ergibt 3.960,00 € Unterhaltsaufkommen pro Jahr. Bei einem fünfjährigen Kind würde dies ab Geburt ein Rückstand von 19.800,00 € ergeben. Der Mann ist quasi ruiniert.

Geht das?

Diesem Problem möchten die DEXTRA Rechtsanwälte mit diesem Beitrag auf den Grund gehen.

Unterhalt für die Vergangenheit kann generell nur unter engen Voraussetzungen gefordert werden

  1. Ein Unterhaltsanspruch entsteht nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige dazu aufgefordert wurde, Auskunft über sein Einkommen zu geben und Unterhalt zu zahlen § 1613 Abs. 1 BGB
  2. Weiterhin kann dann Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden, wenn entweder bereits eine Zahlungsvereinbarung besteht und der Unterhaltspflichtige bisher nicht gezahlt hat oder die Unterhaltszahlung angemahnt wurde.

Für Konstellation 1 und 2 ist allerdings notwendig, dass der Unterhaltsberechtigte in Verzug geraten ist. Auf unseren oben gebildeten Fall bedeutet dies, dass nur dann Unterhalt für die Vergangenheit zu zahlen ist, wenn die Mutter unseren armen „neuen“ Vater bereits zur Geburt des jetzt fünfjährigen Sohnes zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert hat, und er dieser Aufforderung nicht nachkam.

  1. Falls der unterhaltspflichtige Ehegatte auf Zahlung von Unterhalt verklagt wurde, muss er ab Zustellung des Klageantrages rückwirkend Unterhalt zahlen, wenn er zur Unterhaltszahlung verurteilt wird.
  2. Wegen unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf), nach Ablauf eines Jahres seit Entstehen des Anspruchs nur dann, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen ist oder der Anspruch rechtshängig geworden ist,§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Was ist Sonderbedarf? Sonderbedarf gehört begrifflich nicht zum allgemeinen Lebensbedarf oder zum Mehrbedarf. Mehrbedarf ist z.B. Nachhilfeunterricht oder eine Klassenfahrt. Für allgemeinen Lebensbedarf und Mehrbedarf muss der Unterhaltsberechtige den Verpflichteten auffordern bzw. in Verzug setzen, sonst geht der Anspruch verloren. Unregelmäßig ist der Bedarf, der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen und aus dessen Grund überraschend ist und deshalb bei vorausschauender Bedarfsplanung nicht durch Bildung von Rücklagen im laufenden Unterhalt einkalkuliert werden konnte. Außerdem muss der Sonderbedarf außergewöhnlich hoch sein.

Sonderbedarf wurde bejaht für:

  • Babyerstausstattung
  • Umzugskosten
  • Brille
  • Kur
  • Kosten Vaterschaftsanfechtung

 Kein Sonderbedarf ist:

  • Kosten für Kindergarten oder Hort
  • Neue Zimmereinrichtung für Heranwachsenden
  • Musikinstrument
  • Führerschein
  • Zahnbehandlung
  • Kommunion oder Konfirmation
  • Nachhilfe
  • Klassenfahr oder Schullandheim

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  1. Es kann für einen Zeitraum rückwirkend Unterhalt verlangt werden, wenn der Unterhaltsberechtigte aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Geltendmachung gehindert war, wobei die tatsächlichen Gründe in dem Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen liegen müssen; § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die rechtlichen Gründe erfasst genau unser Beispiel von oben. Sie hat praktische Bedeutung für nichtehelich Kindern, deren Vater nach ihrer Geburt erst festgestellt werden muss. Der Anspruch entsteht mit der Geburt des Kindes und wird auch sogleich fällig, selbst wenn der Vaterschaft erst Jahre nach der Geburt festgesellt wird. Damit das Kind seinen Unterhaltsanspruch rückwirkend durchsetzen kann, bedarf es weder des Verzuges noch der Rechtshängigkeit. Das kann zu erheblichen Belastungen (s.o.) führen. Hier gilt allerdings der Grundsatz der Verwirkung. Der Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit kann allerdings verwirkt sein, wenn der Unterhaltsberechtigte über einen längeren Zeitraum von mindestens einem Jahr  keinen Unterhalt gefordert hat und der zur Unterhaltspflichtige somit davon ausgehen darf, dass kein Unterhalt mehr geltend gemacht wird.

Die Regelung von 5. gilt allerdings nicht für den nachehelichen Unterhalt.

Fazit:

Wenn Sie sich von Ihrem Ehepartner getrennt haben oder umgekehrt, so sollten Sie so schnell wie möglich durch einen Rechtsanwalt schriftlich Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Ehegatten verlangen. Jeder Tag kann dafür entscheidend sein, ob Sie den Unterhalt schon ab diesem Monat oder erst ab dem nächsten Monat fordern können.