Ehegattentestamente, Erbverträge und Pflichtteilsverzichtsverträge: Vorsicht bei Wohnsitzwechsel nach Spanien
Mehr zum Thema: Internationales Recht, EU-ErbVO, Spanien, Ehegattentestament, ENZ, ErbschaftAuswirkungen der EU-ErbVO ab dem 17.08.2015 bei gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien: Gefahr der Unwirksamkeit von in Deutschland erstellten notariellen gemeinschaftlichen Testamenten, Erbverträgen und Pflichtteilsverzichtsverträgen
Aufgrund der EU Erbrechtsverordnung 650/2012 (EU-ErbVO) treten ab dem 17.08.2015 weitreichende Neuregelungen im Bereich des Erbrechtes in Kraft. Neben der Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) und der Neuregelung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte bei Erbrechtsstreitigkeiten ist die Bestimmung des auf den Erbfall anzuwendenden Erbrechtes die zentrale Neuerung.
Welches Recht bestimmt den Erbfall ab dem 17.08.2015?
Derzeit bestimmen die nationalen Gesetze die Frage, welches Recht auf einen Erbfall anzuwenden ist. Das deutsche Recht regelt in Artikel 25 EGBGB, dass jeweils das Recht der Staatsangehörigkeit bestimmt, wer gesetzlicher Erbe wird, welche Pflichtteilsrechte zu beachten sind, wie hoch die Erbquoten sind, etc.
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Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 wird sich dieses ändern. Verstirbt der Erblasser ab diesem Zeitpunkt, bestimmt sich die Anwendung des Rechtes nach dem gewöhnlichen Aufenthalt. Befindet sich dieser beispielsweise in Spanien, findet nach Artikel 21 Absatz I EU-ErbVO spanisches Erbrecht Anwendung und regelt die Erbschaft.
Zu welchen Problemen kann das führen?
Das auf einen Erbfall anzuwendende Recht bestimmt u.a. auch die Wirksamkeit von Testamenten und sonstigen Verfügungen von Todes wegen. Kommt also spanisches Erbrecht zur Anwendung, ist beispielsweise die Frage der Wirksamkeit eines vor einem deutschen Notar erstellten Ehegattentestamentes nach dem spanischen Erbrecht zu beurteilen. Nach dem spanischen Erbrecht sind solche gemeinschaftlichen Testamente jedoch unwirksam. Das spanische Erbrecht beinhaltet folgende Artikel:
Artikel 669 Código Civil (spanisches Zivilgesetzbuch): Zwei oder mehrere Personen können nicht gemeinschaftlich oder in derselben Urkunde testieren, weder gegenseitig noch zum Vorteil eines Dritten.
Artikel 733 Código Civil (spanisches Zivilgesetzbuch): Das gemeinschaftliche Testament, verboten durch Artikel 669, ist in Spanien nicht gültig, wenn dies durch spanische Staatsangehörige im Ausland beurkundet wurde, auch wenn die Gesetze des Landes, in dem es beurkundet wurde, dieses genehmigen.
Der Artikel 773 CC bezog sich bisher wörtlich auf spanische Staatsbürger, die ein Testament im Ausland erstellt haben. Die Interpretation dieses Artikels dürfte jedoch in der Zukunft dazu führen, dass sich dieser auch auf Erblasser, auf deren Erbfall spanisches Erbrecht anzuwenden ist, beziehen wird.
Auch die nach dem deutschen Recht zulässigen Erbverträge untersagt das spanische Erbrecht grundsätzlich.
Dies dürfte dazu führen, dass die deutschen Ehegattentestamente und Erbverträge, die beispielsweise deutsche Staatsbürger vor einem deutschen Notar haben beurkunden lassen, dann keine Wirksamkeit entfalten, wenn der Erblasser vor seinem Versterben nach Spanien verzogen ist.
Eine solche Unwirksamkeit würde auch die Bindungswirkung, die oft im Rahmen eines Ehegattentestamentes gewünscht ist, entfallen lassen. Denn das spanische Erbrecht hält diese Art der testamentarischen Verfügungen gerade aufgrund einer Beschränkung der Testierfähigkeit u.a. durch eine entstehende Bindungswirkung für unzulässig.
Sind notarielle Pflichtteilsverzichte in Spanien gültig?
Die entstehenden Rechtsunsicherheiten beschränken sich jedoch nicht auf Ehegattentestamente und klassische Erbverträge. Auch die nach dem deutschen Recht unbedenklich zulässigen Pflichtteilsverzichte als eine Art des Erbvertrages dürften nach dem spanischen Erbrecht unwirksam sein:
Artikel 816 Código Civil (spanisches Zivilgesetzbuch): Jeglicher Verzicht oder Übertragung des zukünftigen Pflichtteils zwischen dem, der diesen schuldet und seinen Zwangserben ist nichtig, und diese könnten diesen einfordern, sobald dieser (der Pflichtteilsschuldner) verstirbt; jedoch müssten sie (die Pflichtteilsberechtigten) das, was sie für den Verzicht oder die Übertragung erhalten haben beibringen.
Die Folge davon ist, dass der Pflichtteilsberechtigte eines in Spanien lebenden deutschen Erblassers, trotz eines unterzeichneten notariellen Pflichtteilsverzichtes, nach dem Versterben des Erblassers sein Pflichtteil nach dem spanischen Recht einfordern könnte. Hierbei käme erschwerend dazu, dass spanisches Pflichtteilsrecht, dem Erben des Erblassers möglicherweise völlig unbekannt, zur Anwendung käme. Hieraus entsteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die eine hohe Gefahr zukünftiger Erbrechtsprozesse birgt.
Welche Lösungsmöglichkeiten bestehen für die Problematik?
Um diesen Rechtsunsicherheiten vorzubeugen, gewährt Artikel 22 Absatz I EU-ErbVO die Möglichkeit der Rechtswahl des eigenen Heimatrechtes. Diese Rechtswahl muss in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus einer solchen ergeben.
Deutsche Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien, die weiterhin die Anwendung des deutschen Erbrechtes wünschen und auch die Wirksamkeit ihrer testamentarischen Verfügungen in Spanien sicherstellen möchten, sollten daher eine entsprechende Rechtswahlklausel in einem ergänzenden oder neuen Testament, entweder vor einem deutschen oder spanischen Notar, beurkunden lassen.
Gilt dies auch für gemischt deutsch-spanische Ehen?
Komplexer gestaltet sich die Frage, wie sich die neue Anknüpfung bei gemeinschaftlichen Testamenten gemischter Ehen auswirkt. Ist beispielsweise einer der Ehepartner spanischer Staatsbürger, kann dieser kein deutsches Erbrecht wählen. Dies dürfte Auswirkungen auf die grundsätzliche Gültigkeit eines gemeinschaftlichen Testamentes sowie die möglicherweise gewünschte Bindungswirkung haben.
In jedem Fall erfordern die ab dem 17.08.2015 geltenden Neuregelungen der EU-ErbVO eine Überprüfung der bisherigen testamentarischen Verfügungen für den Fall, dass die Testierenden nicht in dem Land ihrer Nationalität wohnen, insbesondere wenn der gewöhnliche Aufenthalt Spanien ist.
Gerne stehe ich für die Überprüfungen der bisher erstellten Testamente und Erbverträge auf ihre weitere Wirksamkeit sowie für die Vorbereitung und Erstellung neuer oder ergänzender Verfügungen von Todes wegen zur Verfügung.
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Robert Engels
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht