Rückabwicklung des Kaufs einer Eigentumswohnung

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1. Macht der Erwerber einer Eigentumswohnung Rückabwicklung des Vertrags im Wege des großen Schadensersatzes geltend, ist der ihm bei Selbstnutzung anzurechnende Nutzungsvorteil zeitanteilig linear aus dem Erwerbspreis zu ermitteln.

2. Ist die Wohnung mangelhaft, ist von dem so errechneten Nutzungsvorteil unter Berücksichtigung des Gewichts der Beeinträchtigungen ein Abschlag vorzunehmen, der vom Gericht zu schätzen ist.

BGH, Urteil vom 06.10.2005, Az. : VII ZR 325/03

1.Sachverhalt

Die Klägerin möchte den Erwerb einer Eigentumswohnung rückgängig machen. Sie nimmt die als Bauträger tätige Beklagte auf großen Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb von der Beklagten die noch fertig zu stellende Immobilie zum Preis von EUR 172.688,83. Die Klägerin lebt seit dem 1. August 1997 in der Wohnung. Die Wohnung hat nicht unbeträchtliche Schallschutzmängel. Nachdem die Beklagte diese Mängel trotz Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht beseitigt hatte, lehnte die Klägerin eine weitere Mängelbeseitigung ab und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von EUR 226.205,93 auf.

2.Die Entscheidung der Vorinstanz

Die Vorinstanz war der Auffassung, die bei der Bemessung des Schadensersatzes im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigende Nutzung der Immobilie durch die Wohnungseigentümerin sei nicht entsprechend dem üblichen oder fiktiven Mietzins für eine gleichartige Sache zu bewerten. Zugrunde zu legen sei lediglich der "Wertverzehr", den die Immobilie durch diese Nutzung erfahren habe. Dieser Wertverlust sei ausgehend von dem tatsächlichen Wert des Objekts nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen der tatsächlichen Gebrauchsdauer und der voraussichtlichen Gesamtnutzungszeit der Eigentumswohnung zu ermitteln. Das korrigiert der BGH.

3.BGH-Entscheidung

Die Klägerin kann nicht den vollen Erwerbspreis als Schaden geltend machen kann. Vielmehr muss sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, dass sie die Eigentumswohnung einige Jahre bewohnt hat. Der Wert der Nutzung ist bei der Bemessung des Schadensersatzes anzurechnen. Dabei handelt es sich um die Berechnung des Schadensersatzes, nicht um eine Aufrechnung.

a.Lineare Berechnung des Nutzungsvorteils

Der Nutzungsvorteil in ein Verhältnis zum Wert der mit dem Erwerb der Eigentumswohnung getätigten Investition gesetzt und zeitanteilig linear berechnet werden muss. Dieser Wert ist eine greifbare und verlässliche Größe, die es erlaubt, denjenigen Vorteil in Geld auszudrücken, den ein Eigentümer entsprechend seiner Investitionsentscheidung durch die eigene Nutzung einer Immobilie hat. Für einen Mieter und auch für einen Vermieter kann die Miete einen Anhaltspunkt für Nutzungsvorteile bieten. Ein selbstnutzender Eigentümer dagegen zieht seinen geldwerten Vorteil entsprechend seinem Aufwand für den Erwerb der Eigentumswohnung.

Der Nutzungsvorteil ist zeitanteilig linear zu ermitteln ist. Ausgehend von der Tatsache, dass eine Eigentumswohnung mit dem Bauwerk, in dem sie sich befindet, im allgemeinen eine begrenzte Lebensdauer hat, lässt sich der Wert der Eigennutzung, gemessen am Wert der Eigentumswohnung, in gleichmäßigen Beträgen je abgewohntem Jahr ausdrücken. Der BGH akzeptierte es rechtlich, dass die Gesamtnutzungsdauer für die erworbene Eigentumswohnung mit 80 Jahren angesetzt wurde. Dementsprechend ist der Berechnung des Nutzungsvorteils für jedes Jahr, welches die Wohnungseigentümerin dort wohnt oder gewohnt hat, ein achtzigstel des Investitionsaufwandes und für den Teil eines Jahre der entsprechende Anteil zugrunde zu legen.

Eine degressive Ermittlung kommt dagegen nicht in Betracht. Es geht hier nicht um den Wert oder Restwert der Wohnung als Vermögensgegenstand, sondern um die Bewertung der Nutzung für den Eigentümer. Dieser Wert ist im ersten oder fünften Jahr einer Nutzung grundsätzlich nicht anders als in späteren Jahren. Die Reparaturkosten sind in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Sie berühren den Vorteil für den selbstnutzenden Eigentümer rechnerisch gleichmäßig in allen Jahren, gegebenenfalls über Rücklagen, nicht nur in den Jahren, in denen Reparaturen anfallen.

Der Mietwert der Eigentumswohnung kann hier zur Berechnung des Vorteils des ihre Wohnung selbst nutzenden Eigentümerin nicht herangezogen werden. Sie hat sich entschieden, eine Wohnung nicht zu mieten, sondern zu erwerben. Dementsprechend hat sie nicht die rechtliche und wirtschaftliche Stellung eines Mieters gewählt, sondern diejenige einer Eigentümerin. Diese Entscheidung kann nicht übergangen werden, nur weil die Beklagte mit der Folge schlecht geliefert hat, dass der Erwerbsvertrag fehlgeschlagen ist und rückabgewickelt werden muss. Dann muss auch der Nutzungsvorteil nicht mit Hinblick auf ein Mietverhältnis, sondern auf der Grundlage einer Eigentümerstellung ermittelt werden.

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