Mindestmengenregelung ist verfassungswidrig

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Welche Möglichkeiten haben Krankenhäuser bei einem Abrechnungsverbot?

Zur Gewährleistung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung bestimmt § 6 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dass die Länder entsprechende Krankenhauspläne aufzustellen haben, welche die Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit eines Krankenhauses feststellen. Wird ein Krankenhaus in den Krankenhausplan aufgenommen, ist es aus § 108 SGB V berechtigt, alle vorgesehenen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erbringen und abzurechnen.

Bereits mit der Einführung des Fallpauschalengesetzes vom 23.04.2002 und der Umsetzung der Mindestmengenregelung in § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 i.V.m. Satz 4 SGB V wurde dieses Ordnungsgefüge entschieden unterbrochen. Nach dessen Wortlaut sollen Mindestmengen der Qualitätssicherung dienen. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage ist unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Beurteilung klar, dass die Mindestmengen mehr sind als ein bloßes Instrument der Qualitätssicherung.

Sascha  Kugler
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Gem. § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V erstellt der Gemeinsame Bundesausschuss (GemBA) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17 b des KHG, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße davon abhängt, dass sie in einer bestimmten Mindestanzahl erbracht werden.

Die Festlegung, welche Leistungen unter die Mindestmengenregelung fallen und deren Anzahl, erfolgt nicht durch Richtlinien i.S.d. § 92 SGB V sondern durch Beschluss des GemBA. Diese sind nach § 137 Abs. 2 SGB V für die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich, so dass es unerheblich ist, ob das einzelne Krankenhaus einen Beschluss anerkennt oder seinen Beitritt erklärt. Die Verbindlichkeit tritt automatisch ein. Greifen die Beschlüsse in existierende Qualitätssicherungsverträge nach § 112 SGB V ein, so werden diese von den Beschlüssen abgelöst. (Jahn Sozialgesetzbuch für die Praxis SGB V, § 137 Rn. 22, Limpinsel)

Wird die im Katalog bestimmte Anzahl von Leistungen von einem Krankenhaus im Abrechnungsjahr nicht erbracht, so darf das Krankenhaus mit der Begründung einer mangelnden Qualitätssicherung diese Leistung im folgenden Jahr nicht mehr abrechnen. Dies hat in den meisten Fällen zur Folge, dass eine betriebswirtschaftlich vertretbare Fortführung der betroffenen Abteilung nicht mehr möglich sein wird und die Abteilung des Krankenhauses geschlossen werden muss. Das Krankenhaus kann als Folge seinen Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen, wodurch direkt in den Krankenhausplan eingegriffen wird.

Insbesondere kleinere Krankenhäuser in städtischen Regionen werden von der Umsetzung der Mindestmengenregelung betroffen sein. Ländliche Krankenhäuser haben zumindest die Möglichkeit einen Antrag bei der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde auf Nichtanwendung des Abrechnungsverbot zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung nach § 137 Abs. 1 Satz 5 SGB V zu stellen.

Aber nicht nur bei den betroffenen Krankenhausträgern wirft sich die Frage auf, ob die Mindestmengenregelung verfassungswidrig ist. Dies hätte zur Folge, dass die gem. § 137 Abs. 2 Satz 1 SGB V unmittelbar verbindlichen Beschlüsse des GemBA zu den Mindestmengen und die daraus resultierenden Abrechnungsverbote gerichtlich angreifbar wären.

Nach Ansicht des Verfassers ist die Mindestmengenregelung mit den Grundsätzen der Verfassung unvereinbar und greift in die ärztliche Therapiefreiheit, in die Sicherstellung der Krankenhausversorgung sowie in den Versorgungsauftrag des betroffenen Krankenhauses ein. Zudem liegt ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte der Berufsausübung (Art. 12 GG) und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) vor.

1. Verstoß gegen die Gesetzgebungskompetenz der Länder

Mit dem Erlass des KHG hat der Bund von seiner aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a, Art. 72 Abs. 1 GG resultierenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und die Länder gem. § 6 KHG mit der Erstellung von Krankenhausplänen in eigener Verantwortung beauftragt, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu sozial tragbaren Pflegesätzen garantieren zu können, vgl. § 1 Abs. 1 KHG. Der Gesetzgeber hat die Krankenhausplanung somit bewusst den Ländern übertragen, mit der Folge, dass der Bund ohne Änderung des Grundgesetzes nicht berechtigt ist, in die den Ländern übertragene Planungshoheit einzugreifen. (Ruth Schimmelpfeng-Schütte, Arzt und Krankenhaus 8/2006 S. 230 ff.)

