Wann kann ein Insolvenzverwalter eine Rentenversicherung kündigen?

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Urteil des BGH vom 01.12.2011, IX ZR 79/11

Im Fall von Privatinsolvenzen kann der Insolvenzverwalter je nach den Umständen des Einzelfalls auch angesparte Rentenversicherungen einziehen. Dies sogar dann, wenn der Versicherungsnehmer selbst die Kündigung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 01.12.2011, IX ZR 79/11 klargestellt hat.

In dem Fall ging es um eine Versicherung gemäß §§ 150 bis 171 VVG bzw. der Vorgängernorm, also um eine Lebensversicherung. Diese fallen gemäß § 36 InsO dann in die Insolvenzmasse, wenn sie der Zwangsvollstreckung unterfallen, d.h. es wird entsprechend auf die Vorschriften in der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung durch einzelne Gläubiger verwiesen. Gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO darf nicht vollstreckt werden in Lebensversicherungen, die nur auf den Tod des Versicherungsnehmers abgeschlossen werden und den Betrag von EUR 3.579,00 nicht übersteigen. Wer also spart, um sich wenigstens ein ordentliches Begräbnis leisten zu können, darf einen solchen Vertrag trotz Schulden und Insolvenz behalten.

Elke Scheibeler
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Wie Arbeitseinkommen geschützt sind gemäß § 851 c ZPO auch Rentenversicherungen, die eine regelmäßige Auszahlung nach dem 60. Lebensjahr oder bei Berufsunfähigkeit vorsehen, wenn keine Kapitalleistung vereinbart wurde, nur Hinterbliebene als Berechtigte eingesetzt werden dürfen und bei denen man über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügen kann. Hier sind also im Fall der Auszahlung die Pfändungsfreibeträge wie bei der Pfändung von Arbeitslohn zu beachten. Falls die Rentenversicherung im Fall der Pfändung bzw. Insolvenz nicht ausgezahlt sondern noch angespart wird, legt eine Staffel genau fest, wie hoch die pro Lebensjahr angesparte Summe sein darf. Der übersteigende Teil des Rückkaufwertes ist anteilig pfändbar. Diese Vorschrift wurde erst im Frühjahr 2007 erlassen und ist auf viele ältere Versicherungsverträge nicht anwendbar, wie auch in dem entschiedenen Fall.

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es aber um eine Rente, die gemäß § 165 VVG a.F., jetzt § 168 VVG abgeschlossen wurde. Bei dieser wurde die Verwertung vor dem Ruhestand unwiderruflich ausgeschlossen und die Beträge durften die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II genannten Werte nicht übersteigen. Diese Vorschrift sollte es aber nur ermöglichen, eine Altersrente anzusparen, ohne diese im Falle einer späteren Bedürftigkeit, infolge derer der Versicherungsnehmer Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) bezieht, wieder zu verlieren, indem der Versicherungsnehmer  diese Versicherung zunächst kündigen und von dem Rückkaufswert leben muss, bevor er Zahlungen von der ARGE erhält. Unpfändbar sollte eine solche Rente nicht sein.

Da diese Rente somit pfändbar war und in die Insolvenzmasse fiel, durfte der Insolvenzverwalter diese nach Auffassung des BGH auch kündigen, obwohl der Versicherungsnehmerin selbst dies vertraglich verboten war, um den Schutz des § 168 VVG zu erhalten. Der BGH wandte hier § 851 Abs. 2 ZPO entsprechend an, wonach eine aufgrund eine vertraglichen Vereinbarung nicht abtretbare Forderung gepfändet werden kann, wenn der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist.

Im Übrigen hat der BGH noch klargestellt, dass der Insolvenzverwalter den Versicherungsvertrag ausdrücklich kündigen muss, was vorher noch streitig war.

Wer in eine private Rentenversicherung einzahlt ist gut beraten, diese im Hinblick auf das zitiert Urteil prüfen zu lassen. Hiervon können insbesondere auch sog. Riester- und Rürup-Renten betroffen sein. Wenn möglich sollte diese in eine solche nach § 851 c ZPO umgewandelt werden, damit diese sicher vor einer Insolvenz geschützt ist, und dies möglichst auch dann, wenn an eine Insolvenz an sich nicht zu denken ist. Eine Umwandlung ist jederzeit gemäß § 167 VVG n.F. auf Kosten des Versicherungsnehmers zum Ende der jeweiligen Versicherungsperiode möglich.

Dr. Elke Scheibeler
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