Prospekthaftung - Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

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Schadensersatz

Frau A verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Sie hatte sich in den Jahren 1994 bis 1998 mit jeweils 30000,- DM zuzüglich 5 % Agio über eine Treuhandkommanditistin an fünf verschiedenen als Kommanditgesellschaft organisierten geschlossenen Immobilienfonds beteiligt.

Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB an die (vor-) vertraglichen Beziehungen zum Anleger an. Bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-) vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kommanditisten jedenfalls dann bestehen, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll.

Im Gesellschaftsvertrag kann geregelt werden, dass die der Gesellschaft mittelbar beitretenden Treugeber im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt werden. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, am Gewinn und Verlust, an einem Auseinandersetzungsguthaben und einem Liquidationserlös sowie für die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte wie Stimm- und Entnahme- (Ausschüttungs-) rechte. Insoweit erwerben die Treugeber eigene Rechte gegenüber der Gesellschaft.

Weiter kann den Treugebern im Gesellschaftsvertrag das Recht eingeräumt werden, an den Gesellschafterversammlungen teilzunehmen, dort ihr Stimmrecht auszuüben und die einem Kommanditisten nach dem Gesetz und dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Kontroll- und sonstigen Rechte unmittelbar selbst auszuüben. Einem Anleger muss für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Anlageobjekten, so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen.

Ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender Faktor ist, dass die Fonds bei den Mietgarantieverträgen mit den leerstandsbedingten Nebenkosten belastet werden können. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen. Auch entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sichert das Recht des Anlegers, in eigener Entscheidung und Abwägung das Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes Objekt investieren will oder nicht.

Bei einem Immobilienfonds, von dem der durchschnittliche Anleger Werthaltigkeit erwartet, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er bei richtiger Aufklärung über wichtige, die Werthaltigkeit der Anlage (negativ) beeinflussende Umstände dem Fonds nicht beigetreten wäre, auch wenn mit erheblichen Steuervorteilen geworben wurde. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht, zu denen die Beteiligung an einem Immobilienfonds grundsätzlich nicht gehört.

„Alle etwaigen Schadensersatzansprüche aus der Beteiligung verjähren mit Ablauf von sechs Monaten seit Kenntniserlangung des Anlegers von den unzutreffenden und/oder unvollständigen Angaben, spätestens jedoch drei Jahre nach Beitritt zu der Beteiligungsgesellschaft."

Diese Klausel ist gemäß § 309 Nr. 7 b BGB unwirksam.

Diese Klausel des Emissionsprospektes unterliegt der AGB-Kontrolle, da es sich nicht um eine gesellschaftsvertragliche Regelung handelt und daher die Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 BGB nicht einschlägig ist.

Anmerkung: § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB: Eine AGB-Kontrolle findet nicht statt bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen.

Die Klausel schließt, wenn auch nur mittelbar, die Haftung auch für grobes Verschulden aus. Eine generelle Verkürzung der Verjährungsfrist ist als Begrenzung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 309 Nr. 7b BGB  anzusehen.

Anmerkung: § 309 Nr. 7 b BGB: In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist unwirksam ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders der AGB oder auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen.

 Die Verjährungsbeschränkung befasst sich zwar nicht unmittelbar mit der Frage des Haftungsmaßes. Da sie keine Ausnahme enthält, ist davon auszugehen, dass alle Ansprüche unabhängig von der Art des Verschuldens erfasst werden.

„Schadensersatzansprüche der Gesellschafter untereinander verjähren drei Jahre nach Bekanntwerden des haftungsbegründenden Sachverhalts, soweit sie nicht kraft Gesetzes einer kürzeren Verjährung unterliegen. Derartige Ansprüche sind innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Kenntniserlangung von dem Schaden gegenüber dem Verpflichteten schriftlich geltend zu machen."

Auch diese Klausel ist unwirksam. Die im Emissionsprospekt für eine Vielzahl von Gesellschaftsverträgen vorformulierten Vertragsbedingungen können frei ausgelegt werden, weil sie bundesweit gegenüber zahlreichen Anlegern verwendet wurden. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um AGB oder um gesellschaftsvertragliche Regelungen handelt, die zwar  unter die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB fallen mögen, jedoch einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen. Diese Verjährungsverkürzende Klausel hält einer individualvertraglichen Billigkeitskontrolle gemäß §§ 157,242 BGB nicht stand, da sie ohne ausreichenden sachlichen Grund einseitig die Belange der Gründungsgesellschafter zu  Lasten der berechtigten Interessen der Anlagegesellschafter bevorzugt. Aufgrund der Verkürzung der Verjährung für Schadensersatzansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis auf weniger als fünf Jahre ist die Klausel unwirksam.

BGH, Urteil vom 23.04.2012, Az. II ZR 30/10