"Europa: nicht ohne uns!"

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Efler/Häfner/Huber/Vogel (ISBN 978-3-89965-360-1)

Pünktlich zum Frühjahr 2009, in dem die Wahl zum Europäischen Parlament anstand, die Wahl eines neuen Kommissionspräsidenten bevorsteht und wo sich die wiederholende Abstimmung der Iren über den Vertrag von Lissabon abzeichnet, haben vier deutsche Autoren eine gemeinsame Studie zu "Abwegen und Auswegen der Demokratie in der Europäischen Union" vorgelegt. Die Demokratisierung der EU steht im Mittelpunkt des Buches von Michael Efler, Gerald Häfner, Roman Huber und Percy Vogel.

Die vier Autoren verbindet eine gemeinsame Tätigkeit im Vorstand des bundesweiten Vereins "Mehr Demokratie e.V." Efler war darüber hinaus Sachverständiger in der Bundestagsanhörung zum Lissabon-Vertrag, Häfner war seit 1987 mit Unterbrechungen zehn Jahre lang Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen, seit diesem Frühjahr gehört er dem Europäischen Parlament als Abgeordneter an.

Ausgehend von dem bislang absolvierten Prozess der europäischen Einigung, der mit der Ablehnung des Verfassungsvertragsentwurfs aus dem Europäischen Konvent seine Zäsur fand, führen die Autoren sodann in die politische Struktur der Europäischen Union ein. Im Mittelpunkt stehen hierbei zunächst die politischen Kompetenzen im Spannungsfeld zwischen Mitgliedsstaaten und der EU. Sodann werden die Organe der EU im Einzelnen einer kritischen Betrachtung unterzogen, wobei sich die Darstellung auf den Europäischen Rat, den Ministerrat, Parlament, Kommission und EuGH konzentriert. Exemplarisch zeigt die Darstellung der Europäischen Kommission, dass die Autoren eine hohe Aktualität erreichen. Während in diesen Tagen (Ende Juni) darüber diskutiert wird, wie die nach dem Vertrag von Lissabon ursprünglich vorgesehene Verkleinerung der Kommission weiter verschoben werden soll, ist der dies andeutende Beschluss des Europäischen Rates aus dem Dezember 2008 bereits in die Studie aufgenommen und entsprechend ausgewertet worden.

Bereits unter dem Schlagwort "Abwege" führen die Autoren in den Gedanken der Direkten Demokratie ein und erläutern ein denkbares System aus (1) Volksentscheid, (2) fakultativen Referenden, sowie (3) obligatorischen Referenden und (4) Plebisziten.

Hierbei kritisieren sie die fehlende Mitwirkung der Bürgerschaft im jetzigen und zukünftigen System der EU: "Das Fehlen effektiver - also verbindlicher - direktdemokratischer Verfahren in der EU stellt [.. .] das vielleicht gravierendste Demokratieversäumnis der EU dar." (S. 89) Und prognostizieren: "Solange an dem Prinzip festgehalten wird, dass nur die Kommission ein Initiativrecht hat, besteht kein Grund zur Hoffnung, dass zumindest die EU-Volksgesetzgebung eingeführt werden könnte." (S. 96) Dies zeichnet das Kapitel "Auswege" bereits vor. In diesem regen die Autoren an, einen demokratisch legitimierten Verfassungkonvent einzuberufen und verweisen auf die jüngsten Erfahrungen des Kanton Zürich, der im Jahr 2006 nach einem ca. siebenjährigen Prozess unter starker Einbindung der Bürgerschaft seine Verfassung von 1869 grundlegend änderte. Darüber hinaus wird die Einführung direktdemokratischer Verfahren gefordert, so eine EU-Bürgerinitiative, ein EU-Bürgerbegehren und ein EU-Bürgerentscheid, daneben die Möglichkeit fakultativer und die Pflicht obligatorischer Referenden unter den unabhängigen Augen einer "Referendumskommission". Schließlich enthält die Studie auch Vorschläge zu einer föderalen Reform und einer Weiterentwicklung der EU-Institutionen. Der Denkanstoß schließt mit dem Verweis "Der Bürgerwille muss in den politischen Entscheidungen der EU wiederzufinden sein, alles andere widerspricht den grundlegenden Prinzipien der Demokratie." Allein unter diesem Blickwinkel ist die Darstellung interdisziplinär Politikern und Politikwissenschaftlern, Juristen und Sozialwissenschaftlern zu empfehlen.