Schadenersatz oder Rückgabe einer Eigentumswohnung nach erfolgloser Fristsetzung zur Beseitigung von Mängeln

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Wann ist die Dauer einer Nachbesserungsfrist noch angemessen?

  1. 1. Beschließt die Wohnungseigentümer-
    gemeinschaft im Einverständnis mit dem Veräußerer von Wohnungseigentum, über notwendige Mängelbeseitigungsarbeiten erst nach Vorlage eines Sanierungskonzepts zu entscheiden, weil die Mängelursachen noch nicht ausreichend sicher nachgewiesen sind, bleibt die Fälligkeit des Mängelbeseitigungsanspruchs des einzelnen Erwerbers davon grundsätzlich unberührt.

  2. Der Erwerber ist berechtigt, dem Veräußerer ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer eine angemessene Frist mit Ablehnungsandrohung zur Beseitigung der Mängel unter vorheriger Vorlage des Sanierungskonzepts zu setzen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erlischt der Erfüllungsanspruch dieses Erwerbers. Er ist dann berechtigt, großen Schadenersatz zu fordern oder den Vertrag zu wandeln.

  3. Eine mit Ablehnungsandrohung verbundene Frist zur Aufnahme der Arbeiten und zum Nachweis der Beauftragung eines Drittunternehmers genügt den gesetzlichen Anforderungen an eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung im Sinne des § 634 Abs. 1 BGB nicht.

BGH Urteil vom 23. Februar 2006, Az. VII ZR 84/05

Der Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege des Schadenersatzes wegen Mängeln Rückabwicklung eines Vertrages über den Erwerb einer Eigentumswohnung und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige Schäden. Er erwarb eine noch nicht fertiggestellte Wohnung. Nach der Abnahme zeigte er durchdringende Nässe mit Schimmelbildung, Risse in der Wand zum Treppenhaus sowie Deckenrisse im Bad an. Die Beklagte bestätigte die Mängelanzeige und bezog die Mängel in ein Beweisverfahren gegen den Generalunternehmer ein. In diesem Beweisverfahren waren auch Mängel anderer Wohnungen Gegenstand. Nachdem weitere Risse aufgetreten waren, forderte der Kläger die Beklagte auf, die Beseitigung der insgesamt angezeigten Mängel unverzüglich einzuleiten und dies durch Vorlage entsprechender Auftragserteilungen bis zu einer gesetzten Frist nachzuweisen. Für den fruchtlosen Fristablauf kündigte er die Ablehnung der Nachbesserung an. Der Kläger klagt auf Rückgabe der Eigentumswohnung gegen Zahlung des Kaufpreises und beantragt die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten.

Großer Schadenersatzanspruch auch bei Mängeln des Gemeinschaftseigentums

Ein einzelner Wohnungseigentümer kann den Anspruch auf großen Schadenersatz ungeachtet des Umstands, dass ein Teil der Mängel das Gemeinschaftseigentum betrifft, selbständig geltend machen kann. Die Erwägungen, die für die Beschränkung der Durchsetzungsbefugnis des Anspruchs eines Erwerbers auf kleinen Schadenersatz oder Minderung maßgebend sind, gelten nicht für den Anspruch auf großen Schadenersatz. Die Ausübung dieses Rechts beeinträchtigt weder schutzwürdige Belange des Bauträgers noch der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es besteht deshalb kein Grund, die Durchsetzung des Anspruchs von der Mitwirkung der Wohnungseigentümergemeinschaft abhängig zu machen.

Voraussetzungen des Anspruchs auf großen Schadenersatz

Dem einzelnen Erwerber einer Eigentumswohnung steht der Anspruch auf großen Schadenersatz zu, wenn

  • eine vom Besteller gesetzte und mit einer Ablehnungsandrohung verbundene Frist zur Mängelbeseitigung abgelaufen ist,

  • es sei denn, die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist entbehrlich.

Diese Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist nur entbehrlich, wenn

  • die Mangelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert wird (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder

  • das Leistungsinteresse des Bestellers wegen Verzögerung der Leistung wegfällt (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder

  • besondere Umstände vorliegen, die bei einer Interessenabwägung den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder

  • der Nacherfüllungsanspruch wegen Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung entfällt (§ 275 Abs. 2 und Abs. 3) oder der Unternehmer die Einrede eines bestehenden Leistungsverweigerungsrecht erhoben hat oder

  • die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert wird (§ 636 und 635 Abs. 3 BGB) oder

  • die Nacherfüllung fehlschlägt oder

  • die Nacherfüllung für den Besteller unzumutbar ist (§ 636 BGB).

