Anfechtung Immobilienkauf wegen arglistiger Täuschung
Mehr zum Thema: Immobilienrecht, Wohnungseigentum, Anfechtung, Täuschung, arglistig, Haus, Grundstück, Immobilie, KaufTeil 1: Überblick über anerkannte Anfechtungsgründe anhand der Rechtsprechung. Hier: Sachmängel von Gebäude und Grundstück
Nach Kauf eines Hauses, Grundstücks oder einer Wohnung kommt leider bisweilen das böse Erwachen. Statt viel Kosten- und Zeitaufwand in die Mangelbehebung zu stecken, möchte man die teure Investitionen bisweilen am Liebsten wieder zurückgeben. Häufig wird hier dann dem Verkäufer oder seinem Makler eine arglistige Täuschung vorgeworfen. Dieser Ratgeber soll – anhand der einschlägigen Rechtsprechung - einen ersten Überblick über typische Anfechtungsgründe liefern. Der erste Teil beschäftigt sich mit zugrundeliegenden Sachmängeln, sei es am Gebäude oder am Grundstück. In einem zweiten Teil wird die Rechtsprechung über (fehlende) Baugenehmigungen, Nachbarn und Mieter dargestellt.
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung - Grundsätzliches
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist in § 123 Abs. 1 Alternative 1 BGB geregelt. Die Anfechtung kann erklären, wer durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wurde.
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- Die Willenserklärung ist, vereinfacht gesagt, der Kauf des Objekts zu den Bedingungen des notariellen Kaufvertrags.
- Eine Täuschung kann durch Tun aber auch durch Unterlassen begangen werden. Gerade die Täuschung durch Unterlassen spielt hier eine große Rolle. Sie kommt dann ins Spiel, wenn eine Aufklärungspflicht bestand.
- Schließlich muss der Täuschende arglistig handeln, das heißt er muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder zumindest für möglich halten.
Folge einer wirksamen Anfechtung ist nach § 142 Abs. 1 BGB die anfängliche Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (so genannte ex-tunc-Wirkung), d.h. der Kauf wird wieder beseitigt.
Stets einzelfallbezogene Prüfung
Dieser Ratgeber erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch kann er den Gang zum Rechtsanwalt ersparen. Sämtliche aufgeführten Entscheidungen beruhen auf individuellen Fällen. Bereits kleine Abweichungen in den tatsächlichen Gegebenheiten können zu einem anderen Ergebnis führen. Andererseits liegt der Fokus dieses Ratgebers überwiegend auf höchstrichterlichen Entscheidungen, so dass in der Praxis sich in der Regel die unteren gerichtlichen Instanzen hiervon leiten lassen.
Alternativen Schadensersatz, Kaufpreisminderung oder Gewährleistung
Es ist in jedem Einzelfall auch zu prüfen, ob eine Anfechtung wirklich sinnvoll ist. Aus den dargestellten Fällen lassen sich in der Regel auch Schadensersatzansprüche oder eine Kaufpreisminderung herleiten. Auch ein Gewährleistungsausschluss gilt im Fall eines arglistig verschwiegenen Mangels nicht.
Nun zu den einzelnen Fällen:
Der Hausbockkäfer
KG Berlin, Urteil vom 23.02.1989, Az. 12 U 2500/88
Der Fall: Kauf eines Mietgrundstücks. Es stellt sich heraus, dass der Dachstuhl unter Hausbockbefall leidet. Im Prozess aufgetaucht ist ein 10 Jahre altes Gutachten, in dem bereits der Hausbockbefall festgestellt wurde.
Die Entscheidung: Ein früherer Befall mit dem Hausbock muss nicht offengelegt werden. Allerdings muss ein Befall dann offengelegt werden, wenn er noch aktuell und nicht nur von unerheblichem Umfang ist.
Hausschwamm, differenzierte Betrachtung
BGH, Urteil vom 7. 2. 2003, Az. V ZR 25/02
Der Fall: Kauf einer alten, renovierungsbedürftigen Villa. Dem Verkäufer lag ein Gutachten vor, wonach gravierende Durchfeuchtungen existierten. Ein Hausschwammbefall wurde nicht festgestellt, allerdings wäre dieser aufgrund des Zustandes des Hauses jederzeit möglich. Zwei Monate nach Kauf wurde dann der Hausschwamm tatsächlich festgestellt.
Die Entscheidung: Eine arglistige Täuschung liegt nicht vor. Zum maßgeblichen Zeitraum war das Haus noch nicht befallen. Über die bloße Gefahr kann jedoch ebenfalls aufzuklären sein. Das war vorliegend jedoch nicht notwendig, da sich die Gefahr aus der Durchfeuchtung des Hauses ergab. Diese Durchfeuchtung war dem Käufer bekannt.
