Bereitschaftsdienst: Vertragsärzte können als Geschäftsherren für Fehler ihres Vertreters während des Notfalldienstes haften

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Der Sechste Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10. März 2009 (VI ZR 39/08) entschieden, dass der Vertreter eines zum organisierten Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung eingeteilten Vertragsarztes haftungsrechtlich als dessen Verrichtungsgehilfe angesehen werden kann.
Damit haften Vertragsärzte als Geschäftsherren für etwaige Fehler ihrers Vertreters während des Notfalldienstes persönlich, ggf. auch unter dem Gesichtspunkt des Auswahl- und Überwachungsverschuldens.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall verlangten die Kläger von den beklagten Ärzten Schadensersatz für eine angebliche Falschbehandlung im kassenärztlichen Notfalldienst, die zum Tode des Ehemannes bzw. Vaters geführt habe.

Im August 2000 hatte dessen Frau nachts die Praxis der Beklagten zu 2 und 3 angerufen, weil ihr Ehemann starke Schmerzen im Oberkörper hatte. Der Anrufbeantworter verwies sie an den ärztlichen Notfalldienst.

Hierauf suchte der Beklagte zu 1, der anstelle der Beklagten zu 2 und 3 den Notfalldienst wahrnahm, den Patienten zu Hause auf und verabreichte ihm ein Medikament gegen Gastroenteritis. Am Nachmittag des Folgetages erlitt er einen Herzinfarkt, an dessen Folgen er später verstarb.

Die Kläger machten geltend, der Vertreter habe aufgrund unzureichender Anamnese und Untersuchung die Anzeichen für den Herzinfarkt verkannt. Hierfür müssten die Beklagten zu 2 und 3 einstehen, weil der Beklagte zu 1 im Notfalldienst als ihr Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfe tätig geworden sei.

Die Beklagten zu 2 und 3 beriefen sich darauf, dass sie mit dem im Notfalldienst tätigen Arzt praktisch keinen persönlichen Kontakt hätten. Die erbrachten vertragsärztlichen Leistungen würden nur aus Praktikabilitätsgründen über ihre Praxis abgerechnet. Das Gleiche gelte für die Verordnung der Medikamente durch den Notfallarzt auf dem Rezeptformular der Praxis.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat mit Teilurteil die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 abgewiesen. Die zugelassene Revision der Kläger führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Der für Arzthaftungsangelegenheiten zuständige Sechste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs musste die Frage, ob ein Behandlungsvertrag mit den Beklagten zu 2 und 3 vertreten durch den Beklagten zu 1 zustande gekommen ist, indes nicht entscheiden. Die Kläger hatten ausschließlich deliktische Ansprüche geltend gemacht.

Der BGH hielt die Haftung der Beklagten zu 2 und 3 als Geschäftsherren für den Beklagten zu 1 als Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB allerdings nicht für ausgeschlossen. Voraussetzung ist hierfür, dass der Beklagte zu 1 in einer gewissen organisatorischen Abhängigkeit zu den Beklagten zu 2 und 3 stand.
Ob die Beklagten zu 2 und 3 darüber hinaus ein Überwachungs- und Auswahlverschulden trifft, bedurfte weiterer Aufklärung, weshalb die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde. Das OLG Köln wird sich also nochmals mit der Problematik beschäftigen müssen.