Wiederauferstehung der Privatautonomie durch Ergänzung der Patientenverfügung für den Fall der Triage
Mehr zum Thema: Familienrecht, Patientenverfügung, Patiententestament, Privatautonomie, Selbstbestimmung, TriageDas Bundesverfassungsgericht hat ausweislich der gut getimeten Triage-Entscheidung nicht zuletzt auch die Privatautonomie aus Art. 2 Abs. 1 GG gekreuzigt und begraben, hier nun die Wiederauferstehung
Mit seinem Beschluss vom 16.12.2021 - 1 BvR 1541/20 - hat das Bundesverfassungsgericht wie auf Bestellung, weil wider Erwarten die Panik vor der neuen Variant of Concern nicht so recht aufkommen wollte, die Triage-Debatte neu entfacht.
Triage ist eigentlich das philosophische Problem, wen von zwei Sterbenden man zu retten versucht und wen man sterben lässt. Unscharf wurde daraus dann die Allokation medizinischer Ressourcen im Falle eines Kapazitätsmangels - was nicht so selten ist.


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Im Beschluss kommt die Selbstbestimmung überhaupt nicht vor. Vielmehr meinen die Juristinnen und Juristen am Bundesverfassungsgericht allen Ernstes, dass diese Probleme abstrakt gesetzlich gelöst werden müssten. Dies fügt sich nahtlos in den seit zweieinhalb Jahren betriebenen Raubbau an unseren Rechten und Freiheiten ein.
In der notar 4/2022 ist daher als kleiner Rettungsversuch meinerseits ein Praxisforum von mir zu lesen. Ich plädiere für eine selbstbestimmte Entscheidung für den Fall einer Triage oder einer solchen Allokation. Ohne auf die wissenschaftlichen Details einzugehen, die dort nachzulesen sind, hier mein neuester Vorschlag einer aktualisierten - vollständigeren Patientenverfügung.
Muster
Patientenverfügung
Heute, den (Tag und Monat)
zweitausendzweiundzwanzig
erschien vor mir,
(Name der Notarin oder des Notars)
(Amtssitz)
(Personalien der oder des Erschienenen und Legitimation)
Der Erschienene verneinte nach Erläuterung eine Vorbefassung des Notars und der mit ihm zur Berufsausübungsgemeinschaft verbundenen oder die gleichen Geschäftsräume nutzenden Personen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG.
Sodann bat der Erschienene um die Beurkundung der nachfolgenden
PATIENTENVERFÜGUNG
und erklärte zu notariellem Protokoll:
I.
Unabwendbarer Sterbeprozess
Soweit ich, (...), künftig außer Stande sein werde, meinen Willen zu äußern, verfüge ich bereits hierdurch Folgendes, wobei dies ggf. als Einwilligung im Sinne von § 228 StGB zu gelten hat:
Haben zwei voneinander in jeglicher Hinsicht unabhängige Ärzte diagnostiziert, dass nach menschlichem Ermessen
1. bei mir bereits ein unabwendbarer Sterbeprozess in Richtung Hirntod eingetreten ist,
oder
2. keine Aussicht besteht, dass ich mein Bewusstsein wiedererlange,
oder
3. infolge einer Dauerschädigung meines Gehirns meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten unwiederbringlich erloschen ist,
oder
4. es zu einem nicht mehr behandelbaren, dauerhaften Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt,
oder
5. ich infolge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z. B. bei Demenzerkrankung) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen,
wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben und ggf. eingestellt werden. Behandlung und Pflege sollen dann auf die Linderung von Schmerzen, Luftnot, Unruhe und Angst und Befriedigung des Durstgefühls gerichtet sein, selbst wenn dadurch eine Lebensverkürzung eintreten sollte.
In jeglicher Hinsicht unabhängig sind Ärztinnen und Ärzte, wenn weder
(i) der eine Arzt bei dem anderen Arzt angestellt oder in anderer Weise für diesen tätig ist,
(ii) noch der eine Arzt sich in einem Fort- oder Ausbildungsverhältnis zu dem anderen Arzt befand oder noch befindet
(iii) noch der eine Arzt dem anderen Arzt direkt noch indirekt weisungsgebunden (z.B. im Rahmen einer Anstellung bei ein- und demselben Anstellungsträger) ist.
II.
Regelung für den Fall einer Triage
Sollte es zum – von zwei voneinander in jeglicher Hinsicht unabhängigen Ärztinnen oder Ärzten bestätigten – Fall einer Triage oder Allokation medizinischer Ressourcen im Falle eines Kapazitätsmangels kommen, so weise ich alle mich behandelnden Ärztinnen oder Ärzte an, einem Menschen mit Behinderung mir gegenüber ohne Rücksicht auf alle anderen ärztlichen Kriterien den absoluten Vorrang zu gewähren.
Ich verzichte bereits jetzt endgültig und ausdrücklich zugunsten eines Menschen mit Behinderung auf eine intensivmedizinische Behandlung im Falle der Triage oder Allokation medizinischer Ressourcen im Falle eines Kapazitätsmangels.
III.
Allgemeine Bestimmungen
1. Ich habe auch eine Vorsorgevollmacht errichtet. Darin zum relevanten Zeitpunkt Bevollmächtigte sind auch beauftragt, meinen vorstehenden Wünschen Geltung zu verschaffen. Entsprechendes gilt für den Fall, dass ich zukünftig neue Vorsorgevollmachten errichten sollte, für die sodann bevollmächtigten Personen.
2. Diese Patientenverfügung wird mit Errichtung dieser Urkunde wirksam. Der Notar soll mir eine Ausfertigung dieser Urkunde und eine beglaubigte Abschrift erteilen. Auf meine schriftliche Weisung hin soll der Notar weitere Ausfertigungen und/oder beglaubigte Abschriften erteilen. Ohne meine schriftliche Weisung soll der Notar weitere Ausfertigungen dieser Urkunde nur erteilen, wenn von mir in meiner Vorsorgevollmacht bevollmächtigte Personen den Eintritt seiner Bevollmächtigung in geeigneter Form nachweist (z.B. ärztliche Bescheinigung).
3. Weiterhin bitte und bevollmächtige ich den Notar, die Erfassung dieser Urkunde einschließlich der in ihr enthaltenen personenbezogenen Daten im Zentralen Register für Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen der Bundesnotarkammer zu bewirken.
4. Sollten meine zukünftigen Weisungen von vorstehenden Anordnungen abweichen, sind diese späteren Weisungen zu beachten.
5. Sollten einzelne der vorstehenden Anordnungen gegenwärtig oder aber zukünftig rechtsunwirksam sein oder werden oder sich als undurchführbar erweisen, so sollen alle übrigen Anordnungen gleichwohl wirksam bleiben. Weiterhin wünsche ich, dass in einem solchen Fall die undurchführbare oder unwirksame Anordnung durch eine Anordnung ersetzt wird, die wirksam und durchführbar ist und dem Sinn und Zweck der rechtsunwirksamen oder undurchführbaren Anordnung möglichst nahe kommt. Entsprechendes soll gelten, falls vorstehende Anordnungen ergänzungsbedürftige Lücken aufweisen.
6. Der Notar hat mich darüber belehrt, dass derzeit nicht sicher beurteilt werden kann, ob die Anordnungen in Abschnitt II Wirkung entfalten werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer in naher Zukunft zu erwartenden gesetzlichen Regelung in diesem Bereich aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16.12.2021 (1 BvR 1541/20).
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