Vesting - ein Überblick

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Vesting-Klausel kann vor allem bei Firmenneugründungen sinnvoll sein, um langfristige Zusammenarbeit der Gesellschafter zu gewährleisten

Die Erscheinung des Vestings ist nicht neu. Der Begriff kommt ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Bereich. Entsprechende Klauseln sind jedoch auch schon seit Jahren in Deutschland, vor allem bei so genannten Finanzierungsrunden, verbreitet. Allerdings fehlt es nach meinem Eindruck an frei zugänglichen juristischen Erklärungen, so dass regelmäßig eine gewisse Verunsicherung in diesem Bereich herrscht. Teils ist auf einschlägigen Portalen sogar zu lesen, dass Rechtsanwälte von einem Vesting abraten bzw. behaupten, dies würde nicht funktionieren.

Dieser Beitrag soll einen ersten juristischen Überblick über das Thema geben.

Johannes Kromer
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Rechtsanwalt
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Was ist Vesting?

Der Grundgedanke des Vestings ist, dass ein bestimmter Gesellschafter oder Mitarbeiter für eine gewisse Zeit an das Unternehmen gebunden werden soll. Diese Situation gibt es nicht nur bei Finanzierungsrunden, sondern gerade auch bei Firmenneugründungen.

Unter einer Vesting-Klausel versteht man eine Vereinbarung, wonach eine Person X Gesellschaftsanteile in Abhängigkeit von seiner Betriebszugehörigkeit erhält. Im typischen Start-Up Fall handelt es sich hierbei um einen Gesellschafter, der zugleich auch Geschäftsführer ist (Gesellschafter-Geschäftsführer). Die Laufzeit der Klausel bezeichnet man als Vestingperiode.

Zwei Grundtypen des Vestings

Letztlich sind zwei Modelle auseinander zu halten:

  • Modell 1: Wie bei einem typischen Mitarbeiterbeteiligungsprogramm erhält die Person X nach einer bestimmten Zeit eine bestimmte Menge der Gesellschaftsanteile „gutgeschrieben“. Nach Ablauf der Vestingperiode hat er damit seine – im Vorfeld vereinbarte – Gesellschaftsbeteiligung erhalten.
  • Modell 2: Wohl weiterer in Deutschland verbreitet ist jedoch eine andere Form: Person X erhält sofort alle ihm nach Ablauf der Vestingperiode zustehenden Geschäftsanteile. Allerdings verpflichtet er sich bereits jetzt zum Verkauf der Anteile an seine Mitgesellschafter, wenn er innerhalb der Vestingperiode ausscheidet. In der Regel wird auch hier ein abgestuftes Zeitfenster gewählt, so dass mit zunehmender Betriebszugehörigkeit auch die fest im Anteil der Person X stehenden Gesellschaftsanteile anwachsen.

Welches Modell für welchen Zweck

Für welches Grundmodell Sie sich entscheiden, hängt von der Ausgangssituation ab. Gibt es bereits eine bestehende Gesellschaft und man beabsichtigt, einen bestimmten Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden, so wäre Modell 1 in der Regel das Mittel zur Wahl. Er erhält einen Anreiz, langfristig dem Unternehmen treu zu bleiben, da er immer weiter beteiligt wird.

Es handelt sich letztlich um ein klassisches Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Umgekehrt wäre es aus arbeitsrechtlicher Sicht sehr bedenklich, wenn hier Modell 2 gewählt würde. Denn letztlich würde man dem Arbeitnehmer im Falle seiner vorzeitigen Kündigung wieder „etwas wegnehmen“. Dabei stellt sich dann die – soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschiedene – Frage, ob die Rückübereignungsklausel nicht wegen einer unzumutbaren Kündigungserschwernis unwirksam ist.

Weiter ist Modell 1 vor allem dann sinnvoll, wenn darin zukünftige Kapitalmaßnahmen einfließen sollen. Die Gesellschaft könnte nämlich zur „Ausgabe der verdienten Gesellschaftsanteile“ im Wege einer Kapitalerhöhung neue Gesellschaftsanteile ausgeben. Hier stellen sich dann rechtliche Fragen im Hinblick auf die Beteiligungsrechte der Mitgesellschafter (Vermeidung einer Verwässerung) und die Gegenleistung für die Anteilsgewährung. Teilweise besteht dann von Mandantenseite der Wunsch, dass nicht in Zukunft eine Kapitalerhöhung erfolgen soll, sondern die angedachten Geschäftsanteile für die Übergangszeit einfach bei der Gesellschaft zwischengeparkt werden. Dies ist jedoch häufig rechtlich problematisch, da das so genannte Halten eigener Anteile durch die Gesellschaft in Deutschland stark reglementiert ist.

