Täglicher Alkoholkonsum von 60g außerhalb der Sprechstunde rechtfertigt keine Zulassungsentziehung

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Der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen darf einem Vertragsarzt, der außerhalb der Sprechstundenzeiten täglich 60g Alkohol konsumiert und diesen bei Sprechstundenbeginn wieder abgebaut hat, nicht die Zulassung entziehen.

Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes am 31.03.2009 (Az. L 4 B 542/08 KA ER) auf die Beschwerde des Vertragsarztes, der sich erfogreich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Zulassungsausschuss zur Wehr setzte. Der folgende Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Der 1947 geborene Antragsteller ist als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nachdem seine Zulassung auf seinen unter Hinweis auf eine längere Erkrankung gestellten Antrag hin bis zum 30. September 2006 zum Ruhen gebracht worden war (Beschluss des Zulassungsausschuss vom 22. März 2006), beantragte der Antragsteller die erneute Zulassung für seine kassenärztliche Tätigkeit ab dem 1. Oktober 2006. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 bat der beigeladene Allgemeinarzt, Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein, die Zulassung des Antragstellers zu überprüfen. Die Praxis des Antragstellers sei von der Insolvenzverwalterin beschlagnahmt, so dass er keinen festen Praxissitz habe. Zudem habe er den Antragsteller in den vergangenen Monaten u. a. wegen einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung behandelt.

Beigefügt war ein von Dr. von H unterzeichnetes ärztliches Attest vom 28. Juli 2006 mit den Diagnosen F 32.9.G (depressive Episode), F 45.9.G (somatoforme Störung). Die beigeladene KVSH übersandte zudem ein Schreiben, in dem ein Vertretungsproblem betreffend den Notdienst am 12. und 13. November 2005 geschildert wurde, zu dem der Antragsteller eingeteilt gewesen sei, den er aber nicht wahrgenommen habe. Zudem seien in der Praxis in den letzten Wochen wiederholt Hinweise von Patienten auf unregelmäßige Praxisöffnungszeiten, nicht wahrgenommene Termine und unangemeldete mehrtägige Praxisschließungen zugetragen worden. Dabei werde über die Alkoholkrankheit des Antragstellers, der nach Patientenaussagen wiederholt im angetrunkenen Zustand bei Hausbesuchen erschienen sei, offen gesprochen. Der Vertragsarzt habe ferner am helllichten Tage vor seinem Domizil Passanten auf ein Gläschen Weißwein eingeladen.

Der Antragsteller erklärte daraufhin, er habe seine vertragsärztliche Tätigkeit am 1. Oktober 2006 wieder aufgenommen. Aus verwaltungstechnischen und finanziellen Gründen (vorausgegangene Insolvenz, teilweise Privatnutzung seiner Praxisräume in H durch die Vermieterin) praktiziere er übergangsweise nicht in Wohnräumen, sondern dort, wo seit Jahrzehnten eine gewerbliche Nutzung, u. a. auch durch mehrere niedergelassene Ärzte, stattgefunden habe, und die demnach als Praxis geeignet seien. Gleichzeitig beantragte er die Verlegung der Praxis von H in die S Straße 26 in K. Die Genehmigung hierfür wurde ihm zwischenzeitlich von dem Zulassungsausschuss erteilt (Beschluss vom 26. September 2007).

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 beantragte die beigeladene KVSH, dem Antragsteller gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V seine vertragsärztliche Zulassung zu entziehen. Nach der Aktenlage sei davon auszugehen, dass er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht wieder aufgenommen habe. Zudem habe ihr Vorstand auch Zweifel an der Eignung des Antragstellers zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Weiterhin habe er offensichtlich versucht vorzutäuschen, er könne die vertragsärztliche Tätigkeit wieder ausüben und ihm stünden Praxisräume zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2007 informierte der Zulassungsausschuss den Antragsteller darüber, dass ein Verfahren auf Entziehung seiner Zulassung eingeleitet worden sei, nachdem der Verdacht aufgekommen sei, dass bei ihm eine Alkoholabhängigkeit bestehen könnte. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein teilte dem Zulassungsausschuss mit Schreiben vom 12. Februar 2007 mit, dass der Antragsteller hinreichend verdächtigt sei, gegen § 2 Abs. 2 der Berufsordnung verstoßen zu haben, indem er zumindest über einen sehr langen Zeitraum, von 1999 bis November 2005, das Medikament Dolantin als Sprechstundenbedarf abgerechnet habe, ohne dass dies gerechtfertigt wäre. Da der Antragsteller derzeit nicht mehr berufstätig sei, habe der Vorstand der Ärztekammer letztlich eine berufsrechtliche Pflichtenmahnung nicht mehr für erforderlich gehalten und das Verfahren eingestellt.

