Streit vorprogrammiert: Wurzelbehandlung

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„Wer sich in den Wurzelkanal begibt, kommt darin um“, so eine Redensart unter Studenten. Denn das Aufbereiten und Füllen von Wurzelkanälen gehört mit zu den schwierigsten - und haftungsanfälligsten - Behandlungen in der Zahnmedizin überhaupt.

Vor allem bei Backenzähnen mit ihren oft stark gekrümmten Wurzeln ist die Aufbereitung des Kanals eine schwierige und zeitaufwendige Arbeit, die sich über mehrere Termine erstrecken kann. Als Ergebnis der Aufbereitung soll der Wurzelkanal eine bis zur Wurzelspitze reichende glatte Innenfläche aufweisen.

Zur Aufbereitung der Wurzelkanäle werden Edelstahlinstrumente oder Nickel-Titan-Instrumente verwendet. Da Edelstahlinstrumente nicht so flexibel sind, kann es bei stark gekrümmten Wurzelkanälen zur Begradigung der Kanäle kommen. Im Extremfall führt diese ungewollte Begradigung zu einer Perforation. Die "via falsa", als Ursache kann auch eine falsche Angulation der Trepanation oder das zu große Vorbohren für einen Stift in Frage kommen, markiert nicht selten den Beginn einer juristischen Auseinandersetzung, wenn betroffene Patienten Schadensersatz und Schmerzensgeld einklagen.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung ist zunächst die exakte Vermessung der Länge des Wurzelkanals. Ist die Füllung zu kurz, verbleiben Bakterien im Zahn. Fällt die Füllung zu lang aus, können Reizfaktoren im Knochen wirken und dort für eine Entzündung sorgen. Die Kanallänge kann sowohl mit einer Röntgenaufnahme (Röntgenmesstechnik) oder mit Hilfe einer elektrischen Widerstandsmessung (Endometrie) bestimmt werden.  Allerdings werden die Kosten der Endometrie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Eine endometrische Bestimmung der Wurzellänge ist daher bei gesetzlich Versicherten nur über einen privaten Behandlungsvertrag möglich. Die Abrechnung der endometrischen Bestimmung der Wurzellänge erfolgt in der Regel nach der GOZ-Position 240. Die röntgenologische Ermittlung der Gesamtlänge ist jedoch nach wie vor als Standardmethode anzusehen, zumal ein Röntgenbild dem behandelnden Zahnarzt mehr Informationen vermittelt als nur die reine Längenangabe.

So fordert auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm vor der Behandlung regelmäßig einen "Blick auf die Röntgenaufnahmen". Das Landgericht (LG) Dortmund hat jedoch auch schon entschieden, dass eine "via falsa" bisweilen schlicht unvermeidlich sein kann. In dieselbe Richtung geht ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts (AG) Stadthagen. Danach kann selbst der sorgfältigste Zahnarzt eine Perforation nicht immer vermeiden.

Tipp
Vor einem kostenintensiven gerichtlichen Verfahren sollte stets der Abstand zwischen Perforation und Wurzelspitze diskutiert werden. Denn je größer der Abstand ist, desto eher wird man einen zahnärztlichen Behandlungsfehlers negieren können und Streit zwischen Patient und Behandler ggf. gütlich beilegen. Auch die konkrete Form der Wurzel und die Vorgeschichte (bspw. eine harte Wurzelfüllung, Teilobliteration des Wurzelkanals) sollten bei der Entscheidung über die weiteren Schritte beachtet werden.

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