Essen - was auf den Tisch kommt?

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Rechtswidrige Bürgermeister-Pension bleibt im Verborgenen

Das Bündnis "NRW blickt durch" kritisierte heute, dass nach den jüngsten Bürgermeisterwahlen mehrere Kommunen die Auskunft über die Pensionen von abgewählten Bürgermeistern verweigern. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler NRW fasste kurz und knapp zusammen: "Auf unsere Anfrage hin haben sieben von acht angesprochenen Städten keine Zahlen herausgeben wollen. Wenn die Bürger nicht erfahren, wie viel von ihren Steuern an ehemalige Bürgermeister geht, ist das ein Skandal".

Was ist passiert?

Der Bund der Steuerzahler hatte sich nach den Wahlen für die Versorgungsansprüche der abgewählten Bürgermeister interessiert, die nur eine Wahlperiode im Amt waren. Von Interesse war dabei, ob die großzügigen Anrechnungsmöglichkeiten im Versorgungsrecht für die kommunalen Wahlbeamten voll ausgeschöpft wurden. Grundsätzlich besteht nämlich ein Versorgungsanspruch der Bürgermeister nach acht ruhegehaltfähigen Dienstjahren und Vollendung des 45. Lebensjahres. Das wäre also mehr als eine Wahlperiode.

Das Versorgungsrecht in NRW sieht aber speziell für die kommunalen Wahlbeamten eine besondere Regelung vor: So genannte "förderliche Dienstzeiten" wie etwa eine frühere berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit können bis zu vier Jahren ebenso angerechnet werden wie Ausbildungs- und Studienzeiten. Über eine Anrechnung entscheidet der Stadtrat. Hierbei hat der Rat einen großen Ermessensspielraum.

Schweigen im Walde

Auf die Anfrage hin, wie und ob also der Stadtrat von dem Ermessen Gebrauch gemacht hat, hatte nur die Stadt Schwelm dem Bund der Steuerzahler mitgeteilt, dass der Bürgermeister ohne Anspruch auf Versorgung aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit ausgeschieden sei. Die Stadt Leverkusen antwortete überhaupt nicht. Die Gemeinde Weilerswist gab erst auf hartnäckige Nachfrage die Antwort: "Wir sagen nichts!" Sie sah wie die Gemeinde Laer keinen Anspruch auf eine Auskunft. Auch die Stadt Grevenbroich äußerte Bedenken zum Auskunftsanspruch, teilte aber mit, dass anrechnungsfähige Vorzeiten der ehemaligen Bürgermeisterin weder bekannt, noch beantragt seien. Die Städte Nideggen und Menden beantworteten die Anfrage mit dem Hinweis auf den Datenschutz nicht inhaltlich.

Sonderfall Stadt Essen: Stadtrat lässt andere entscheiden

Besonders kurios ist die Antwort aus Essen. Die Stadt behauptete gegenüber dem Steuerzahlerbund, dass es einen Pensionsanspruch gebe, dass sie aber wegen der Persönlichkeitsrechte des Ex-OB Reinhard Paß keine Einzelheiten nennen könne. Zudem habe der Rat die Entscheidung über anrechnungsfähige Vordienstzeiten an die Verwaltung delegiert.

Neben aller Kritik an der Geheimniskrämerei gibt diese Antwort zu denken. Denn der Rat darf die Entscheidung über die Anrechnung wohl schlicht und einfach nicht aus der Hand geben.

Schließlich sieht das Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG NRW) vor: "Die oberste Dienstbehörde setzt die Versorgungsbezüge fest [...]" (§49 Abs. 1 S. 1 LBeamtVG NRW) Und das Landesbeamtengesetz erklärt: "Oberste Dienstbehörde ist [...] für die Beamten der Gemeinden und Gemeindeverbände die Vertretung der Gemeinde" (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW).

Das scheint überall zu gelten, aber wohl nicht in Essen. Da darf offenbar nun die Verwaltung entscheiden. Vielleicht hat sie auch schon entschieden - man weiß es ja nicht.

In jedem Fall würde also in Essen auf dem Briefkopf stehen: "Stadt Essen - Der Oberbürgermeister". Ob das der Gesetzgeber meinte? Dass quasi der Oberbürgermeister selbst über seine Bezüge entscheidet oder sein Nachfolger über die des Vorgängers? Nein. Auch bei Gesetzen gilt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Auch wenn's um den "Nachschlag" geht. Und wenn im Gesetz "Vertretung der Gemeinde" steht, dann dürfte das wohl nur den Rat meinen.

Nachdem dieser sich für den offenbar rechtswidrigen Weg entschieden hat und die Behörde "Oberbürgermeister" ihn wohl mit geht, ist hier nun die Aufsichtsbehörde aufgefordert, einzuschreiten. Denn leider steht dem Bund der Steuerzahler kein Rechtsmittel zur Verfügung. Es wäre ihm aber eigentlich zu wünschen, wo er diesen Skandal aufdeckte, den die Stadt offenbar noch gar nicht erkannt hat.

Oder?

Gegenargumente sind herzlich willkommen. Für das beste Argument würde ich passend zum Thema "Essen" ein Knäckebrot stiften.

 

 

Rechtsanwalt Robert Hotstegs ist in Essen geboren.

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