Unternehmenskauf: Chance und Risiken in der Finanzkrise

Mehr zum Thema: Kaufrecht, Unternehmenskauf, Insolvenz
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1. Einleitung

Im Jahr 2001 ist der Markt für Unternehmenskäufe (Mergers & Acquisitions) erheblich eingebrochen. Ab 2004 nahm die Zahl der Unternehmenskäufe wieder zu. Im Jahr 2005 lag das Transaktionsvolumen bei 495 Milliarden Dollar, M&A Review 1/2006 S. 27.

Jahr für Jahr gibt es tausende von Firmeninsolvenzen. Die Zahl im Jahr 2002 betrug 37.000, im Jahre 2003 39.000 und im Jahr 2004 über 40.000. Unternehmenskäufe bergen in der Finanzkrise oder Insolvenz Chancen und Risiken. Einige sollen nachfolgend beleuchtet werden: 

2. Beweggründe des Unternehmenskaufs

  • günstiger Kaufpreis
  • Drängen der finanzierenden Banken
  • Beschleunigung der Markteinführung
  • Wertsteigerung
  • Unternehmensnachfolge
  • Erweiterung der Kompetenzen
  • Abrundung der Produktpalette
  • Wechsel der Gesellschafter und Zuführung von neuem Kapital zur Erweiterung oder Sanierung
  • Sanierung durch Insolvenzplan und Übertragung der Geschäftsanteile ua.

3. Möglichkeiten des Unternehmenskaufs

a) Asset Deal
Möglich ist der Unternehmenskauf als sogenannter Asset Deal, bei dem die Gesamtheit der Vermögensgegenstände oder Teile davon, die zusammen das Unternehmen bilden, einzeln übertragen werden. Beim Asset Deal muss zur Sicherung der Bestimmtheit der Übertragung, jeder einzelne Gegenstand im Vertrag aufgeführt sein.

b) Share Deal
Alternativ besteht die Möglichkeit des Share Deals, das heißt die Veräußerung von Anteilen des Unternehmens. Bei insolventen Unternehmen kommt der Share Deal nur in Betracht, wenn der Investor zugleich bereit ist, dem insolventen Unternehmen neues Kapital zur Verfügung zu stellen, da sich durch die Übernahme der Anteile allein nichts an dem Insolvenzgrund ändert.

4. Kaufgegenstand ( was wird verkauft )

Alles kann verkauft werden: Grundstücke, Lizenzen. Betriebs- und Geschäftsausstattung, Maschinen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Roh- Hilfs- und Betriebsstoffe, Waren, halbfertige Erzeugnisse, Kundenbeziehungen und der Auftragsbestand oder eben der gesamte Geschäftsanteil oder alle Geschäftsanteile der Gesellschaft.

5. Haftung des Veräußerers und Gewährleistung

Der Unternehmenskauf ist im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Durch die Schuldrechtsrefom sind wesentliche Normen für das Sachmängelrecht geändert worden. Das neue Schuldrecht stellt den Rechtskauf, den Sachkauf und den Kauf von sonstigen Gegenständen in § 453 I BGB weitgehend gleich. Der Unternehmenskauf in Form der Übertragung der Gesamtheit aller Einzelwirtschaftsgüter (asset deal) gilt als sonstiger Gegenstand i.S.d.§ 453 I BGB, damit finden §§ 434 ff BGB Anwendung. Die Übertragung der Geschäftsanteile (share deal) wird als Rechtskauf angesehen, mit gleichen Rechtsfolgen wie beim asset deal, soweit sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile übertragen werden. Die Rechte des Käufers eines Unternehmens bei einem Mangel regeln sich nach § 437 BGB. Möglich sind Nacherfüllung, Rücktritt, Schadensersatz, Minderung und Aufwendungsersatz. Voraussetzung für Gewährleistungsansprüche ist, dass ein Mangel des Unternehmens vorliegt. Ein Fehler liegt nach § 434 I BGB vor, wenn die Ist- von der Sollbeschaffenheit in nicht unerheblichem Maße abweicht.  Grundsätzlich muss der Käufer dem Verkäufer bei einem Fehler eine Frist zur Nacherfüllung setzen. Erst nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist kann der Käufer die Sekundäranspräche geltend machen. Im Rahmen der Schuldrechtsreform wurde die gesetzliche Verjährungsfrist auf 2 Jahre verlängert, § 438 I Nr.3 BGB.