Der Zulassungsausschuss veranlasste die Untersuchung des Klägers durch den Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Arzt für Neurologie und Psychiatrie Ma (amtsärztliche Stellungnahme vom 7. März 2007) und brachte durch Beschluss vom 21. März 2007 (Bescheid vom 2. Mai 2007) die Zulassung des Antragstellers mit sofortiger Wirkung bis zum 31. Dezember 2007 zum Ruhen. Der amtsärztlichen Stellungnahme des Herrn Ma sei zu entnehmen, dass die Urinuntersuchung auf Drogen bzw. deren Abbauprodukte negativ verlaufen sei. Aus der Vorgeschichte sei bei dem Antragsteller aber ein Drogenmissbrauch bekannt. Der Alkoholkonsum sei bei dem Antragsteller aktuell nachweislich erhöht.

Insbesondere der insoweit spezifische erhöhte CDT-Wert weise darauf hin, dass mehr als 60 g Alkohol (z. B. 1,5 l Bier oder eine Flasche Wein à 0,75 l) am Tag an mindestens acht aufeinander folgenden Tagen pro Tag konsumiert würden. Dies müsse als Hinweis auf einen Alkoholmissbrauch, d. h. ein Konsumverhalten, das zu einer Gesundheitsschädigung führe, ohne dass eine direkte Abhängigkeit vorliege, gedeutet werden. Nach der Stellungnahme des Amtsarztes liege Alkoholabhängigkeit derzeit nicht vor. Unter diesen Voraussetzungen würde eine Zulassungsentziehung zum jetzigen Zeitpunkt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Aufgrund seines Alkoholmissbrauchs, der als Fehlverhalten im Zusammenhang mit der persönlichen Eignung als Vertragsarzt anzusehen sei, sei der Antragsteller aber derzeit vorübergehend nicht geeignet, die vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben, weshalb er das befristete Ruhen der Zulassung ausgesprochen habe.

Gegen den Beschluss erhoben sowohl der Antragsteller als auch die beigeladene KV Widerspruch. Die KV begehrte die Entziehung der Zulassung des Antragstellers und legte zur Begründung dar, die Ungeeignetheit zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit stelle keinen Grund dar, eine Zulassung zum Ruhen zu bringen; dies wäre allein als disziplinarische Maßnahme möglich. Die von dem Ausschuss vorgenommene Differenzierung zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit sei nicht zielführend, da es allein um die Eignung eines Arztes zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gehe, um eine Patientengefährdung zu vermeiden.

Der Antragsgegner holte zu der Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers sowie zu der Frage des Vorliegens eines geistigen oder sonstigen in seiner Person liegenden schwerwiegenden Mangels, der ihn zur Ausübung des ärztlichen Berufes ungeeignet erscheinen lasse, das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Sa (Gutachten vom 19. November 2007 nebst psychologischem Zusatzgutachten vom 9. Oktober 2007) ein. Der Antragsteller bezog sich zur Begründung seines Widerspruchs auf dieses Gutachten. Der Sachverständige gelange zu dem Ergebnis, dass bei ihm keine schwerwiegenden geistigen oder sonstigen persönlichen Mängel vorlägen, die ihn zur Ausübung des ärztlichen Berufs ungeeignet erscheinen ließen. Die 1999 diagnostizierte Opiatabhängigkeit sei als überwunden zu betrachten. Aus der Sicht des Sachverständigen liege auch keine Alkoholabhängigkeit vor. Soweit der Sachverständige meine, einen schädlichen Gebrauch feststellen zu können, liege gegenwärtig ebenfalls keine Beeinträchtigung der Berufsausübung vor.

