Reservierungen im Immobilienrecht

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Kann ich kostenfrei von dem geplanten Immobilienkauf Abstand nehmen?

Auf der Suche nach der richtigen Immobilie kommt es mitunter vor, dass man es sich vor dem geplanten Notartermin doch wieder anders überlegt. Dann stellt sich die Frage, ob man ohne Kosten vom avisierten Immobilienkauf Abstand nehmen kann. Klar ist, dass man aufgrund mündlicher oder privatschriftlicher Vereinbarung nicht zum Abschluss des Notarvertrags verpflichtet ist, da ein solcher Abschlusszwang gegen den Sinn des Formerfordernisses verstoßen würde – insbesondere die Warn- und Beratungsfunktion der notariellen Beurkundung und den dadurch bewirkten Schutz vor Übereilung. Ob man aber Kosten zu tragen hat, hängt von zahlreichen Faktoren und den Umständen des Einzelfalls ab.

Hat man eine Reservierungsvereinbarung – die Vereinbarung einer Reservierungsgebühr oder eines Reservierungsentgelts – abgeschlossen, so kann diese unter Umständen unwirksam sein. Wesentlich dabei ist, wer die Vertragspartner sind. Die Unwirksamkeit kann sich aus der mangelnden Beurkundung ergeben oder aus dem Recht der

Andreas Neumann
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  1. Beurkundungspflicht

Beurkundungspflichtig nach § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB sind neben unmittelbaren Verpflichtungen bezüglich Immobilien auch mittelbare Verpflichtungen, wenn bei diesen die eingegangenen Bindungen so groß sind, dass sie einer Veräußerungs- oder Erwerbsverpflichtung gleichkommen, LG München II, Beschluss vom 07.08.2012 - 2 S 3130/12 unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 08.12.2005 - IX ZR 296/01.

Nach der ständigen Rechtsprechung bedarf die Reservierungsvereinbarung wie der Kaufvertrag zumindest dann der notariellen Beurkundung, wenn ein Entgelt von mehr als 10-15 % des üblichen Maklerlohns vereinbart werden soll, vgl. BGH, Urteil vom 06.02.1980 - IV ZR 141/78.

Dies gilt auch bei Vereinbarungen zwischen gewerblichen Immobilienhändlern ohne Beteiligung einer Maklerin oder eines Maklers, OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 23.08.2016 – 8 U 964/16. Die Begründung ist, dass erheblicher mittelbarer Druck ausgeübt wird, einen Kaufvertrag abzuschließen. Nach einer anderen Begründung bilden der Kaufvertrag über eine Immobilie und eine in diesem Zusammenhang geschlossene Reservierungsvereinbarung eine rechtliche Einheit, so AG München, Urteil vom 01.07.2016 - 191 C 28518/15.

 

  1. Allgemeine Geschäftsbedingungen

Regelmäßig folgt eine Unwirksamkeit solcher Vereinbarungen aber auch aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der sogenannten AGB-Kontrolle. Dies ist dann der Fall, wenn für eine Mehrzahl an Fällen vorformulierte Regelungen von einer Seite der anderen gestellt und nicht etwa ausgehandelt werden.

Eine Vereinbarung eines Reservierungsentgelts oder einer Vertragsstrafe für den Fall, dass man vom Immobilienkauf Abstand nimmt, kann eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 BGB darstellen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Vereinbarung zu einer erfolgsunabhängigen Vergütung ohne gleichwertiges Äquivalent führen würde. Nach dem Urteil des LG Berlin vom 08.11.2016 – 15 O 152/16 – darf eine Maklerin oder ein Makler grundsätzlich keine Reservierungsgebühr verlangen, wenn dem potentiellen Käufer oder der potentiellen Käuferin keine nennenswerten Vorteile aus dieser Vereinbarung erwachsen.

 

  1. Entgegennahmeverbot des Bauträgers

Es kann ein Verstoß gegen § 3 MaBV vorliegen, wenn eine Vorleistung auf den Erwerbspreis bejaht werden kann, vgl. DNotI-Report 2014, 185. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn es dem Bauträger gestattet wird, die Reservierungsgebühr auf den Erwerbspreis zu anzurechnen. Denn die Fälligkeitsvoraussetzungen sind bei Entgegennahme der Reservierungsgebühr regelmäßig noch nicht gegeben.

Wird die Reservierungsgebühr aber beim Abschluss des Bauträgervertrags zurückerstattet, so liegt kein Verstoß vor. Denn deren Rechtsgrund ist keine Gegenleistung für den Erwerb vom Bauträger, sondern „für die Platzierung des Interessenten als Erwerber eines Bauträgerobjektes“, siehe Blank, Bauträgervertrag (2015), Rn. 24. Die Reservierungsvereinbarung bedarf aber in jedem Falle, unabhängig von der Höhe des Reservierungsentgelts, der notariellen Beurkundung, so zutreffend Blank, ebenda, Rn. 26.

 

  1. Reservierung unter Privaten

Reservierungsvereinbarungen sind beim Immobilienkauf unter Verbrauchern – von privat an privat – weniger problematisch und nicht unbedingt beurkundungsbedürftig. Die Reservierungsgebühr muss dabei aber in etwa den voraussichtlichen Mehrkosten für die spätere anderweitige Vermarktung entsprechen. Hier empfiehlt sich eine Orientierung an 10 % der üblichen Netto-Maklerprovision, also etwa 0,3 % des Kaufpreises, vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis (2017), Rn. 106 ff.

Die Reservierung muss befristet sein und sollte eine Regelung zur Verrechnung mit den Mehrkosten der weiteren Vermarktung bzw. zur Rückerstattung im Falle des Zustandekommens des Kaufs enthalten.

 

  1. Verschulden bei Vertragsverhandlungen und Notarkosten

Ein möglicher Anspruch des Verkäufers wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen könnte sich aus der sogenannten culpa in contrahendo gem. §§ 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergeben. Dies setzt zunächst voraus, dass berechtigtes Vertrauen in das Zustandekommen des Hauptvertrags erweckt wird. Sodann müssen die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen worden sein. Vor allem jedoch müsste der Abbruch der Vertragsverhandlungen als besonders schwerwiegender Treueverstoß anzusehen sein. Diese strengen Voraussetzungen dürften regelmäßig nicht erfüllt sein.

Hat man als Käufer die Notarin oder den Notar indessen bereits beauftragt und wurde der Entwurf des Immobilienkaufvertrags auftragsgemäß schon erstellt, so kommt man um dessen Kosten in der Regel nicht herum. Es empfiehlt sich daher, den beauftragten Notar so schnell wie möglich über den Entschluss zu informieren, die Immobilie nun doch nicht kaufen zu wollen.

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