Kein Nachschuss ohne Vertragspflicht

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A. Sachverhalt

  1. 1. Nachträgliche Beitragspflichten können auch in einer Publikumsgesellschaft nur dann durch Mehrheitsbeschluss begründet werden, wenn die gesellschaftsvertragliche Bestimmung dies eindeutig erlaubt und der Vertrag Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt. Dies erfordert die Festlegung einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen.

  2. Eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung, die den einzelnen Gesellschafter zu Nachschusszahlungen verpflichtet, "soweit bei der laufenden Bewirtschaftung des Grundstücks Unterdeckungen auftreten", genügt diesen Anforderungen nicht und kann deshalb nicht Grundlage einer Nachschussverpflichtung sein.

Bundesgerichtshof Urteil vom 23. Januar 2006, Az. II ZR 306/04

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Gesellschafter der als geschlossener Immobilienfonds ausgestalteten Klägerin zur Zahlung von als Nachschuss bezeichneten Geldbeträgen verpflichtet ist.

Die Klägerin ist eine zum Zweck des Erwerbs eines Grundstücks zu deren Bebauung mit einer Wohn- und Geschäftshausanlage und zur anschließenden Vermietung gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag heißt es zum Thema "Gesellschaftskapital und Gesellschafter":

"Die Geschäftsführung wird ermächtigt, die von den Gesellschaftern zu erbringenden Gesellschaftseinlagen gemäß vorstehendem Absatz, etwaige wirksam beschlossene Nachschüsse der Gesellschafter und etwaige Unterdeckungsbeträge im eigenen Namen und für Rechnung der Gesellschaft bei den Gesellschaftern einzufordern und ggf. gerichtlich geltend zu machen."

Unter "Haftung/Nachschüsse" ist bestimmt:

"Soweit bei der laufenden Bewirtschaftung des Grundstücks Unterdeckungen auftreten, ist der jeweilige Gesellschafter verpflichtet, binnen vier Wochen nach entsprechender Aufforderung der Geschäftsführung die seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Zahlungen zu erbringen. Die Geschäftsführung ist berechtigt, bei sich abzeichnenden Unterdeckungen angemessene laufende Vorschüsse anzufordern."

Nach dem Gesellschaftsvertrag (GV) beschließt die Gesellschafterversammlung über die Genehmigung der jährlichen Vermögensübersicht und Überschussrechnung. Im GV heißt es, dass der Geschäftsführer für den Schluss eines jeden Kalenderjahres binnen sechs Monaten eine Vermögensübersicht nebst Überschussrechnung aufzustellen hat. Zur "Gesellschafterversammlung-Beschlussfassung" ist u.a. bestimmt:

"Sämtliche Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmen gefasst, soweit nicht Gesetz oder dieser Vertrag eine andere Mehrheit zwingend vorschreiben;.. ."

Im Jahr 1992 erklärte der Beklagte mit einem Eigenkapital von 50.000,00 DM seinen Beitritt zur Klägerin. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin fasste in Abwesenheit des Beklagten in den Jahren 1999 bis 2002 im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den jeweiligen Wirtschaftsplan und der Feststellung von Unterdeckungen Beschlüsse über Nachschussverpflichtungen der Gesellschafter in Höhe von 2,59 % bis 4 % der Beteiligungssumme. Den daraus folgenden Zahlungsverpflichtungen kam der Beklagte nicht nach.

B. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes

I. Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung der ausstehenden Nachschüsse (EUR 3.283,86) stattgegeben, die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten. Die Revision des Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Beklagte sei zur Erfüllung der Nachschussforderungen der Klägerin verpflichtet. Der Wirksamkeit der die Nachschussverpflichtung begründenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung stehe nicht entgegen, dass der Gesellschaftsvertrag keine Obergrenze für Beitragserhöhungen festlege. Zwar sei dies grundsätzlich Voraussetzung für die Zulässigkeit nachträglicher Beitragserhöhungen. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht für den notwendig werdenden Ausgleich einer Unterdeckung bei einer Publikumsgesellschaft. Da deren Entstehen und Ausmaß nicht vom Willen der Mehrheitsgesellschafter, sondern von der Entwicklung des Gesellschaftsunternehmens abhingen und bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages nicht abzusehen seien, könne eine Obergrenze im Gesellschaftsvertrag nicht ohne Willkür festgelegt werden. Zum Ausgleich der Nachschusspflicht sei der Gesellschafter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