Der Antragsgegner veranlasste daraufhin die wiederholte Bestimmung der MCV-, CDT- und Gamma-GT-Blutwerte des Antragstellers im zeitlichen Abstand von genau drei Wochen, beginnend mit dem 30. Januar 2008 bis zum 16. Juli 2008 (Laborbefunde des Labors K, F, Bl. 222 bis 229 Verwaltungsakte).

Die Beigeladene zu 5) bezog sich zur ergänzenden Begründung ihres Widerspruchs auf eine Stellungnahme des Internisten Dr. Fa (7. August 2008), in der zusammenfassend dargelegt ist, dass der alkoholspezifische Parameter CDT konstant erhöht sei. Da sich bei Abstinenz die Werte innerhalb von zwei bis drei Wochen normalisierten, sei davon auszugehen, dass ein ständig vermehrter Alkoholkonsum während des Untersuchungszeitraumes betrieben worden sei. Da sich die pathologischen Abweichungen aller drei Parameter – GGT, MCV und niedrige Thrombozytenwerte – in einem relativ konstanten Bereich befänden, seien Abstinenzphasen auszuschließen.

Durch Beschluss vom 21. August 2008 (Bescheid vom 22. Septem¬ber 2008) entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Zulassung als praktischer Arzt für K und ordnete den Sofortvollzug der Entscheidung an. Zur Begründung ist im Wesentlichen dargelegt: Gemäß § 95 Abs. 6 SGB V sei einem Vertragsarzt die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht oder nicht mehr vorlägen. Gemäß § 21 Ärzte-ZV sei ein Arzt ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis, wenn in seiner Person geistige oder sonstige schwerwiegende Mängel vorlägen, insbesondere, wenn er innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung trunksüchtig gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der eigenen Erklärung des Antragstellers stehe fest, dass dieser regelmäßig mehr als 60 g reinen Alkohol während des schwebenden Verfahrens jedenfalls in der Zeit vom 5. März bis zum 9. Juli 2008 zu sich genommen habe. Dabei sei ihm der Zusammenhang der permanenten Überwachung durch die über Monate erstreckte Blutentnahme und deren labormedizinischer Befundung mit der Frage, ob er in der Lage sei, seinen Alkoholkonsum zu steuern und zu beherrschen, bekannt gewesen.

Da der alkoholspezifische Parameter CDT konstant erhöht sei, obwohl die Untersuchungsintervalle drei Wochen betragen hätten und sich bei Abstinenz die Werte innerhalb von zwei bis drei Wochen normalisierten, stehe fest, dass er in der Zeit der Untersuchung ständig Alkohol in einem Umfang von mehr als 60 g täglich konsumiert habe; Abstinenzphasen seien auszuschließen. Auch die erste Untersuchung vom 13. Februar 2008 weise einen deutlich erhöhten Gamma-GT-Wert auf, der bei erhöhtem chronischen Alkoholkonsum eintrete. Damit seien die Voraussetzungen für die Annahme einer Trunksucht bei dem Antragsteller erfüllt. Denn er habe trotz des schwebenden Verfahrens und seiner zunächst abgegebenen Erklärung, sich mit den Guttemplern ins Benehmen setzen zu wollen, nicht die Möglichkeit gefunden, seinen Alkoholkonsum unter den Grenzwert von 60 g täglich herabzusetzen. Dies sei ein sicheres Zeichen für das Bestehen einer Alkoholkrankheit, die den Begriff der Trunksucht im Sinne des § 21 Ärzte-ZV erfülle. Trunksucht sei identisch mit den Begriffen Alkoholkrankheit, Alkoholabhängigkeit oder alkoholabhängiges Syndrom.

Alkoholkrankheit liege bereits bei regelmäßigem Konsum kleinerer Mengen vor, wobei typisch sei, dass die erkrankten Menschen sich der Schwere ihrer Erkrankung nicht bewusst seien und diese, wie auch im Falle des Antragstellers, von ihnen negiert werde. Diese unkritische Distanz zu seinem Trinkverhalten und die mangelnde Möglichkeit, dieses zu steuern, zeigten sich in den Erklärungen des Antragstellers gegenüber dem Gutachter Sa, wonach er die Kontaktaufnahme zu den Guttemplern "zunächst" zurückgestellt und die damals erhöhten Laborwerte mit einem Klassentreffen und Familienfeiern erklärt habe. Hätte dies zugetroffen, hätten die Laborwerte in der Zeit bis zur letzten Entnahme deutlich zurückgehen und im CDT-Wert auf einen Wert ( 2,8 % sinken müssen. Tatsächlich sei der letzte CDT-Wert vom 9. Juli 2008 jedoch 6,4 % gewesen. Er folge nicht der Auffassung des Antragstellers, dass die Entziehung der Zulassung ausschließlich dann gerechtfertigt sei, wenn es zu einer konkreten Gefährdung der Versicherten gekommen sei. Trunksucht sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Krankheit, durch die die Ungeeignetheit zur Ausübung der Kassenpraxis unwiderlegbar vermutet werde.