Feuchtigkeit, sogar bei Sanierung
BGH, Urteil vom 05.03.1993, Az. V ZR 140/91
Der Fall: Kauf eines Grundstücks mit Fertighaus. Drei Jahre vor Kauf traten ein Riss, Wölbungen und Flecken auf einer verputzten Spannplatte auf, die durch einen Malermeister behoben wurden. Es zeigte sich, dass feuchte Balken der Grund für diese Mängel waren. Wölbungen traten erneut wieder auf, ohne dass der Verkäufer hierauf hinwies. Nach Übergabe traten nun weitere Risse und Wölbungen auf. Ein Sachverständiger stellte fest, dass dem Haus eine Dampfsperre fehlt und es daher zu Feuchtigkeit hinter der Fassade kommt. Das Holz war teilweise verfault.
Die Entscheidung: Der BGH bejahte ein arglistiges Verschweigen. Unerheblich ist, dass die Wölbungen für den Käufer sichtbar waren. Aus den Gesamtumständen ergibt sich, dass der Verkäufer auf einen möglichen Feuchtigkeitsschaden hinter der Fassade hätte hinweisen müssen.
Einsturzgefahr
BGH, Urteil vom 08.12.1989, Az. V ZR 246/87
Der Fall: Kauf eines Grundstücks mit Schlachthof von der Gemeinde. Nach 2 Jahren wurde vom Landratsamt die Nutzung des Schlachthofanbaus wegen Einsturzgefahr der Decken untersagt. Die Verfügung des Landratsamts verwies dabei auch eine frühere Verfügung (vor Kaufvertrag), nach der dringende Renovierungsarbeiten erforderlich sind.
Die Entscheidung: Selbstverständlich wurde hier ein Mangel arglistig verschwiegen. Die Schwierigkeit des Falles lag darin, der Gemeinde das Wissen nachzuweisen, da die auf Ebene der Gemeinde involvierten Personen wechselten. Dies machte jedoch keinen Unterschied.
Altlasten, Deponie und Ölkontamination
Bei Bestehen von Altlasten (vgl. BGH, Urteil vom 20. 10. 2000, Az. V ZR 285/99) , einer Ölkontamination (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2002, Az. V ZR 113/01) oder der Nutzung des Grundstücks als Mülldeponie (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1991, Az. V ZR 121/90) oder bereits dem Verdacht der Nutzung als Lager für Chemikalien (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 11.03.2003, Az. 15 O 433/02) ist regelmäßig von einer arglistigen Täuschung auszugehen.
Verneint wurde dies jedoch bei der vormaligen Nutzung des Grundstückes als Gaswerk (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1993, Az. III ZR 156/92).
Hochwassergefahr
BGH, Urteil vom 08.11.1991, Az. V ZR 193/90
Der Fall: Es wurde ein Haus gekauft. Das Grundstück grenzte an einer Seite an einen Bach, auf einer anderen Seite an einen Mühlgraben an.
Die Entscheidung: Die Vorinstanz meinte noch, dass sich die Hochwassergefährdung dem Käufer geradezu aufdrängen musste. Der BGH entschied nun anders. Über die potentielle Hochwassergefahr musste aufgeklärt werden, weil das Haus nicht gegen Hochwasser geschützt ist. Dies ist jedoch bei einem hochwassergefährdenden Haus eine kaufentscheidende Frage.
Mangelhafte Abwasserleitungen oder Fäkalienhebeanlage
OLG Koblenz, Urteil vom 12.10.1989, Az. 5 U 535/89
Der Fall: Kauf eines acht Jahre alten Zweifamilienhauses. Die Abwasseranlage war defekt und für damals rund 19.000 DM zu ersetzen.
Die Entscheidung: Der Mangel war offenzulegen. Dass Abwasser teilweise nicht normal abgeflossen ist, ist erkennbar für den Kaufentschluss von entscheidender Bedeutung. Diese Frage betrifft nicht nur die Bewohnbarkeit, sondern ist auch mit einem erheblichen Kosten- und Arbeitsaufwand für den Hauseigentümer verbunden.
Für den Fall einer mangelhaften Fäkalienanlage gelten diese Ausführungen ebenfalls (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1990, Az. V ZR 233/88)
Garten voller Bambuswurzeln
OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2014 - I-21 U 82/13
Auch die fehlende Belehrung über einen mit Bambuswurzeln durchsetzten Garten kann eine arglistige Täuschung darstellen, siehe hier.
Rechtsanwalt Kromer
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Die Annahme von Arglist erfolgt vor deutschen Gerichten im europäischen Vergleich viel zu schnell. Hintergrund ist wohl eine schon sehr alte Gesinnungsrechtsprechung, früher in § 443 BGB verortet.
Richterinnen und Richter scheinen sich manchmal keine Gedanken über die eigentliche Schwere des Vorwurfs oder die Bedeutung dieses Wortes zu machen. Demnächst gibt es hier dazu ein kleines Interview von mir.