Was habt ihr zu verbergen?

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Streng geheim! Informationsfreiheitsgesetz verpufft ins Nirwana

Wir sind Weltmeister! Nicht (oder noch nicht) im Fußball, aber im Beamten-Dreikampf: Knicken, Lochen und Abheften! Bei Bedarf führen deutsche Behörden und politische Organe dann auch noch eine vierte Disziplin ein: Vernichten. Brisante Akten verschwinden im Kanzleramt, und die Leuna-Affäre verwandelt sich unauffällig in ein unangenehmes Brummen im Hinterkopf - da war doch was? Leuna? Egal.

Auch im Bespitzeln ist Deutschland ganz weit vorne: "Die Deutschen sind unter den demokratischen Staaten Weltmeister im Abhören", so Burkhard Hirsch in seinem Verfassungsschutzbericht. Vom Bürger will man alles wissen, aber der Bürger erfährt vom Staate nichts. Diese Einbahnstraße sollte aber in beide Richtungen befahrbar sein, weshalb sich im Parlament etwas regte: Ein Informationsfreiheitsgesetz musste her!

Angesichts zahlreicher Affären und Korruption wurde es ja mal Zeit, dass Deutschland sich bei den Demokratien einreiht, die ihren Bürgern schnell und unkompliziert das Recht auf Einsicht bei Behörden einräumen. Zu guter Letzt sollten auch hiesige Bürger das bekommen, was eine anständige Demokratie auszeichnet: Transparenz, Offenheit und mithin der freie Zugang zu Information vom Vater Staat.

Und die Ankündigungen der Marketing-Clowns in der Regierung klangen so schön: Das Gesetz sollte zum Ziel haben, Verwaltungshandeln transparent zu machen, indem den Bürgern der voraussetzungslose Zugang zu behördlichen Informationen des Bundes ermöglicht wird. Man wollte das so genannte Informationsfreiheitsgesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen.

Die erste Diskussionsvorlage für das Gesetz stand kaum im Raume, schon stellten sich die Ministerien quer: Das Wirtschaftsministerium wollte Geheimschutz für die Wirtschaft, das Verteidigungsministerium wollte Geheimschutz für überhaupt alles und so weiter. Schnell wurde nachgebessert, und der Gesetzentwurf entpuppte sich zu einem Informationsverhinderungsgesetz, da mehr Ausnahmen von der Einsichtsnahme vorgesehen waren als alles andere.

Mittlerweile ist das Gesetzgebungsvorhaben gänzlich vom Tisch. Und seit dem 11. September will der Rechtsstaat Deutschland eigentlich nur noch eins: sich selbst unterwandern. Ihr dachtet Orwells 1984 wird nie eintreten, dabei ist es doch schon längst real. Und warum eigentlich geben Politiker sich ihre Diäten-, Spenden- und Informationsgesetze selbst? Krähen haben sich doch gegenseitig lieb.

Alles nur Panikmache, alles nur Geschwätz? So schlecht steht es um die Transparenz deutscher Behörden doch nicht? Urteilen Sie selbst: Ein Jurastudent aus Hannover fragte im Juni im Rahmen einer Studienveranstaltung beim Bundesinnenministerium an:

Betreff: Informationsfreiheitsgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren,
für eine wissenschaftliche Arbeit benötige ich den aktuellen Entwurf mit den konsolidierten Änderungsvorschlägen des vorerst gescheiterten Informationsfreiheitsgesetzes. Leider finde ich auf Ihrer Homepage nur den ursprünglichen Entwurf des Gesetzes. Für ein Zumailen der letzten, aktuellen Version wäre ich Ihnen daher sehr dankbar.

Mit freundlichem Gruß und nochmals vielen Dank für ihre Mühe.. .

Die Absage kam prompt:

Sehr geehrter Herr... ,

mit dem Text des Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz, den Sie auf der Homepage des Bundesministeriums des Innern vorfinden, liegt Ihnen der einzige Referententwurf vor. Dieser Entwurf wurde im Laufe der Beratungen intern fortgeschrieben. Bei diesen Fortschreibungen handelt es sich jedoch nicht um autorisierte Fassungen, sondern um interne Unterlagen zur Arbeitserleichterung. Diese können nicht herausgegeben werden. (Sie könnten übrigens wegen § 3 Nr. 2 des Entwurfs auch dann nicht herausgegeben werden, wenn das Informationsfreiheitsgesetz schon verabschiedet wäre.)

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
.. .

Da bleibt nicht mehr viel zu sagen. Hochbrisantes Geheimmaterial verdient eben eine ausreichende Geheimhaltung. Wer ist zurzeit eigentlich Bundeskanzler? Oder ist das auch geheim? Sie können ja mal nachfragen.. .

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