Fragen und Antworten zum Führerscheinerwerb in Polen

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1) Kann ich als Deutscher einen Führerschein in Polen erwerben? Falls ja, unter welchen Bedingungen?

Die Staatsangehörigkeit spielt bei dieser Frage keine Rolle. Die zu erfüllenden Voraussetzungen ergeben sich aus dem Art. 90 des polnischen Straßenverkehrsgesetzes:

 Der Führerscheinbewerber muss

- das vorgeschriebenen Alter für die jeweilige Kategorie erreicht haben

- sich einer ärztlichen Untersuchung unterzogen haben mit positivem Ergebnis

- sich in bestimmten Fällen einer psychologischen Untersuchung unterzogen haben mit positivem Ergebnis

- die erforderliche Fahrausbildung abgeschlossen haben

- die staatliche Fahrprüfung bestanden haben

- sich mindestens 185 Tage im Kalenderjahr wegen seiner persönlichen oder beruflichen Bindungen auf dem Gebiet der Republik Polen aufhalten oder eine Bescheinigung vorlegen, aus der sich ergibt, dass er seit mindestens 6 Monaten in Polen studiert.

2) Muss ich mich tatsächlich so lange in Polen aufhalten oder reicht die polizeiliche Meldung für einen Zeitraum von 185 Tagen?

Der Führerscheinbewerber muss seinen Lebensmittelpunkt für diesen Zeitraum nach Polen verlegen, das heißt er muss sich dort tatsächlich aufhalten. Die polizeiliche Meldung allein reicht nicht aus, sie stellt lediglich einen Anhaltspunkt für die Behörden dar, den Behörden bleibt es jedoch unbenommen weitere Nachforschungen anzustellen.

3) Ist die Meldung also entbehrlich?

Die polizeiliche Meldung bleibt die Grundvoraussetzung für den Erwerb der Fahrerlaubnis, ohne polizeiliche Meldung kein Führerschein. In einigen Fällen wird die Meldung allein aber nicht genügen.

4) Prüfen die Behörden stets, ob ich mich so lange in Polen aufgehalten habe?

Nein, die Regel bleibt weiterhin, dass die Vorlage der polizeilichen Meldung als ausreichend angesehen wird. Anders sieht es aus bei Straßenverkehrsbehörden, die in der Vergangenheit oftmals mit Fällen von Führerscheintourismus konfrontiert wurden, vor allem Behörden an der polnischen Westgrenze, und solche in deren Zuständigkeitsbereich auf deutsche Führerscheinbewerber spezialisierten Fahrschulen arbeiten. Anhaltspunkte, die eine genauere Prüfung nach sich ziehen, können daneben sein:

- der Führerscheinbewerber tritt nur über einen Bevollmächtigten an die Straßenverkehrsbehörde, dieser Bevollmächtigte wird für eine Vielzahl von deutschen Führerscheinbewerbern tätig

- eine Vielzahl von deutschen Führerscheinbewerbern wird unter derselben Anschrift gemeldet

- der Führerscheinbewerber versteht auch nach Ablauf der 185 Tage kein Wort polnisch.

5) Wie prüfen die Behörden, ob ich mich so lange in Polen aufgehalten habe?

Die wohl beliebteste Methode ist die Anordnung, dass der Führerscheinbewerber sich den Führerschein persönlich bei der Straßenverkehrsbehörde abholen soll. Der Bewerber wird dabei zu einem Gespräch gebeten und soll berichten, wo er gewohnt und gearbeitet hat in den letzten Monaten.

6) Ist eine solche Anordnung zulässig? Muss ich dort erscheinen? Was passiert, wenn ich es nicht tue?

Das polnische Straßenverkehrsgesetz sieht keine Einschränkungen für die Verwendung von Bevollmächtigten im Führerscheinerteilungsverfahren vor. Gemäß Art. 32 des polnischen Verwaltungsverfahrensgesetzes kann ein Verfahrensbeteiligter sich im Verfahren vertreten lassen, es sei denn die konkrete Verfahrenshandlung verlangt ein persönliches Tätigwerden des Beteiligten. Dieses Erfordernis wird wohl nur bei unvertretbaren Handlungen, etwa Abgabe von Wissenserklärungen, vorliegen. Die Abholung des Führerschein stellt keine solche unvertretbare Handlung dar. Es spricht daher Vieles dafür, dass eine solche Anordnung unrechtmäßig wäre.

