Wer Kindesunterhalt nicht zahlen kann, muss Insolvenzverfahren eröffnen

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Wer Kindesunterhalt nicht zahlen kann, muss Insolvenzverfahren eröffnen

So kann man das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.02.2005 zusammenfassen. Mit diesem Urteil wurde über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Obliegenheit für den Unterhaltsschuldner besteht, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleitet.

Von Rechtsanwalt Klaus Wille
  1. Der BGH hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

    Klaus Wille
    Rechtsanwalt
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    Arbeitsrecht, Kindschaftsrecht, Familienrecht

    Die geschiedenen Parteien haben zwei minderjährige Kinder; für sie wurde auf Kindesunterhalt geklagt. Mit Urteil des Amtsgerichts vom 08.08.2001 wurde der Beklagte zur Unterhaltszahlung an die Kinder verurteilt. Bei der Festlegung des Unterhaltes berücksichtigte das Amtsgericht u.a. eine Kreditzahlung für ein Darlehen, das noch aus der Ehezeit herrührte. Der Unterhalt wurde hier schon im Wege einer Mangelfallberechnung festgesetzt. In der Folgezeit konnte der Beklagte trotz allem nicht den Unterhalt vollständig begleichen. Er musste daher die eidesstattliche Versicherung abgeben.

    Da eines der beiden Kinder in eine neue Altersgruppe der Düsseldorfer Tabelle eingestuft werden konnte, wurde eine Abänderungsklage eingereicht. Das Amtsgericht berücksichtigte diesmal nicht das o.g. Darlehen und setzte den Unterhalt neu fest. Der Beklagte legte Berufung ein. Das OLG Stuttgart hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, weil es der Ansicht war, für die Bemessung des Unterhaltes seien die Darlehensraten nicht zu berücksichtigen gewesen. Vielmehr hätte der Beklagte ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleiten müssen. Die Voraussetzungen lägen vor (vgl. FamRZ 2003, S. 1216).

  2. Urteil des BGH vom 23.02.2005 (gerichtliches Az XII ZR 114/03)

    Der BGH bestätigte das Urteil des OLG. Der Unterhaltsschuldner habe eine Obliegenheit zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens. Denn er sei verpflichtet, alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Unterhalt des minderjährigen Kindes sicherzustellen (BGH in: FamRZ 2005, S. 609). Auch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gehöre hierzu, wobei dies nur unter „umfassender Würdigung aller vom Unterhaltsschuldner darzulegenden Umstände" entschieden werde könne (vgl. BGH a.a.O S. 610).

    Zunächst habe der Gesetzgeber die Möglichkeit gegeben, eine Verbraucherinsolvenz mit Restschuld durchzuführen. Daher sei es nunmehr möglich, ohne Berücksichtigung von Drittschulden den Unterhalt zu bemessen und zu zahlen.

    Außerdem können die Unterhaltsrückstände ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zwangsvollstreckt werden. Dies bedeute eine Entlastung des Schuldners.

    Die Kosten des Insolvenzverfahrens (ca. 3.000 EUR, vgl. BGH a.a.O., S. 610) sprechen nicht gegen die Einleitung des Verfahrens. Zwar werde dem Schuldner grds. keine Prozesskostenhilfe gewährt, aber §4a InsO sehe eine Stundung der Kosten vor.

    Auch die Dauer des Insolvenzverfahrens im Vergleich zu derjenigen der voraussichtlichen Unterhaltspflicht spreche nicht gegen das Verfahren. Hätte der Beklagte am 01.01.2003 ein Insolvenzverfahren beantragt, dann wäre dieses Ende 2008 und damit nur wenige Monate nach Erreichen der Volljährigkeit des klagenden Kindes beendet gewesen. Der Beklagte sei durch die Vorinstanz auf den Weg der Verbraucherinsolvenz verwiesen worden.

    Problematisch sei zwar, dass mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens die Rechte anderer Gläubiger verbunden seien. Die Gläubiger könnten gemäß § 89 I InsO nicht mehr vollstrecken und verlieren ihre Forderungen im Fall der Restschuldbefreiung endgültig. Dies sei aber hinnehmbar.

  3. Fazit

    Die Verpflichtung, ein Insolvenzverfahren durchzuführen, um Unterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder durchzuführen, ist damit immer zu berücksichtigen. Es hängt zwar vom Einzelfall ab, doch der Schuldner hat die Umstände vorzutragen – und ggf. zu beweisen – die gegen eine Insolvenzeröffnung sprechen. Dies wird ihm in der Regel nicht möglich sein.

    Mit der Einleitung des Verfahrens werden die weiteren Gläubiger gegenüber den Unterhaltsgläubigern benachteiligt. Denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens teilt die Unterhaltsforderungen auf: Unterhaltsrückstände werden so genannte Insolvenzforderungen, die mit den restlichen Schulden in Konkurrenz treten; sie werden nicht bevorzugt. Es kann also möglich sein, dass – im Falle der Restschuldbefreiung – die rückständigen Unterhaltsansprüche endgültig verloren gehen. Dagegen erhalten die Unterhaltsgläubiger aus der Insolvenzmasse den laufenden Unterhalt bezahlt, während die „normalen" Gläubiger sich nur teileweise befriedigt werden.

    Es ist davon auszugehen, dass in Unterhaltsverfahren häufiger auferlegt wird, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.

    Letztlich bedeutet die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch eine Entlastung der Staatskassen. Diese mussten dann einspringen, wenn der Unterhalt durch den Schuldner nicht gezahlt werden konnte und somit das Sozialamt aushelfen musste. Andererseits bedeutet die Einleitung des Insolvenzverfahrens auch, dass die Unterhaltsrückstände bis zur Verfahrenseröffnung verloren gehen.

    Ob es finanziell oder rechtlich sinnvoll ist, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, sollte immer vorher mit einer anwaltlichen Beratung geklärt werden.


Rechtsanwalt Klaus Wille
Breite Str. 147 – 151
50667 Köln
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Telefon: 0221/ 2724745


Mit freundlichen Grüße
Klaus Wille
Rechtsanwalt
und Fachanwalt für Familienrecht
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