Gerade beim typischen Start-Up ist daher Modell 2 die Regel, so dass ich dieses nachfolgend detaillierter darstelle:

Musterklausel mit einzelnen Regelungsbereichen

Der typische Musterfall von Modell 2 wäre die Neugründung einer Gesellschaft durch verschiedene Gesellschafter. Da jeder Gesellschafter spezielle Kenntnisse und Erfahrungen einbringt, soll eine langfristige Zusammenarbeit beabsichtigt werden.

Rechtstechnisch liefe dies wie folgt ab: Jeder Gesellschafter erhält sofort die angedachte Beteiligung. In einem Beteiligungsvertrag wird nun eine Vesting-Klausel aufgenommen, die wie folgt lauten könnte:

(1) A bietet hiermit den sonstigen Gesellschaftern unter der aufschiebenden Bedingung, dass er vor Ablauf von [Anzahl] Jahren beginnend am [Datum] aus [Definition der Voraussetzungen], unwiderruflich für die Dauer von [Zeitraum innerhalb dessen die Option ausgeübt werden kann] ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens nach den folgenden Bestimmungen den Erwerb seiner Geschäftsanteile bzw. einen Teil hiervon an (Call-Option)

(2) Die Call-Option umfasst sämtliche von A gehaltene Geschäftsanteile. Für jedes Geschäftsjahr des [Definition der Voraussetzungen] ab [Datum] verringert sich die Call-Option um ¼ der ursprünglich gehaltenen Geschäftsanteile, so dass nach Ablauf von 4 Jahren ab [Datum] keine Call-Option mehr besteht.

(3) Der für die Ausübung der Call-Option zu zahlende Kaufpreis beträgt EUR [alternativ Regelungen zur Kaufpreisfindung]

Die grundsätzliche Regelung ist damit recht überschaubar. In der Beratungspraxis erheblich höheren Aufwand schaffen die hier offen gelassenen Punkte.

Dabei ist die Frage wie lange die Vestingperiode laufen soll, keine juristische sondern in erster Linie eine wirtschaftliche Entscheidung, die die Gründer unter sich klären müssen.

Geklärt werden muss weiterhin, welche Anforderungen an den Gesellschafter gestellt werden. Verbreitet ist hier zum Beispiel auf das Bestehen eines Arbeits- oder Anstellungsvertrages abzustellen. Allerdings könnte man an dieser Stelle auch gewisse Meilensteine vereinbaren, die zwingend zu erreichen sind.

Komplex ist die Frage nach dem Kaufpreis, falls die Call-Option ausgeübt wird. Ein fixer Kaufpreis ist häufig unangemessen, da die (Wert-)Entwicklung der Gesellschaft für die nächsten Jahre noch nicht absehbar ist. Weiter fließt in diesen Punkt auch ein, wie die Tätigkeit des Gesellschafters in der Zwischenzeit vergütet wurde. Liegt hier ein normaler Anstellungsvertrag mit üblichem Gehalt zugrunde, ist ein niedriger Kaufpreis angemessen, wie wenn jemand über einen längeren Zeitraum gegen geringes Entgelt daran gearbeitet hat, den Firmenwert zu steigern. Dabei kann auch für verschiedene Zeitperioden ein unterschiedlicher Kaufpreis vereinbart werden.

Weiter ist die Klausel noch auf den bestehenden und geplanten Gesellschaftsvertrag abzustimmen. So wird man im Beteiligungsvertrag regelmäßig bereits die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zum Verkauf der Anteile an die übrigen Gesellschafter beschließen.

Fazit

Festhalten lässt sich, dass Vesting auch in Deutschland funktioniert und verbreitet ist. Eine sinnvolle Vesting-Klausel lässt sich jedoch nur individuell erstellen, da zahlreiche Regelungspunkte zu beachten sind.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung. Ich setze mich bundesweit für Ihre Interessen ein.

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