Keine rückwirkende Anwendung von aktualisierten Bewertungsstandards bei der Ermittlung von Unternehmenswerten

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Das OLG Düsseldorf legte dem Bundesgerichtshof die Frage vor, wann ein Bewertungsstandard zur Ermittlung des Unternehmenswertes rückwirkend anzuwenden ist, Beschluss vom 28.8.2014 I-26 W 9/12.

Was war geschehen?

Die Deutsche Bahn AG hielt im Jahr 2002 mittelbar eine Beteiligung an der Stinnes AG in Höhe von 99,71 %. Bei der Jahreshauptversammlung der Stinnes AG wurde 2003 im Wege eines Squeeze-out der Entschluss gefasst, dass eine Übertragung der Aktien von Minderheitsaktionären im Wege einer Barabfindung auf die Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG stattfinden soll. Daraufhin wurde der Unternehmenswert und die Barabfindungshöhe im Rahmen des geltenden Bewertungsstandards IDW S1 2000 ermittelt.

Diese ermittelte Barabfindung wurde von den Antragsstellern für zu gering empfunden, wodurch ein Spruchverfahren mit diesem Gegenstand eingeleitet wurde. Im Anschluss daran wurde von dem LG Düsseldorf im Jahr 2005 und 2007 ein Sachverständigengutachten veranlasst und ein Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger beauftragt. Dies führte zu einer kompletten Neubewertung des Unternehmens. Es erfolgte eine Ermittlung des Unternehmenswertes aufgrund des IDW S1 2000 und auf dem aktualisierten Bewertungsstandard IDW S1 2005. Die ermittelte Barabfindung auf der Grundlage des IDW S1 2000 war höher als die zuvor ermittelte und die Barabfindung auf der Grundlage des IDW S1 2005 war entschieden niedriger.

Sandro Dittmann
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Die Berechnung des Unternehmenswert durch das LG Düsseldorf erfolgte durch den Bewertungsstandard IDW S 1 2000, welche am Bewertungsstichtag galt. Dagegen wurde von den Antragsstellern die sofortige Beschwerde eingereicht, weil der Unternehmenswert auf dem nun geltenden Bewertungsstandard IDW S1 2005 ermittelt werden sollte.

Die Entscheidung des Gerichtes:

Es ist sehr umstritten, welcher Bewertungsstandard angewendet werden muss. Das OLG Düsseldorf legte daher dem BGH die Frage vor, wann ein Bewertungsstandard zur Ermittlung des Unternehmenswertes rückwirkend anzuwenden ist.

Das OLG Düsseldorf ist der Auffassung, dass der Bewertungsstandard anzuwenden ist, welcher mit dem zum Bewertungsstichtag geltenden Bewertungsstandard angewendet wurde. Dies muss jedenfalls dann anerkannt werden, wenn der nach Jahren aufgrund eines Spruchverfahrens neu ermittelte Unternehmenswert aufgrund des nun geltenden Bewertungsstandards zu einer enormen Abweichung des vorher ermittelten Unternehmenswertes führt. Schließlich haben die Beteiligten dies nicht erwartet und der neue Bewertungsstandard ist sehr streitig.

Diese rückwirkende Anwendung des neu geltenden Bewertungsstandards ist aufgrund des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht zu befürworten. Schließlich ist das Prozessrisiko für die Minderheitsaktionäre fast gar nicht vorhersehbar, wenn ein durchgeführtes Spruchverfahren keinen Erfolg hat, weil ein damaliger Bewertungsstandard nicht mehr gültig sein soll. Des Weiteren haben die Minderheitsaktionäre nur deshalb keine Chance, weil sich die Bewertungsstandards im nach Hinein derart geändert haben, dass die Fehler, die auf der Grundlage des bisherigen Bewertungsstandards geschehen sind, einfach eliminiert werden. Des Weiteren spricht die Prozessökonomie gegen eine derartige Anwendung.

Beurteilung des Beschlusses:

Dem OLG Düsseldorf ist in Bezug auf Rechtssicherheit und Prozessökonomie beizupflichten. Schließlich kann aufgrund des neuen Bewertungsstandards aus Unternehmenssicht eine viel höhere Barabfindung ermittelt werden. Dies hat zur Folge das mögliche Kosten für eine Umstrukturierung nicht genau eingeschätzt werden können. Dies könnte dazu führen, dass von Anfang an höhere Rückstellungen ausgewiesen werden.

Es ist jedoch auch dem Gericht zuzustimmen, dass es für die Aktionäre sehr verlockend ist, ein Spruchverfahren einzuleiten, um durch einen neuen, aktuelleren Bewertungsstandard eine höhere Barabfindungssumme ermittelt und danach auch ausbezahlt zu bekommen.

Jedoch sind die Ermittlungen von den Bewertungsstandards nicht für eine höhere Barabfindung ermittelt worden, sondern um den Unternehmenswert genauer und wirklichkeitstreuer zu bekommen. Dies hatte oft die Folge, dass die Abfindungsbeträge geringer wurden aufgrund der präzisierten Bewertungsstandards. Demzufolge ist es aus Sicht der Praxis sinnvoll, die neuen Bewertungsstandards rückwirkend anzuwenden.

Da jedoch keine Entscheidung getroffen werden kann, welche Argumentation nun überwiegt, ist eine Entscheidung des BGH erforderlich. Dies hat dann endlich für die Praxis eine sachgerechte Lösung zur Folge.

Rechtsanwalt Sandro Dittmann
Insolvenzverwalter
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und
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Dittmann Rechtsanwälte - Kanzlei für Wirtschaftsrecht, Insolvenzrecht und Steuerrecht
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Leserkommentare
von fb405866-88 am 16.01.2015 16:07:35# 1
Na ja, tatsächlich ist es genau umgekehrt. Der neue IDW-Standard (IDW S1 2005) führt zu deutlich niedrigeren Unternehmenswerten als die Fassung 2000 (und ist damit für die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre nachteilig). Zur Vorlageentscheidung des OLG siehe SpruchZ 2015,2.
    
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