6. Firmenverkäufer haftet nicht für Sozialversicherungsbeiträge

Wer eine Firma übernimmt, muss nicht für Sozialversicherungsbeiträge aufkommen, die der vorherige Inhaber nicht gezahlt hat. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass diese Beiträge nicht auf den neuen Firmeninhaber übergehen. Bei einem Unternehmenskauf gingen gemäß § 25 HGB Geschäftsverbindlichkeiten auf den neuen Inhaber über, Sozialversicherungsbeiträge zählten aber nicht. Die Abgabenordnung sieht nur einen Übergang für Steuern und Abgaben vor (Entscheidung teilen wir auf Anfrage gerne mit).

7. Kauf aus der Insolvenz / Zeitpunkt der Verkaufs

a) Wann ist der ideale Zeitpunkt für den Verkauf eines Unternehmens, das nicht "gesund" ist?
Es gibt vier verschiedene Zeitpunkte, deren Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden müssen.

  • vor Stellung des Insolvenzantrages
  • im Insolvenzantragsverfahren, in dem geprüft wird ob ein Insolvenzgrund vorliegt, Sanierungschancen bestehen 
  • nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber vor der ersten Gläubigerversammlung und dem Berichtstermin
  • nach dem Berichtstermin 

b) Gefahren bei einer Veräußerung vor Insolvenzantragsstellung.
Ein wesentlicher Aspekt zur richtigen Wahl des Zeitpunktes der Unternehmenskaufs ist die Frage der möglichen Insolvenzanfechtung. Anfechtbar ist z.B. die Übertragung von Vermögensgegenständen innerhalb der 3 Monatsfrist vor Insolvenzantragsstellung, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Übertragung zahlungsunfähig war und der Erwerber die Zahlungsunfähigkeit kannte. Eine Übertragung in der Phase der Krise- außerhalb eines Kaufs vom Insolvenzverwalter- kann daher sehr gefährlich sein. Ferner sind die Gefahren einer Inanspruchnahme des Erwerbers aus § 25 HGB bzw. 75 AO zu berücksichtigen. Anfechtungsgefahren und Haftung müssen daher von Fachleuten ( z.B Wirtschaftsprüfer und Fachanwalt für Insolvenzrecht ) sorgfältig vorher geprüft werden. 

8. Unternehmenskauf im Insolvenzeröffnungsverfahren

Im Eröffnungsverfahren, in dem meist nur ein vorläufig schwacher Insolvenzverwalter bestellt wird, ist dieser faktisch der Verhandlungs- und Vertragspartner auf der Verkäuferseite. Eine Veräußerung ist von der Zustimmung des vorläufigen Verwalters abhängig. Gegen eine Veräußerung des Unternehmens bereits in der Eröffnungsphase hat sich das Bundesarbeitsgericht ausgesprochen, vgl BAG v. 20.6.2003 - 8 AZR 459/01, ZIP 2003, 222 ff. Der Insolvenzverwalter soll gemäß § 159 InsO regelmäßig erst nach dem Berichtstermin mit der Verwertung der Insolvenzmasse beginnen. In der Praxis findet der Berichtstermin allerdings erst ca 2 Monate nach der Verfahrenseröffnung statt.

Es besteht aber meist erheblicher Handlungsdruck:

  • die Liquiditätssituation ist angespannt
  • Lieferanten machen Druck
  • Arbeitnehmer drängen auf eine Regelung im Hinblick auf ihre offenen Löhne. Allein der Hinweis auf Insolvenzausfallgeld befriedigt diese nicht. Eine kollektive Insolvenzausfallgeldvorfinanzierung ist an besondere Voraussetzungen gebunden, die oft nicht erfüllt sind.

Unternehmenskaufverträge werden daher manchmal vor der ersten Gläubigerversammlung abgeschlossen, stehen aber unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses bzw der Gläubigerversammlung. Manchmal wird bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss gebildet, der dann über den Unternehmenskauf abstimmt. In den meisten Fällen tritt ein Gläubigerausschuss aber erst nach Insolvenzeröffnung zusammen und fasst dann einen Beschluss über den Verkauf.

9. Suche nach geeigneten Erwerbern von Krisenunternehmen

Neben der Frage was und wann ein Unternehmenskauf stattfinden kann, ist die Frage an wen ? von Bedeutung.

Der Inhaber des Unternehmens und der Insolvenzverwalter stehen vor der Problematik einen Käufer zu finden.

