Gerichtssprache ist deutsch - nicht immer

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Finanzgericht lässt Klage in polnischer Sprache zu

Wie es § 184 GVG belegt, ist die Gerichtssprache hierzulande eigentlich deutsch. Dies muss aber nicht zwangsläufig zutreffen, wie der folgende Artikel zeigen soll, bei dem es um ein überraschendes Urteil des FG Hamburg geht.

Rechtssprache ist deutsch:

Allein bei mündlichen Verhandlungen darf man in einer Fremdsprache kommunizieren. Dies ist auch im § 185 Abs. 2GVG festgelegt. Daher sind schon etliche solcher Verhandlungen auf Englisch durchgeführt worden, jedoch eben Klagen in fremden Sprachen in der Regel abgewiesen worden.

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Klage, Klageerwiderung, weitere Prozesshandlungen müssen aber normalerweise weiterhin auf Deutsch stattfinden. Erstmals wurde aber gerade das vom FG Hamburg bezweifelt. Mitte Februar 2017 erklärte das Gericht eine Klageschrift als rechtswirksam und fristwahrend, die auf Polnisch verfasst war. Dennoch erkannten die Richter, dass das Schreiben eine Klage war und ließen sie einfach auf Deutsch übersetzen.

Dabei fühlte sich das Gericht sogar verpflichtet, die Klage anzunehmen. Immerhin entspreche das ja dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG und dem Benachteiligungsverbot Art. 3 Abs. 3 GG). Allerdings erachtet das Gericht nicht die Klage auf Polnisch für fristwahrend, sondern deren Übersetzung. So gab das Gericht an, die Klageerhebung sei fristwahrend und wirksam, da der Senat von Amts wegen den Text innerhalb der Frist laut § 47 Abs. 1 FGO übersetzen ließ. Demnach lässt sich dies mit § 184 GVG vereinbaren, da die Klage letztlich auf Deutsch vorliegt.

Verpflichtung zur Übersetzung?

Jedoch bleibt es fraglich, inwiefern die Gerichte dazu verpflichtet sind, selbst eine Übersetzung anfertigen zulassen. Dadurch müssten Schriftstücke in Zukunft nur mit dem Begriff Klage gekennzeichnet werden und ein Aktenzeichen enthalten. Der Rest wäre an den Gerichten, die dann beantragen sollten, dass das Schreiben auf Deutsch übersetzt wird. Übrigens basiert das Urteil des FG Hamburg auf einen Entscheid des BVerfG, der im Jahre 1975 getroffen wurde (2 BvR 1074/74):

Bereits am 10.6.1975 betonte das Bundesverfassungsgericht, dass Ausländer, die in Deutschland leben, dieselben prozessualen Grundrechte wie Einheimische wahrnehmen können. Sie haben zudem einen Anspruch auf einen umfassenden Rechtsschutz und ein rechtsstaatliches Verfahren. Ebenfalls muss das gelten, sofern die Ausländer nicht in Deutschland leben, aber mit den hiesigen Behörden in steuerrechtlichen oder strafrechtlichen Angelegenheiten korrespondieren.

Das Urteil ist durchaus korrekt. Nur sind die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen wurden, viel zu weitreichend:

Das Benachteiligungsverbot aufgrund der Sprache, das für eine solche Personengruppe gilt, erfordert daher, dass der § 184 Satz 1 GVG verfassungskonform ausgelegt und gehandhabt wird.

Der Senat hatte nicht nur die formalen Aspekte im Blick. Schließlich basiert der Entschluss, das polnische Schriftstück zu übersetzen auch auf dem Anspruch nach Effektivität.

Zudem wäre es eine nicht zu rechtfertigende Formalie, veranlasste man den Kläger, der ja ohnehin schon im deutschen Prozessrecht unkundig und der deutschen Sprache nicht mächtig ist, dazu, die Klage selbst zu übersetzen.

Beim FG handelt es sich um das erste Gerichte, das hierbei eine Benachteiligung feststellt und daher Klagen in Fremdsprachen akzeptiert. Inwieweit andere Gerichte nachziehen, ist fraglich. Immerhin müssen sich alle am Prozess Beteiligten auch an den hiesigen sprachlichen Gegebenheiten orientieren. Richtig war es dagegen, dass das FG nicht die polnische Klage, sondern deren Übersetzung zugelassen hat. In der Sache hat das Gericht die Klage, dann nach Übersetzung dennoch abgewiesen. (Urteil FG Hamburg v. 15.03.2017, Az. 4 K 18/17)

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