II. Dieser Beurteilung ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten und nach seiner Ansicht ist der Beklagte nicht zu Nachschusszahlungen verpflichtet. Zur Begründung stellt der BGH auf die gesetzliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch ab, dass der Gesellschafter zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage nicht verpflichtet ist (§ 707 BGB). Eine davon abweichende Verpflichtung ist nach Bewertung des BGH hier weder im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden, noch konnte eine Beitragserhöhung im Wege des Mehrheitsbeschlusses wirksam herbeigeführt werden. Auch die gesellschafterliche Treuepflicht rechtfertige den mit der Beitragserhöhung verbundenen Eingriff in die Mitgliedschaft des Beklagten nicht. Zur Begründung des BGH im Detail:

  1. Eine Verpflichtung der Gesellschafter, Nachschüsse zu leisten, ergibt sich nach Bewertung des BGH hier nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag; vielmehr erfordert jede Nachschussverpflichtung einen Gesellschafterbeschluss.

    1. Nach § 707 BGB besteht eine Nachschusspflicht über die vereinbarte Einlage hinaus regelmäßig nicht. Die Regelung in § 707 BGB enthält jedoch durch Vertrag veränderbares Recht. Sie greift nach Auslegung des BGH u.a. „dann nicht ein, wenn die Höhe der Beiträge im Gesellschaftsvertrag nicht ziffernmäßig fixiert ist, sondern in objektiv bestimmbarer, künftigen Entwicklungsmöglichkeiten Rechnung tragender Weise ausgestaltet ist. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn sich die Gesellschafter keine der Höhe nach festgelegten Beiträge versprochen, sondern sich verpflichtet haben, entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft das zur Erreichung dieses Zwecks Erforderliche beizutragen. In einem solchen Fall bedürfen die Festlegung der Höhe und die Einforderung der Beiträge im Zweifel keines Gesellschafterbeschlusses, sondern sind Sache der Geschäftsführer."

    2. Einen derartigen Sachverhalt verneinte der BGH im Fall des Beklagten, denn schon aus dem Gesellschaftsvertrag ergäbe sich, dass Nachschüsse einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss erfordern.

      aa) Die Einlagen der Gesellschafter waren in dem Gesellschaftsvertrag betragsmäßig festgelegt. Nach dem GV sind die Gesellschafter zwar verpflichtet, bei auftretenden Unterdeckungen im Rahmen der laufenden Bewirtschaftung des Grundstücks nach Aufforderung der Geschäftsführung die ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Zahlungen zu erbringen. Verbindlich festgesetzt werden etwaige Unterdeckungsbeiträge aber durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, wenn diese die jährliche Vermögensübersicht und Überschussrechnung genehmigt.

      bb) Bei der gebotenen objektiven Auslegung folgt nach Bewertung des BGH aus der Regelung des GV, wonach die Geschäftsführung ermächtigt ist, etwaige wirksam beschlossene Nachschüsse der Gesellschafter und etwaige Unterdeckungsbeiträge im eigenen Namen geltend zu machen, dass die Nachschusspflicht einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss voraussetzt. Jedenfalls ergäbe sich aus dem Gesellschaftsvertrag nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden sollten.

  2. Die Beschlüsse der hier klagenden Gesellschafter haben nach Bewertung des BGH eine Nachzahlungspflicht nicht wirksam begründet, weil die in ihrem GV vorgesehenen Möglichkeiten, die Beiträge nachträglich zu erhöhen, den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aufgestellten Anforderungen nicht genügen.

    1. Beitragserhöhungen - um solche handelt es sich bei den geforderten Nachzahlungen - können nur mit Zustimmung eines jeden Gesellschafters beschlossen werden, die aber auch antizipiert erteilt werden kann. Wegen des damit verbundenen Eingriffs in den Kernbereich der Gesellschafterrechte hängt die Wirksamkeit einer solchen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung nach der Rechtsprechung des BGH aber davon ab, „ob sie eindeutig ist und Ausmaß und Umfang der möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt. Das erfordert bei Beitragserhöhungen die Angabe einer Obergrenze oder die Festlegung sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen". Dies gilt auch bei Publikumsgesellschaften.