Damit habe dem Antragsteller zwingend die Zulassung entzogen werden müssen. Zugleich habe er die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung im öffentlichen Interesse angeordnet. Ein Arzt, der ungeeignet sei, vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben, stelle eine Gefahr für die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten dar. Diese Gefahr lasse sich nur durch die Anordnung des Sofortvollzuges beseitigen. Dabei berücksichtige er, dass trotz der Erklärung des Antragstellers, er habe seit einem Monat keinen Alkohol getrunken, eine günstige Zukunftsprognose ausgeschlossen erscheine. Weder der Hinweis in dem Beschluss des Zulassungsausschusses über das Ruhen der Zulassung noch die Untersuchung bei Herrn Sa noch die im Abstand von drei Wochen konstant entnommenen Blutproben hätten ihn zu einem dauerhaften deutlichen Verändern der Alkoholgewohnheiten bewegt, dies, obwohl ihm als praktizierendem Arzt mit Sicherheit bekannt sei, welchen Aussagewert die in die Laborbefundung eingestellten Gamma-GT-, MCV und CDT-Werte hätten. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Antragsteller seinen Alkoholkonsum nicht steuern könne, also alkoholabhängig, also alkoholkrank sei. Zum Schutz der Versicherten sei ihm die Zulassung mit sofortiger Wirkung zu entziehen.

Der Antragsteller hat am 26. September 2008 Klage erhoben (S 16 KA 97/08) und ebenfalls am 26. September 2008 hat der Antragsteller den Antrag auf Aufhebung des Sofortvollzuges und auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gestellt. Da die Gefahr für die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten, mit der der Antragsgegner den Sofortvollzug begründet habe, bereits Voraussetzung für die Feststellung der mangelnden Eignung sei, beruhe die Anordnung des Sofortvollzuges auf einem Zirkelschluss. Die Anordnung des Sofortvollzuges erfordere demgegenüber eine eigenständige, über die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinausgehende Begründung. Der Sofortvollzug hätte für ihn irreparable Folgen, weil er aufgrund einer früheren Insolvenz über keinerlei finanzielle Rücklagen verfüge.

Den Zeitraum bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, der gerichtsbekannt mindestens ein Jahr betrage, könne er ohne erneute Insolvenz nicht überbrücken. Ein besonderes öffentliches Interesse an dem Sofortvollzug bestehe nicht, weil Anhaltspunkte für eine Gefährdung der von ihm behandelten Patienten nicht ansatzweise bestünden. Insoweit verweise er auf Blatt 6 bis 8 der Begründung der am selben Tag erhobenen Klage.

Darin ist im Wesentlichen dargelegt, dass er einräume, nahezu regelmäßig abends nach Beendigung seiner Sprechstunde ca. eine Flasche Wein zu trinken. Er beginne mit dem Genuss von Wein gegen 19 Uhr zum Abendbrot und habe bis ca. 23 Uhr meist eine Flasche (0,75 l) Wein geleert. Diese führe für einen Zeitraum von ca. vier Stunden zu einer Blutalkoholkonzentration von maximal 0,5 Promille. Eine derartige Blutalkoholkonzentration sei bis zum Aufstehen gegen 7 Uhr vollständig abgebaut; bei Beginn der Sprechstunde gegen 9 Uhr sei er vollständig nüchtern. Tagsüber trinke er nie Alkohol und auch abends konsumiere er lediglich Wein, gelegentlich Bier, äußerst selten einmal hochprozentigen Alkohol in geringen Mengen. Außerhalb der Sprechstunden, d. h. zwischen 18 Uhr abends und 9 Uhr morgens, sei er regelmäßig nicht tätig, da ein organisierter Notdienst bestehe, an den die Patienten sich wenden könnten. Hierzu hat er in dem Erörterungstermin am 18. Dezember 2008 erläutert, dass er an dem organisierten Notdienst nicht teilnehme. Angesichts dieses Trinkverhaltens, welches er auch dem Antragsgegner geschildert habe, gehe von ihm keinerlei Gefahr für seine Patienten aus.