Die Einführung der Mindestmengenregelung in § 137 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SGB V mit dem Verbot zukünftig Leistungen unter der festgesetzten Mindestmenge erbringen zu dürfen, hat zur Folge, dass die betroffenen Krankenhäuser Abteilungen schließen müssen, weshalb die Länder ihre Krankenhauspläne entsprechend ändern bzw. anpassen müssen. Somit greift die Mindestmengenregelung direkt in die Krankenhausplanung der Länder ein.

Daran vermag auch die Ausnahmeregelung des § 137 Abs. 1 Satz 5 SGB V nichts ändern. Danach können die Länder Leistungen aus dem Mindestkatalog von dem Verbot ausschließen, wenn das Verbot die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte. Zwar haben die Länder damit die Möglichkeit der passiven Mitbestimmung, jedoch allein auf der Grundlage eines Vetorechts. Dieses Vetorecht steht der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde auch nur unter der Voraussetzung eines zuvor gestellten Antrags des betroffenen Krankenhauses zu, vgl. § 137 Abs. 1 Satz 5 SGB V. Aus eigener Initiative haben die Länder keine Möglichkeit von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen. Ohne Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a, Art. 72 Abs. 1 GG liegt in der Umsetzung der Mindestmengenregelung ein klarer Verstoß gegen die Gesetzgebungskompetenz der Länder vor. (so auch Ruth Schimmelpfeng, siehe Rn. 2; anders Limpinsel in Jahn Sozialgesetzbuch für die Praxis SGB V, § 137 Rn. 18;)

2. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot

Das Bestimmtheitsgebot ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips. Es besagt, dass eine Rechtsvorschrift klar zum Ausdruck bringen muss, welche Auswirkungen die gesetzliche Regelung für den Betroffenen hat. (Vgl. BVerfGE 49, 168, 181; 80, 103, 107 f.; Pieroth in GG-Kommentar Jarass/Pieroth Art. 80 Rn. 11, 4.Auflage) Ist das Gesetz zu unklar und zu unbestimmt, ist es schon deshalb verfassungswidrig.

Die Mindestmengenregelung des § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V enthält keine konkret bestimmbaren Regelungen, anhand derer der GemBA seine Beschlüsse zu fassen hat. Die Bestimmung des Inhalts, Zwecks und des Umfangs der Mindestmengen liegt allein im Ermessen des GemBA. Es wird nirgends definiert, welche medizinischen, pflegerischen oder sonstigen Leistungen in die Regelung einbezogen werden sollen und können, noch in welchem Umfang dies geschehen soll. Es wird keinerlei Aussage darüber getroffen, was unter „jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus" zu verstehen sein soll. Weiter werden keine Voraussetzungen für die Ausnahmetatbestände, die eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherstellen sollen, genannt. Das Planungsziel, welches mit den Mindestmengen in Bezug auf die Krankenhausversorgung in Deutschland verfolgt werden soll, wird nirgends definiert. Die Rechtsbegriffe, insbesondere das „Schlagwort" Qualitätssicherung, bleiben vollkommen unbestimmt und können somit ohne gesetzlich bestimmbare Kontrolle durch die Mitglieder des GemBA ausgelegt werden.

Die Mindestmengenregelung entspricht auch nicht den Anforderungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12.06.1990, wonach es ausreicht, dass sich die Bestimmtheit nicht direkt aus dem Wortlaut der Norm ableiten lassen muss, sondern sich mit Hilfe von allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, wie z.B. Sinn und Zweck der Norm und der historischen Entwicklung, erschließen lässt (Vgl. Beschluss des BVerfG vom 12.6.1990 – 1 BvR 355/06 abgedruckt in NJW 1990, 2306, 2307) . Eine Herleitung anhand einer historischen Entwicklung scheidet aus. Der Sinn und Zweck der Qualitätssicherung ist wissenschaftlich mehr als umstritten. Zwar wird von einigen die Meinung vertreten, dass es wissenschaftlich erwiesen sei, dass zwischen Häufigkeit durchgeführter Leistungen und der Ergebnisqualität ein Zusammenhang besteht. (Werner Gerdelmann, Arzt und Krankenhaus 12/2005, S. 370)

Die bisher bekannten Studien zu Mindestmengen können die Behauptung, dass die Menge ein Prädiktor für Qualität ist nicht belegen. Im Gegenteil: Eine Untersuchung des Universitätsklinikums Münster hat ergeben, dass die Umsetzung der Mindestmengenregelung mit großer Wahrscheinlichkeit keinen bzw. nur einen geringen vernachlässigbaren Einfluss auf die Qualität der Versorgung hat. (Prof. Dr. Roeder, Das Krankenhaus Heft6/2004) Gerade im Grenzbereich ist der Zweck der Qualitätssicherung mehr als fraglich, so dass sich der Verdacht aufwirft, dass weniger die Versorgungsqualität und das Wohl des Patienten im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der Wunsch des Kostenträgers nach Kostenreduktion. (Prof. Dr. Hans-Fred Weiser, Arzt und Krankenhaus 3/2005 S. 66 ff.)

Der Begriff der Qualitätssicherung sowie der Inhalt der Mindestmengenregelung sind weder bestimmt, noch sind die enthaltenen Begriffe definiert, so dass nach Ansicht des Verfassers ein eindeutiger Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs 1. Satz 2 GG vorliegt.

3. Verstoß gegen die Prinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit

Einer der Grundsätze unserer Demokratie ist, dass jede Staatsgewalt vom Volke ausgeht, vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Staatsgewalt wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt. Demokratie kann nur funktionieren, wenn es letztlich der parlamentarische Gesetzgeber ist, der die politische Verantwortung für den Inhalt wesentlicher Regelungen trägt. Nur auf diese Weise kann die Staatsgewalt tatsächlich direkt vom Volk ausgehen, weil das Volk durch Wahlen wesentliche Entscheidungen des Staates beeinflussen kann.

Der GemBA setzt sich bei Beschlussfassung aus drei Unparteiischen, neun Vertretern der Krankenkassenverbände und neun Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft zusammen, vgl. § 91 Abs. 7 SGB V. Folglich setzt sich die Bestellung der Mitglieder des Gremiums nicht aus einer demokratischen Legitimationskette von Mitgliedern der betreffenden Selbstverwaltungskörperschaften zusammen, so dass es diesem Gremium zur Schaffung von verbindlichen Regelungen mit Normcharakter an der demokratischen Legitimierung fehlt. (Wimmer, NZS 1999, S. 113; Ruth Schimmelpfeng-Schütte, Arzt und Krankenhaus 8/2006 S. 230 ff., sowie ZRP 2004, 253 ff)

Darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.

4. Widerspruch gegen Gesetzeszweck des § 1 KHG

Die Krankenhausplanung erfolgt gem. § 6 Abs. 1 KHG zur Verwirklichung der in § 1 KHG genannten Ziele. Nach dem Wortlaut der Norm dient der Gesetzeszweck der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlichen wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen.

Zwar ergibt sich aus der der Zweckbestimmung nachfolgenden finalen Konjunktion „um", dass die Sicherung der Krankenhäuser nicht vorrangige Aufgabe der Krankenhausplanung ist, sondern primär aufgrund einer wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser eine bedarfgerechte Krankenhauversorgung zu sozial tragbaren Pflegesätzen sicherzustellen ist. Bereits aus dem Umkehrschluss ergibt sich jedoch, dass dies ist nur möglich ist, wenn die Krankenhäuser wirtschaftlich abgesichert sind.

Diese staatlich garantierte wirtschaftliche Sicherung folgt aus § 4 KHG, wonach die Investitionskosten mittels öffentlicher Förderung und die übrigen Kosten durch leistungsgerechte Erlöse aus den Pflegesätzen gedeckt werden.

Ist somit ein Krankenhaus als Plankrankenhaus in den Krankenhausplan nach § 8 KHG aufgenommen, kommt es in den Genuss der aus § 1 KHG resultierenden staatlichen Garantie weitgehender wirtschaftlicher Sicherheit.

In diese Sicherheit wird durch ein Abrechnungsverbot aufgrund des Unterschreitens von Mindestmengen erheblich eingegriffen und widerspricht somit dem Gesetzeszweck des § 1 KHG.

5. Eingriff in Art. 12 GG Berufsfreiheit

Krankenhäuser die keinen öffentlich-rechtlichen Träger haben, werden durch die Mindestmengenregelung in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 GG beeinträchtigt.

Erreicht ein Krankenhaus in einem Jahr nicht die vorgeschriebene Mindestmenge für eine Behandlung, so kann diese Behandlung im darauf folgenden Jahr nicht mehr abgerechnet werden. Aufgrund der erheblichen Umsatzeinbußen wird das Krankenhaus die betroffene Abteilung schließen müssen.

Weiter kann heute kaum abgeschätzt werden, welche „Sogwirkung" durch die Leistungsverschiebung auf andere Krankenhäuser entsteht. Ein Krankenhaus, welches aufgrund von Mindestmengenunterschreitungen bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen darf, könnte auch für benachbarte Leistungskomplexe aus Sicht der Zuweiser sowie der Patienten an Attraktivität verlieren. (Prof. Dr. Roeder, Das Krankenhaus Heft6/2004;)

Darüber hinaus wird das betroffene Krankenhaus an der Einhaltung des mit den Kostenträgern verbindlich vereinbarten Budgets und des Leistungsgerüsts gehindert. Dies wird sich möglicherweise auch auf den Verbleib im Krankenhausplan auswirken.

Aufgrund der Schließung von Abteilungen wird es nicht zu verhindern sein, dass die angestellten Ärzte und Pflegekräfte in diesem Bereich entlassen werden müssen.

Auch in deren Berufsfreiheit wird eingegriffen, so dass auch die betroffenen Mitarbeiter die Verfassungswidrigkeit im Klageverfahren rügen könnten.

Somit greift die Mindestmengenregelung mit subjektiv berufsregelnder Tendenz in den Schutzbereich des Art. 12 I GG ein.

Ein Eingriff mit subjektiv berufsregelnder Tendenz wäre nur gerechtfertigt, wenn der Eingriff dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient. (vgl. Jarass in GG-Kommentar Jarass/Pieroth Art. 12 Rn. 29, 4.Auflage) Als einziges Gemeinschaftsgut wird die Qualitätssicherung genannt. Wie oben bereits festgestellt, ist äußerst umstritten, ob diese durch die Mindestmengenregelung erreicht werden kann. Die Mindestmengenregelung kann jedoch aufgrund Ihrer oben festgestellten Unvereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen keine wichtigen Gemeinschaftsgüter schützen, so dass es an einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs fehlt.

6. Eingriff in Art. 14 GG

Art. 14 GG schützt im Wesentlichen das Eigentum als Ganzes. Als eigentumsfähige Rechtsposition im Sinne des Art. 14 GG ist auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb allgemein anerkannt. Zwar hat sich das BVerfG diesbezüglich bislang zurückgehalten. Der Schutz des Gewerbebetriebs soll nicht weiter gehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt. (vgl. BVerfGE 58, 300; 87, 363 ff.) Damit wird zumindest der eigentumsrechtliche Schutz für den Bestand einzelner Rechte und Güter des Unternehmens, wie z.B. Substanz, Kernbereich geschützt.

Die durch das Abrechnungsverbot bei Nichterreichen der vorgeschriebenen Mindestmengen für eine Behandlung zu erwartenden Umsatzeinbußen werden voraussichtlich einen Umfang annehmen, dass dem Krankenhaus eine betriebswirtschaftlich vertretbare Fortführung der betroffenen Abteilung nicht möglich sein wird, mit der Folge, dass die Abteilung geschlossen werden muss. Durch das Abrechnungsverbot wird massiv in die Einnahmequelle des betroffenen Krankenhauses und somit in dessen Substanz und Kernbereich eingegriffen.

Ein Eingriff in Art. 14 GG darf auf Grundlage einer formellgesetzlichen Regelung erfolgen. Wie oben bereits festgestellt wurde, ist die Mindestmengenregelung formellgesetzlich verfassungswidrig, so dass es bereits an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs fehlt.

Zudem liegt in der Mindestmengenregelung ein grober Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Ob ein Krankenhaus die geforderten Mindestmengen erreichen kann, hängt gerade im Grenzbereich nur vom Zufall ab. In diesem Fall ist es für das betroffene Krankenhaus, das genau auf der Schwelle steht nicht einmal absehbar, ob es die geforderte Mindestmenge erreichen wird oder nicht. Einem Krankenhaus jedoch die Möglichkeit der Abrechnung gerade in Grenzbereich zu verwehren und somit dessen Existenzgrundlage zu entziehen, ohne klar definierte Härteklauseln und Übergangsregelungen zu schaffen, widerspricht jeder Form von Verhältnismäßigkeit.

7. Fazit

Die Mindestmengenregelung ist nach Ansicht des Verfassers verfassungswidrig und würde einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht nicht standhalten. (so auch Ruth Schimmelpfeng-Schütte, Arzt und Krankenhaus 8/2006 S. 230 ff)

Neben einem Antrag auf Klage nach § 137 Abs. 2 S. 5 SGB V besteht die Möglichkeit die gesetzliche Krankenkasse in Form einer Leistungsklage auf Übernahme der Behandlungskosten zu verklagen. (BSG, Urt. v. 21.08.1996, SozR 3-2500 § 39 Nr.4; Urt. v. 17.5.2000, SozR 3-2500 § 112 Nr.1)

Aufgrund des drohenden langwierigen Verfahrens ist dem betroffenen Krankenhausträger bei Existenzgefährdung zu empfehlen, neben der Klage ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz anzustreben, damit eine weitere Abrechnung bis zur Entscheidung erreicht werden kann.

Nicht direkt betroffene Krankenhäuser könnten im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den GemBA Beschluss bzw. eine Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses erheben.

Nach Ansicht des Verfassers hätte eine Klage aufgrund obiger Feststellungen durchaus Aussicht auf Erfolg.

Sascha Kugler
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