Booster sind völkerrechtswidrig

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Volksgesundheit rechtfertigt keinen Verstoß gegen die Proportionalität

Proportionalität - proportionality - im Völkerrecht

Rechtliche Erwägungen zu einer proportionalen Reaktion auf eine Rechtsverletzung oder eine Gefahr lassen sich bis in die ältesten Rechtskulturen zurückverfolgen. Drei Quellströme werden hierfür genannt: der Gedanke der Beschränkung der vergeltenden Gerechtigkeit (iustitia vindicativa) auf proportionale Tatvergeltung, das Postulat der zuteilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva) und drittens die Vorstellung, dass das Recht dem Nutzen des Einzelnen oder der Gesellschaft zu dienen habe, woraus sich die Begrenzung des Einsatzes rechtlicher Mittel durch ihre Zweckmäßigkeit und damit auch durch eine proportionale Zweck-Mittel-Relation ergibt, siehe Wieacker, in: FS Fischer (1979), S. 868 (874 f.). 

Andreas Neumann
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Proportionalität (proportionality) - nicht identisch mit der Verhältnismäßigkeit in aller Munde - ist ein völkerrechtlicher Relationsbegriff, der Tatbestand und Rechtsfolge, Aktion und Reaktion wie Angriff und Abwehr, Gefahr und Abhilfe in eine Beziehung setzt. Einen aktuellen Überblick bezogen auf das Welthandelsrecht geben der wunderbare Thomas Cottier und seine Mitautor:innen. Die ugaritische und biblische lex talionis, nach der nur eine der Rechtsverletzung exakt entsprechende Strafe legitim war, kann als eine Frühform des Proportionalitätsprinzips aufgefasst werden. Sie führte allerdings zu Maßnahmen, die nach unseren zivilisierteren Maßstäben keineswegs mehr als proportional einzustufen sind.

Im Gegensatz zur Erforderlichkeit, die die Frage nach einem milderen und gleich wirksamen Mittel stellt, geht es bei der Proportionalität um die Frage, wie viel von dem ausgewählten Mittel angemessen ist. Die Frage der Proportionalität stellt sich als Bedingung der Legitimität und damit als Grenze privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Handelns. Als Übermaßverbot interpretiert rückt das Proportionalitätsprinzip in die Nähe des (nicht weniger unbestimmten) Rechtsmissbrauchs. Thomas Franck beschreibt die Intention der Proportionalität zutreffend als eine Bremse für eskalierende Zyklen übergreifender Gewalt (brake on escalating cycles of transactional violence). Nach seiner Auffassung kann das Proportionalitätsprinzip in sechs vorstellbaren Konstellationen die tragende Begründung für eine Entscheidung sein: 

Erstens würden Streitigkeiten über die Legitimität des Rückgriffs auf militärische Gewalt im Verhältnis zwischen Art. 2 Abs. 4 und Art. 51 UN-Charta letztlich über diese Frage gelöst. Zweitens bemesse sich die Legitimität des konkreten Mitteleinsatzes – Waffen und militärische Strategien und Taktik – im Hinblick auf die Beschränkungen durch die Haager Ordnungen und Genfer Konventionen nach dem Proportionalitätsprinzip. Als drittes Anwendungsfeld des Proportionalitätsprinzips nennt Thomas Franck die internationalen Strafgerichtshöfe und das Völkerstrafrecht, wobei die Maßnahmen von Individuen wegen ihrer Disproportionalität als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Menschenrechtsverletzungen gewertet würden. Viertens können nichtmilitärische Gegenmaßnahmen (countermeasures) eines Staates gegen einen anderen nur dann legitim sein, wenn sie proportional sind. An fünfter Stelle nennt Franck Maßnahmen im Rahmen von Handelsstreitigkeiten und ihre Bewertung durch ein Schiedsgericht der WTO. Und sechstens spielen Proportionalitätserwägungen bei nationalen, regionalen oder internationalen Regelungen eine Rolle, die disproportional individuelle Rechte beschränken, die durch Menschenrechtskonventionen geschützt sind. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung ist das höchste Menschenrecht. Jeder ärztliche Eingriff bedarf besonders hoher Rechtfertigung, nicht zuletzt der freiwilligen Einwilligung.