Für Unternehmen in der Krise gestaltet sich die Käufersuche schwieriger als bei einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen.

a) Presse
Bei spektakulären Insolvenzverfahren wird in großem Umfang von der Presse berichtet. Dadurch kann der Wert der Firma beeinträchtigt werden, andererseits kann auf diesem Weg ein großer Kreis potentieller Kaufinteressenten aufmerksam gemacht werden.

b) professionelle Vermittler
Professionelle Vermittler haben sich darauf spezialisiert, potentielle Käufer und Verkäufer zusammenzubringen. Solche Vermittler findet man über die örtlichen Industrie- und Handelskammern oder Internetsuchmaschinen unter "Unternehmensvermittlung".

c) gezielte Suche durch Insolvenzverwalter
Effektiv ist auch die gezielte Suche nach Kaufinteressenten durch den Insolvenzverwalter im bisherigen Arbeitnehmer-, Kunden- oder Konkurrentenkreis oder im Bankenumfeld.

10. letter of intent und due diligence

Der Erwerber benötigt einerseits umfangreiche Informationen über das Unternehmen, um einen angemessenen Kaufpreis bieten zu können. Der Veräußerer und Insolvenzverwalter hat andererseits wenig Interesse, Kaufinteressenten  Auftraggeber, Aufträge, Kalkulationen etc  komplett offenzulegen, da diese Punkte ja den Firmenwert ausmachen. In einem frühen Stadium muss daher bereits eine Vorauswahl der Kaufinteressenten und eine Verständigung im Hinblick auf die Eckdaten der geplanten Veräußerung getroffen werden. Wenn die Parteien sich auf Grundlage der ersten Sondierungsgespräche entschließen, die Kaufverhandlungen fortzusetzen, dann unterzeichnet man in der Regel eine gemeinsame Absichtserklärung (letter of intent). Die Herausgabe von Informationen erfolgt üblicherweise nicht vor Unterzeichnung einer Verschwiegenheitsverpflichtung durch den Kaufinteressenten. Im letter of intent werden die wichtigsten Eckpunkte der Transaktion festgelegt.

Der letter of intent kann in Form eines verbindlichen Vorvertrages oder einer rechtlich unverbindlichen Darstellung der Absichten und des aktuellen Verhandlungsstatus ausgestaltet werden.

Nach der Sondierung mit Abschluss eines letter of intent kommt die Tiefenprüfung des Zielunternehmens. Bei der Prüfung soll der Kaufinteressent die erforderliche Sorgfalt (due diligence) walten lassen. Es gibt eine kaufmännische, finanzielle, steuerliche, rechtliche, personalbezogene und umweltrechtliche due diligence.

Es besteht jedoch keine Verkehrssitte, wonach eine due diligence durchgeführt werden muss, Knott/Mielke Unternehmenskauf S.6. Wenn der Käufer keine Prüfung durchführt, erfolgt keine Einschränkung seiner Gewährleistungsrechte. Da die due diligence seit Jahren zum Standard gehört, kann sich dies künftig ändern, Knott s.o. S. 6 

11. Bewertung

Bei der Bewertung eines Unternehmens haben sich drei wesentliche Verfahren herausgebildet.

a) Ertragswertverfahren
Bei der in der Praxis meist anzutreffenden Ertragswert- oder Zukunftserfolgswertmethode erfolgt eine Prognose über die zukünftig durch das Unternehmen zu erzielenden Erträge.

b) Substanzwertmethode
Bei der Substanzwertmethode werden alle Wirtschaftsgüter des Unternehmens mit ihrem fiktiven Wiederbeschaffungswert angesetzt.Es wird aus dem Blickwinkel eines potentiellen Betriebsübernehmers betrachtet, was er für die jeweilige Maschine auf die voraussichtliche Nutzungsdauer projiziert am Markt aufwenden müsste.

c) Liquidationswertverfahren
Bei der Liquidationswertmethode werden alle Wirtschaftgüter mit dem Wiederverkaufswert angesetzt. Die Betrachtung ist also absatzmarktbezogen und spiegelt den jeweils aus der Situation heraus erzielbaren Marktpreis wieder.

Bei Unternehmen in der Krise sind die Regeln der klassischen Bewertung oft nicht geeignet. Der Verkauf muss meist schnell erfolgen, um weitere Irritationen der Kunden und Mitarbeiter zu vermeiden. Dies führt oft zu erheblichen Abschlägen beim Kaufpreis. Wenn allerdings mehrere Kaufinteressenten mitbieten, kann der Kaufpreis hochverhandelt werden.