Damit liege keine Trunksucht im Sinne des § 21 Ärzte-ZV vor. Trunksucht sei ein normativer, ausfüllungsbedürftiger Begriff. Er sei kein eigenständiges Merkmal, dessen Erfüllung stets zur Ungeeignetheit und damit zur Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung führe, sondern lediglich ein Indiz dafür, dass ein geistiger oder sonstiger in der Person des Arztes liegender schwerwiegender Mangel bestehe, der dessen Ungeeignetheit begründen könne. Dies folge aus der Formulierung "insbesondere" in § 21 Ärzte-ZV. Es müsse deshalb stets festgestellt werden, ob der Arzt aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis sei. Trunksucht werde lediglich deshalb als normatives Beispiel für die fehlende Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs angeführt, weil sie üblicherweise auf einem unkontrollierten Alkoholkonsum beruhe und damit zu einer mangelhaften Steuerungsfähigkeit führe. Bei ihm handele es sich dagegen um kontrollierten Alkoholkonsum. Entsprechend verneinten der von dem Antragsgegner beauftragte Sachverständige Sa und der ergänzend eingeschaltete Psychotherapeut seine fehlende Eignung zur Ausübung seines Berufs als Vertragsarzt.

Bis heute habe sich kein einziger Patient etwa gegenüber der Beigeladenen zu 5), der Ärztekammer Schleswig-Holstein oder ärztlichen Kollegen darüber geäußert, dass bei ihm während der Berufsausübung Atemalkohol oder Unkonzentriertheit festgestellt worden seien. Es seien auch nie fehlerhafte Verordnungen oder sonstiges auffälliges Verhalten seinerseits bekannt geworden. Die außerhalb der Norm liegenden Laborparameter seien nicht geeignet, seine fehlende Eignung zur Ausübung des Arztberufes zu begründen.

Der Antragsgegner hat erwidert, es sei unrichtig, dass der Antragsteller seinen Dauer-Alkoholkonsum in der Ausschusssitzung am 21. August 2008 eingeräumt habe. Vielmehr habe er erklärt, er sei "jetzt" einen ganzen Monat lang ohne Alkohol. Da auch in der Vergangenheit die Erklärungen des Antragstellers und die objektiven Befunde nicht in Einklang zu bringen gewesen seien, habe er zunächst die subjektive Seite abzuklären versucht und wegen des seinerzeit weder eindeutig günstigen noch eindeutig negativen Ergebnisses die laborgestützte Langzeitbeobachtung beschlossen, nachdem der Antragsteller in der Verhandlung darauf hingewiesen worden sei, dass Sinn und Zweck dieser Beobachtung sei, ihm die Gelegenheit zu geben nachzuweisen, dass er auch ohne Alkohol leben könne.

Dies habe er nicht vermocht. Die sich daraus ergebende Folgerung der psychischen und körperlichen Alkoholabhängigkeit führe zwangsläufig zu der Feststellung der Nichteignung zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit, weil damit der normative Begriff der Trunksucht ausgefüllt sei. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die Wertung des Gesetzgebers eindeutig dahingehend, dass Trunksucht die Eignung ausschließe. Sie sei ein in der Person liegender schwerwiegender Mangel. Bei der Begründung des Sofortvollzuges handele es sich nicht um einen Zirkelschluss, sondern um die Doppelwertung der Ungeeignetheit. Diese allein führe einmal zur Zulassungsentziehung, bedinge aber zugleich, dass es unverantwortlich gegenüber der Allgemeinheit wäre, den Antragsteller so lange praktizieren zu lassen, bis seine aus der Trunksucht resultierende Ungeeignetheit zu irreparablen Schäden auch nur eines einzelnen Versicherten geführt habe.