Die Mängelbeseitigung wird nicht durch Erhebung der Einrede der Verjährung endgültig verweigert.

Wirksame Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung

Der einzelne Wohnungseigentümer kann die Frist zur Mängelbeseitigung ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer selbständig auch dann setzen, wenn er die Beseitigung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums verlangt. Interessen der Gemeinschaft oder des Bauträgers erfordern keine Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer. Der einzelne Erwerber kann die Rechte aus seinem mit dem Veräußerer geschlossenen Vertrag grundsätzlich selbständig durchsetzen. Ebenso kann er grundsätzlich selbständig die gesetzlichen Voraussetzungen für seine Rechte schaffen. Etwas anderes gilt nur, soweit durch das Vorgehen des Erwerbers schützenswerte Interessen der Wohnungseigentümer oder des Veräußerers beeinträchtigt sind. Eine Beeinträchtigung der Interessen anderer Wohnungseigentümer oder des Veräußerers ist nicht erkennbar, wenn der Erwerber dem Veräußerer eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzt. Beseitigt der Veräußerer die Mängel innerhalb der Frist, ist den Interessen aller Wohnungseigentümer und auch des Veräußerers Genüge getan. Beseitigt er die Mängel nicht, erlischt der Erfüllungsanspruch des Erwerbers, der die Frist gesetzt hat. Die Erfüllungsansprüche der übrigen Erwerber bleiben davon unberührt. Der Veräußerer ist damit allerdings einerseits den Erfüllungsansprüchen der übrigen Wohnungseigentümer und andererseits den sekundären Ansprüchen des Erwerbers ausgesetzt, der die Frist gesetzt hat.

Der Erwerber kann keinen kleinen Schadenersatz und auch keine Minderung verlangen. Diese Rechtsfolgen kann er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ohne Mitwirkung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht herleiten. Dagegen kann der Erwerber nach fruchtlosem Ablauf der Frist den großen Schadensersatz oder die Wandelung verlangen.

Gemeinschaftsinteressen sind dadurch nicht berührt.

Anders ist die Rechtslage, wenn der Erwerber von vornherein mit der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ausschließlich und erkennbar die Voraussetzungen für Ansprüche schaffen wollte, die er nur gemeinschaftlich mit den Wohnungseigentümern durchsetzen kann, also Ansprüche auf Schadenersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten oder die Minderung. In diesem Fall ist die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung insgesamt unwirksam, so dass der Erwerber weiterhin Erfüllung verlangen kann oder im Fall der Selbstvornahme Ersatz der Aufwendungen für die Mängelbeseitigung. Dann erfüllt die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht die Voraussetzungen für den großen Schadenersatzanspruch oder das Recht auf Wandelung.

Bewertung der Fristsetzung in dem vom BGH entschiedenen Einzelfall

Dem Kläger als Erwerber einer Eigentumswohnung steht der Anspruch auf großen Schadensersatz zu. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung war hier nicht entbehrlich. Danach kam es in diesem Rechtsstreit darauf an, ob der Kläger der Beklagten wirksam eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat und ob diese fruchtlos abgelaufen ist. Das Schreiben vom 24. Mai 2002 enthielt hier keine wirksame Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Eine solche rechtlich wirksame Erklärung liegt nur vor, wenn der Besteller den Unternehmer auffordert, die Mängel innerhalb der gesetzten Frist zu beseitigen, und ankündigt, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Nachbesserung ablehne.

Diesen Anforderungen genügt hier die Erklärung des Beklagten nicht. Er hat lediglich eine Frist gesetzt, die Beseitigung der Mängel unverzüglich einzuleiten und dies durch Vorlage entsprechender Auftragserteilungen nachzuweisen. Der Besteller kann die gesetzlichen Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch nicht beliebig verändern, indem er die Ablehnung der Nachbesserung allein davon abhängig macht, dass ihm die Beauftragung einer Firma zur Mängelbeseitigung angezeigt wird.