Das Proportionalitätsprinzip ist darüber hinaus auch indirekt durch die Stufung nichtmilitärischer Maßnahmen nach Art. 41 und militärischer Maßnahmen nach Art. 42 in der Satzung der Vereinten Nationen niedergelegt (siehe dazu Herdegen, Die Befugnisse des Sicherheitsrates (1998), 15., S. 30 f.; Reisman/Stevick, EJIL 9 (1998), S. 86 (126 ff.); Frowein/Krisch, in: Simma u. a. (Hg.), UNC (2002), Introduction, vor Art. 39 Rn. 30). Das Proportionalitätsprinzip gilt nach Auffassung eines Teils der Völkerrechtslehre auch als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut, siehe dazu Bothe, Les limites des pouvoirs du conseil de sécurité, in: Dupuy (Hg.), Le développement du rôle du conseil de sécurité (1993), S. 67-81 (78 f.). So kann sich beispielsweise auch die Frage der völkerrechtlichen Legitimität eines Embargos daran entscheiden, welche Handelsgüter hiervon betroffen sind.

Volksgesundheit und Zeitgeist

Mit der Volksgesundheit versuchten die Nationalsozialisten während des Dritten Reiches insbesondere, den Berufsstand der Heilpraktiker:innen nach und nach abzuschaffen. Man nutzte in jener Zeit Begriffe, die eine unbegrenzte Auslegung und so eine schleichende Änderung zuließen, siehe in Bezug auf das Privatrecht nur Bernd Rüthers.

Auch im Strafrecht war dies Methode des Bösen: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach dem gesunden Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbare Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft.“ Hierdurch wurde, wie Römermann kürzlich auf LinkedIn zeigte, den sich mit dem Zeitgeist wandelnden Werten ein Einfallstor gegeben und dadurch der Willkür der jeweiligen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger. Man hat erst 2017 den Begriff der Gefahr für die Volksgesundheit wieder gestrichen, ohne den dahinterstehenden Ungeist eliminieren zu können.

Der Einfall des Zeitgeists in Recht und Gesetz wird heutzutage durch einen dem Kaiserreich vergleichbaren Paternalismus ermöglicht, neudeutsch Nudge oder Nudging genannt, siehe dazu Johanna Wolff. Unter Aufbringung hoher finanzieller Mittel werden aufwändige Werbekampagnen geplant und auf allen verfügbaren Kanälen durchgeführt, um in der Bevölkerung - zum Teil entgegen wissenschaftlicher Evidenz - ein bestimmtes Verhalten als einzig moralisch richtiges Verhalten anzupreisen. So wurde zuletzt auch mit radikalen Mitteln für das Boostern geworben. Wissenschaftler:innen, die anderer Auffassung sind, werden aus allen gesponsorten Kanälen ausgeschlossen und sogar leichtfertig für unseriös erklärt. Wohl weil insbesondere in den Universitäten die Forscher:innen um ihre Reputation fürchten, trauen sich auch Andersdenkende Professorinnen und Professoren kaum noch, der offiziell gebiligten Wahrheit zu widersprechen. "Alle Experten sind sich einig", ist in Werbeanzeigen der Bundesregierung zu lesen.

Anrufung europäischer und internationaler Gerichte erforderlich

Inzwischen werden jedoch die anderslautenden Befunde so sehr bekräftigt, dass sie nicht mehr als unseriös abgetan oder verleugnet werden können. Die Booster verlängern die Pandemie. Nicht zuletzt sind sie aus Perspektive des Weltgefühls (worldfeeling) eine egoistische Verschwendung, weil in den ärmeren Ländern nicht einmal genügend Mittel für eine erste Impfung zur Verfügung stehen.

Überdies scheinen dem Vernehmen nach die (angeblichen) Impfungen gegen die neueste Variant of Concern nicht wirklich zu helfen, verhindern insbesondere - im Gegensatz etwa zu Masken und anderen Vorsichtsmaßnahmen - keine Gefährdung anderer Mitmenschen.

Das Bundesverfassungsgericht dürfte inzwischen seinen früheren Ruf als Wächter der Grund- und Menschenrechte weitgehend eingebüßt haben. Bleibt somit - unter Beachtung der jeweiligen hohen Voraussetzungen - noch der Gang zu den verschiedenen europäischen und internationalen Gerichtshöfen. 

Rechtsanwalt Dr. Andreas Neumann
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