Durch Beschluss vom 9. Oktober 2008 hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen dargelegt: Angesichts der Betroffenheit des Antragstellers in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz habe die Kammer auch im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz nicht nur eine summarische, sondern eine umfassende Abwägung des öffentlichen Interesses an einem Sofortvollzug des Verwaltungsaktes mit dem privaten Interesse des Bescheidadressaten an einem Aufschub vorgenommen.

Dabei seien die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren einzubeziehen, wobei maßgebender Prüfungszeitpunkt die Sach- und Rechtslage bei Bekanntgabe des letzten belastenden Verwaltungsaktes sei. Dabei genüge für die Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots nicht schon die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum gleichen Ergebnis führen werde, vielmehr setze sie gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz die zusätzliche Feststellung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles voraus, dass sie schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sei. Diese vom Bundesverfassungsgericht für das Ruhen bzw. die Entziehung der Approbation entwickelten Grundsätze seien auf den Fall der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu übertragen. Nach dem klaren Wortlaut des § 95 Abs. 6 SGB V richte sich die Entziehung der Zulassung nach denselben Kriterien wie ihre Erteilung. Damit sei die Zulassung zu entziehen, wenn die Eignung des Arztes fehle.

Dies sei gemäß § 21 Ärzte-ZV der Fall bei einem Arzt mit geistigen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Mängeln, insbesondere einem Arzt, der innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung rauschgiftsüchtig oder trunksüchtig gewesen sei. Dass der Begriff der Trunksucht im Sinne der aus dem Jahre 1957 stammenden Ärzte-ZV heute unüblich geworden sei, sei unschädlich. Er lasse sich mit den heute gebräuchlichen Begriffen Alkoholkrankheit, Alkoholabhängigkeit oder Alkoholabhängigkeitssyndrom identifizieren. Zudem sei der Begriff Teil einer Aufzählung, die, wie das Wort "insbesondere" zeige, nur beispielhaft zu verstehen sei. Nach Sinn und Zweck der Regelung sei maßgebliches Kriterium für die Ungeeignetheit des Arztes die Suchterkrankung als solche, und zwar in den Fällen, in denen sie zum Verlust der Selbstkontrolle und nicht unerheblichen körperlichen oder psychischen Schäden führe. Der Antragsteller habe zumindest noch im Juli 2008 an einer Alkoholabhängigkeit gelitten. Anhaltspunkte dafür, dass seither eine Veränderung eingetreten sei, bestünden nicht und wären auch nicht beachtlich, weil der zwingend vorgegebene Fünfjahreszeitraum des § 21 Ärzte-ZV nicht durch eine individuelle Prognose verkürzt werden könne.

§ 21 Ärzte-ZV verstoße nach ständiger Rechtsprechung auch nicht gegen das Grundgesetz. Es handele sich vielmehr um eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz, der durch die Verfolgung der legitimen Zwecke der Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Gesundheitswesens und die Grundrechte der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auf körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt sei. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung begegne keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Falle eines Eingriffs in die Berufsfreiheit nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft.

Besondere Feststellungen betreffend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, das grundsätzlich über das hinausgehen müsse, was die Entziehung der Zulassung begründe, könnten dann entbehrlich sein, wenn bereits die Art und Weise der Pflichtwidrigkeit die Notwendigkeit indiziere, alsbald konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abwehren zu müssen. Sei der Tatbestand des § 21 Ärzte-ZV erfüllt, so müsse dies nicht nur zur Zulassungsentziehung, sondern stets zu deren Sofortvollzug führen. Die weitere Praxistätigkeit des Arztes und damit verbundene Gefährdung der Patienten und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens, etwa in Form der Stellung unrichtiger Diagnosen, in einer Interimsphase wäre sinnwidrig und könne tatsächlich nicht verantwortet werden. Aus der von dem Antragsgegner gegebenen Begründung lasse sich die getroffene Interessenabwägung zwar knapp aber doch mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen.

Gegen den ihm am 13. Oktober 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 6. November 2008 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und vertritt weiterhin die Auffassung, unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Bewertung beider durch den Antragsgegner angehörter Sachverständiger sei er, entgegen den Ausführungen des Antragsgegners und des Sozialgerichts, nicht ungeeignet zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Insbesondere verneinten beide Sachverständige übereinstimmend das Vorliegen geistiger oder persönlicher Mängel, die ihn zur Ausübung des ärztlichen Berufs ungeeignet erscheinen ließen. Seine Trinkgewohnheiten beeinträchtigten seine kognitiven Fähigkeiten nicht.