    2. Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin war das Ausmaß des zulässigen Eingriffs nicht zu entnehmen. Es fehle, so der BGH, „an der unabdingbaren Begrenzung von Beitragserhöhungen. Eine Obergrenze ist an keiner Stelle des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich angesprochen. Die Beschränkung der Nachschussverpflichtung auf den anteiligen Ausgleich von Unterdeckungen bei laufender Bewirtschaftung des Grundstücks stellt kein geeignetes Kriterium zur Eingrenzung des Erhöhungsrisikos dar. Hierdurch wird für den einzelnen Gesellschafter eine absolute Grenze seiner durch die Mitgliedschaft eintretenden Belastung, die einer Änderung durch Mehrheitsentscheidung entzogen ist, nicht festgelegt. Notwendigkeit und Höhe künftiger Unterdeckungen sind bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags nicht vorherzusehen. Sie werden für jedes Wirtschaftsjahr erst durch die Überschussrechnung, die durch Mehrheitsbeschluss genehmigt werden muss, und den hierauf aufbauenden Wirtschaftsplan verbindlich festgesetzt. Die Festlegung einer Obergrenze für Beitragserhöhungen ist nicht deshalb entbehrlich, weil Entstehen und Ausmaß der Unterdeckungen weitgehend durch Umstände bestimmt werden, die auch dem Willen der Mehrheitsgesellschafter entzogen sind. Denn das Erfordernis, dass Beitragserhöhungen ihrem Umfang nach voraussehbar sein müssen, rechtfertigt sich nicht aus dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes, sondern ist in dem Gedanken begründet, dass jeder Gesellschafter das Maß seiner durch die Mitgliedschaft eingegangenen Belastung soll abschätzen können."

      In einer Publikumsgesellschaft kann auch durch Einräumung eines vertraglich nicht vorgesehenen Sonderkündigungsrechts eine Nachschusspflicht auch ohne Festlegung einer Obergrenze nicht rechtfertigen.

III. Bei Fehlen eines antizipierten Einverständnisses im Gesellschaftsvertrag kann die gesellschafterliche Treuepflicht in Ausnahmefällen eine Zustimmung der Gesellschafter zu Beitragserhöhungen gebieten mit der Folge, dass § 707 BGB der Nachforderung nicht entgegensteht. Eine dahingehende Pflicht bestand nach der Bewertung des BGH in diesem Fall nicht:

„Ein Gesellschafter ist zur Hinnahme von Eingriffen in seine Mitgliedschaft nur dann verpflichtet, wenn diese im Gesellschaftsinteresse geboten und ihm unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sind. Dabei sind an die aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung, einer Beitragserhöhung zuzustimmen, besonders hohe Anforderungen zu stellen, da ein Gesellschafter grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden kann".

Derartige besondere Umstände waren dem BGH nicht ersichtlich. Zudem konnten sich die Gesellschafter dieser - wohl auch künftig zu erwartenden - Nachzahlungspflicht nicht durch vorzeitige Kündigung entziehen, da eine Kündigung nach dem GV erstmals zum 31.12.2013 möglich ist.

C. Wirkung für die Praxis

Die Gesellschaftsverträge zahlreicher als BGB-Gesellschaften organisierter Immobiliengesellschaften (Immobilenfonds) weisen die vom Bundesgerichtshof aufgegriffenen Schwachpunkt auf. Sie begrenzen die Höhe der Nachschusspflicht nicht wirksam. Daher wird die Entscheidung zahlreiche Gesellschaften vor erhebliche Schwierigkeiten stellen, die Defizite aus der Bewirtschaftung ihrer Immobilien auszugleichen. Das wird nur durch einvernehmliche Änderung des Gesellschaftervertrages oder durch den Ausschluss von Gesellschaftern gelingen.

Mit Blick auf ausstehende Verbindlichkeiten der Gesellschaften gegenüber Kreditinstituten relativiert sich die Wirkung der Entscheidung. Denn wenn der Gesellschafter, was häufig der Fall ist, auch persönlich der Bank für den Kredit haftet, befreit ihn das Urteil nicht aus der Haftung gegenüber der Bank.

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