Fälligkeit der Mängelbeseitigungspflicht

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vom 11. Dezember 2002 sei ins Leere gegangen, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft die Fälligkeit der Mängelbeseitigungspflicht hinausgeschoben habe. Dies korrigiert der BGH:

"Diese Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des Beschlusses der Wohnungseigentümer vom 24. Juni 2002, die nicht sämtliche Umstände berücksichtigt und den Grundsatz einer interessengerechten Auslegung missachtet.
Die Wohnungseigentümer haben in der Versammlung der Beklagten Verschleppung der Mängelbeseitigung vorgeworfen und Bedenken dagegen geäußert, dass die von der Beklagten beabsichtigte Sanierung auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten zu einer nachhaltigen Mängelbeseitigung führe. Dazu hatten sie insbesondere deswegen Anlass, weil ein für die Wohnung der Eigentümer G. erstelltes thermografisches Gutachten Wärmebrücken ausgewiesen hatte und zu befürchten war, dass die festgestellten Mängel in den anderen Wohnungen und in der Außenfassade auch auf dieselben oder ähnliche Fehler zurückzuführen waren. Darauf beruhte die Forderung, für die gesamte Wohnanlage auf der Grundlage eines bereits beauftragten thermografischen Gutachtens ein Sanierungskonzept vorzulegen. Der Vertreter der Beklagten hat darauf hingewiesen, dass die Mängelursache noch nicht geklärt sei, eine oberflächliche Mängelbeseitigung nicht angestrebt werde und noch weitere Gutachten eingeholt werden müssten.

Aus dem Beschluss und dem Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass durch den Beschluss die Fälligkeit der Mängelbeseitigungspflicht der Beklagten hinausgeschoben werden sollte. Ein derartiger Wille liegt schon deshalb fern, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht berechtigt war, die vertraglichen Ansprüche der einzelnen Erwerber zu regeln und über die Fälligkeit dieser Ansprüche zu disponieren. Vielmehr bringt der Beschluss lediglich den in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Beklagten gefassten Willen zum Ausdruck, die Mängelbeseitigung in einer Weise zu betreiben bzw. zuzulassen, die einen nachhaltigen Erfolg gewährleistet. Keinesfalls wollte die Gemeinschaft die Beklagte aus ihrer Verpflichtung entlassen, die Mängelbeseitigung unverzüglich vorzunehmen. Sie hat lediglich als Teil der von der Beklagten erwarteten Anstrengungen ein Konzept auf der Grundlage eines thermografischen Gutachtens gefordert."

Fälligkeit der Mängelbeseitigung

Der Anspruch des Klägers auf Mängelbeseitigung war fällig. Der Kläger war am 11. Dezember 2002 nicht gehindert, die Mängelbeseitigung binnen angemessener Frist zu fordern. Mit dieser Forderung setzte er sich nach Ansicht des BGH auch nicht in Widerspruch zu dem Gemeinschaftsbeschluss vom 24. Juni 2002 und seiner aktiven Mitwirkung an diesem Beschluss:

„Die Mängelbeseitigungsaufforderung des Klägers ist dahin zu verstehen, auf der Grundlage eines der Wohnungseigentümergemeinschaft vorzulegenden, geeigneten Konzepts die Mängelbeseitigung vorzunehmen. Sie beinhaltet also konkludent auch die Verpflichtung, ein Sanierungskonzept vorzulegen, das zu einer nachhaltigen Beseitigung der Mängel führt."

Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist nicht deshalb unbeachtlich, weil der Kläger bereits Klage auf großen Schadenersatz erhoben hatte und er eine Mängelbeseitigung nicht mehr gewollt habe. Die während des Prozesses erfolgte Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung diente dazu, die Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch zu schaffen. Dass der Kläger nicht mehr bereit gewesen wäre, die Mängelbeseitigung hinzunehmen, ist nicht ersichtlich.

Angemessene Frist zur Mangelbeseitigung

Da hier noch Feststellungen fehlten, ob die Frist zur Mangelbeseitigung aus dem Schreiben vom 11. Dezember 2002 angemessen war und fruchtlos abgelaufen ist, war das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird festzustellen haben, ob die Mängel in der gesetzten bzw. angemessenen Frist beseitigt worden sind.

Die Angemessenheit der Frist kann nicht allein danach beurteilt werden, welchen Zeitraum der Unternehmer für die Mängelbeseitigung normaler Weise benötigt. Angemessen ist eine Frist, wenn während ihrer Dauer die Mängel unter größten Anstrengungen des Unternehmers beseitigt werden können. Denn sie hat nicht den Zweck, den Schuldner in die Lage zu versetzen, nun erst die Bewirkung seiner Leistung in die Wege zu leiten, sondern sie soll ihm nur noch eine letzte Gelegenheit geben, die Erfüllung zu vollenden. Hat der Besteller die Mängelbeseitigung schon vor der Fristsetzung nachhaltig gefordert und war der Veräußerer deshalb schon längere Zeit in der Lage, die geeigneten Schritte zu unternehmen, so verkürzt dies die Frist.

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