Irgendwelche Ausfallerscheinungen oder auch nur Anzeichen von Alkoholgenuss während der üblichen Sprechstundenzeiten seien bisher nicht ein einziges Mal bekannt geworden. In dem Erörterungstermin der Berichterstatterin des Senats am 18. Dezember 2008 hat der Antragsteller persönlich seinen Alkoholkonsum näher geschildert und erläutert. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass er sich im Oktober 2008 der Gruppe "Blaues Kreuz" in K angeschlossen und seit sechs Wochen keinen Alkohol mehr konsumiert habe. Aus den hierzu vorgelegten Bestätigungen geht hervor, dass der Antragsteller sich zunächst als Gast der Gruppe angeschlossen habe, seit dem 4. November 2008 Mitglied der Gruppe K und seit dem 9. Dezember 2008 2. Vorsitzender der Gruppe K sei und diesen Posten mit großem Engagement versehe. Der Antragsteller hat zudem auf die entsprechende Aufforderung des Antragsgegners hin ein polizeiliches Führungszeugnis vom 13. Januar 2009 sowie Laborbefunde übersandt (Befund des Labors Dr. Ka und Kollegen aufgrund Blutentnahme/Eingangs vom 19. Dezember 2008 bzw. 5. Januar 2009 und des Labors K, Befund vom 2. März bzw. 5. März 2009; Bl. 94 bis 98, 120, 123 Gerichtsakte). Die nunmehr erhobenen Blutwerte lägen sowohl hinsichtlich des CDT-Wer¬tes als auch hinsichtlich des Gamma-GT-Wertes im Normalbereich.

Soweit in dem letzten Laborbefund der CDT-Wert mit "Grauzone, verdächtiger Bereich" beschrieben werde, bedeute dies nach Aussage des Laborarztes K lediglich, dass der Verdacht bestehe, dass in den letzten zwei Wochen überhaupt Alkohol getrunken, nicht etwa, dass Alkohol in größeren Mengen konsumiert worden sei. Einen Wert von 2,2 % könne auch ein Proband erreichen, der in den vorangegangenen 14 bis 17 Tagen nicht hundertprozentig abstinent gelebt, also möglicherweise auch nur ein Glas Sekt getrunken habe.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er vertritt weiterhin die Auffassung, bei dem Antragsteller seien die Voraussetzungen für die Annahme von Trunksucht gemäß § 21 Ärzte-ZV erfüllt, womit seine Nichteignung zur Ausübung der Vertragsarztpraxis unwiderleglich vermutet werde. Nicht das Verfahren, sondern erst der Sofortvollzug habe bei dem Antragsteller den Druck aufgebaut, der zur (vorübergehenden?) Änderung seines Suchtverhaltens geführt habe. Daher liege, wie die Hinweise zum ICD 10 vor F 10.2 verdeutlichten, kein kontrollierter, sozial angepasster Alkoholverzehr vor.

Das gelte auch dann, wenn zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werde, dass er trotz der bestehenden Leberschädigung morgens mit 0,0 Promille seine Praxistätigkeit aufnehme. Der Sachverständige habe dargelegt, er habe aus klinischer Sicht Zweifel daran, ob es sich tatsächlich nur um einen schädlichen Substanzgebrauch handele. Der Antragsteller weise aus klinischer Sicht alle Merkmale eines Abhängigkeitssyndroms nach F 10.2 auf. Zwar seien die Bedenken gegen die mit Schriftsatz vom 16. Januar 2009 vorgelegten von dem Labor B zum Gamma-GT ermittelten Werte nunmehr ausgeräumt, nachdem der Antragsteller sich im März 2009 erneut bei dem Labor K zur direkten Probeentnahme vorgestellt habe. Nunmehr sei aber der CDT-Wert erneut in einer Grauzone, was belege, dass der Antragsteller nach wie vor nicht abstinent sei. Er halte daher die weitere langfristige Befundung der MCV-, CDT- und Gamma-GT-Werte im kontinuierlichen Drei-Wochen-Rhythmus für unerlässlich.