Erscheint der Führerscheinbewerber jedoch nicht, so wird die Behörde mit großer Wahrscheinlichkeit die Herausgabe des Führerscheins verweigern. Der Führerscheinbewerber wird gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegen müssen. Wird diesem nicht abgeholfen, so bleibt nur der Weg zum Verwaltungsgericht. Und spätestens dort wird der Führerscheinbewerber sich dazu äußern müssen, ob er tatsächlich in Polen gelebt hat oder nicht. Selbst falls das Gericht feststellt, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens unrechtmäßig war, wird die Behörde aufgrund der im Verfahren erlangten Informationen die Herausgabe des Führerschein wegen Nichterfüllung der 185-Tage-Regel verweigern können.

7) Worauf ist sonst noch zu achten bei der Einhaltung der 185-Tage-Regel?

Besonders bei den vom Führerscheintourismus betroffenen Behörden werden die Vorschriften restriktiv ausgelegt. So wird zum Beispiel verlangt, dass der Führerscheinbewerber sich in EINEM Kalenderjahr 185 Tage auf dem Gebiet der Republik Polen aufhalten soll in Anknüpfung an der Wortlaut des Art. 90 polnisches Straßenverkehrsgesetz. Die Aufenthaltstage vor und nach der Jahreswende würden nach dieser Auslegung nicht zusammengerechnet. Einer gerichtlichen Überprüfung würde eine solche Auslegung wohl nicht standhalten (Systematik und Zweck der Norm sprechen dagegen). Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, sollte man jedoch von vornherein den Aufenthalt so planen, dass man seine 185 Tage in einem Kalenderjahr voll bekommt.

8) Prüfen die polnischen Behörden, ob in der Bundesrepublik Deutschland Gründe vorliegen für die Versagung der Fahrerlaubnis?

Die polnischen Behörden haben keine Möglichkeit, unmittelbar auf die entsprechenden Datenbanken in den anderen europäischen Ländern zuzugreifen. Daher wird nur Ausnahmsweise eine Anfrage an deutsche Behörden erfolgen, wenn dafür begründete Anhaltspunkte vorliegen. Bei kleineren Behörden wird eher auf die Anfrage verzichtet, wenn dies organisatorisch nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist, etwa weil deutschsprachiges Personal fehlt.

9) Ändert sich an dieser Praxis etwas durch das Inkrafttreten der 3. EU-Führerscheinrichtlinie?

Gemäß Art. 11 Abs. 4 Satz 1 und 3 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein lehnt ein Mitgliedstaat es ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen. Ein Mitgliedstaat kann es ferner ablehnen, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat aufgehoben

wurde, einen Führerschein auszustellen.

Die 3. EU-Führerscheinrichtlinie wurde in Polen umgesetzt durch das Fahrzeugführergesetz vom 5. Januar 2011. Das Gesetz tritt in Kraft am 11. Februar 2012. Vorschriften, die einen effizienten Datenaustausch mit den Straßenverkehrsbehörden der anderen EU-Länder ermöglichen sollen, treten am 01. Januar 2013 in Kraft.

Bis dahin werden die polnischen Behörden in der Regel nicht von möglichen Versagungsgründen für die Erteilung der Fahrerlaubnis erfahren. Spätestens ab dem 01. Januar 2013 jedoch sollen wirksame Schutzmechanismen zur Verhinderung von Führerscheintourismus vorhanden sein.

Rechtslage: 11.02.2011

Dieser Beitrag dient nur einer allgemeinen Darstellung der Rechtslage und kann keinesfalls eine Einzelfallberatung ersetzen.    Die   Haftung   für die Richtigkeit und Vollständigkeit ist ausgeschlossen.

Leserkommentare
von ammerbach0 am 17.02.2011 17:50:37# 1
ja und wie sieht das in cz aus ?
doch gleich oder ?
    
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