Grundsteuerreform zeigt staatliche Kommunikationsstörung
Mehr zum Thema: Meinung, Grundsteuer, ELSTER, Kommunikation, Formular, DialogDie Kommunikation zwischen Staat und Bürgern ist gestört. Die staatliche Seite gibt sich zu wenig Mühe bei der Kommunikation. Die Grundsteuerreform bietet neue Beispiele.
Zum 31.1.2023 lief in allen Bundesländern außer Bayern die bereits verlängerte Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung ab. Für 74,5 % der Grundstücke wurde diese Frist eingehalten. Für knapp 25 % der Grundstücke oder fast 10 Mio. Grundstücke sollen die Erklärungen noch fehlen.
Meine Theorie ist, dass diese hohe Zahl an einer Kommunikationsstörung des Staates liegt. Leider ist das nichts Neues und die Grundsteuerreform ist nur das frischeste Beispiel.


seit 2023
Vorab: Eine Reform der Grundsteuer ist dringend notwendig und die neue Rechtslage ist eine Verbesserung. Jeder der eine Grundsteuererklärung nach der alten Rechtslage einmal erstellt hat, wird sich noch über seine Verwunderung erinnern, warum man einen Wert für das Jahr 1964 im Westen und 1935 für die östlichen Bundesländer berechnet hat. Kurios waren dabei Fragen, ob der Boden im Wohnraum aus gestampftem Lehm besteht. Das musste sich ändern.
Nun saßen und sitzen Millionen von Grundstückseigentümern am Computer und rätseln, was ELSTER da alles von einem wissen will.
Die Grundsteuererklärung über ELSTER weist nämlich die gleichen Probleme auf, wie eigentlich alle Formulare in ELSTER:
1. Es wird zu viel Wissen von den Steuerpflichtigen vorausgesetzt.
2. Die Möglichkeiten digitaler Kommunikation hinsichtlich Dialogführung werden nicht genutzt.
Wer eine Grundsteuererklärung abgeben will, wird mit digitalisierten Papierformularen konfrontiert. Man hätte dabei einen geführten Dialog designen können, wie es etwa Vergleichsportale für Versicherungen viel gekonnter inzwischen tun.
Viele Fragen sind unverständlich oder sehr juristisch formuliert. Jeder muss sich durch Punkte klicken, die für die meisten Sachverhalte überhaupt nicht einschlägig sind und umfangreiches rechtliches Verständnis erfordern. Der Vorteil für die Finanzämter ist, dass die Bearbeitung automatisiert erfolgen kann und ein Bearbeiter nicht mehr viel zu prüfen hat.
Der Nachteil für den Antragsteller ist, dass er sich selbst erst einlesen muss. Nicht alle wollen oder können das. Steuerberater und Rechtsanwälte erklären dann den Steuerpflichtigen, was der Staat eigentlich von Ihnen wissen möchte.
Ein Beispiel ist die Frage nach einer Grundsteuerbefreiung oder -ermäßigung. In Niedersachsen wird jeder deutlich im Hauptvordruck auf diesen Punkt hingewiesen. Es gibt aber keine wirkliche Erklärung, was und wer von der Grundsteuer befreit ist. Ein Bürger wird also gefragt, ob eine Grundsteuerbefreiung vorliegt. Er schöpft Hoffnung, dass er vielleicht gar keine Grundsteuer bezahlen muss. Er klickt auf das Fragezeichen in der Hoffnung, Näheres zu erfahren. Dort erfährt man, dass es unter bestimmten Umständen, die aber nicht aufgeführt werden, eine Steuerermäßigung geben könnte. Es gibt noch nicht mal eine Angabe, wo man Näheres nachlesen könnte oder was hierzu die gesetzliche Grundlage ist. Falls man sich die `\'Klick-Anleitung zum Ausfüllen einer Grundsteuererklärung für ein Einfamilienhaus", wie sie vom Landesamt für Steuern Niedersachsen angeboten wird, als Muster genommen hat, steht man auch nicht klüger da. Auf 57 Seiten wird ausführlich und detailliert geschildert, wo was anzugeben ist. Man kann aus dieser Anleitung höchstens mitnehmen, dass man bei der Frage zur Grundsteuerbefreiung einfach weiter klicken muss.
Wirklich befriedigend ist das für den Bürger aber nicht. Dann aber in der Anlage Grundstück werden die gesamten Möglichkeiten zur Steuerbefreiung in einer langen Liste serviert. Warum verweist man nicht schon weiter oben darauf?
Stattdessen hätte man auch einfach dialoggeführt den Bürger fragen können, ob die Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen könnten, weil es sich etwa um ein Krankenhaus oder Friedhof handelt. Warum stellt man die Frage nach einer Befreiung dann schon im Hauptvordruck? Warum bleibt man überhaupt so der Papierverwaltung mit Hauptvordruck und Anlage verbunden? Sollte man so etwas nicht inzwischen weiterentwickeln, wenn man ohnehin alle Steuererklärungen digital haben möchte?
Ein weiteres Beispiel ist die spätere Frage nach dem Grundbuchblatt. Es gibt eine relativ komfortable Grundstückssuche über den Grundsteuer-Viewer, wo wesentliche Daten zum Grundstück entnommen werden können. Das Grundbuchblatt gehört jedoch nicht dazu. Man kann es nur aus anderen Unterlagen entnehmen, wie die Hilfefunktion auch informiert. Sie informiert auch, dass man die Erklärung ohne die Angabe des Grundbuchblattes abgeben kann. Warum aber fragt man dann überhaupt nach dieser?
Dies sind nur zwei Beispiele, wie es zu der Kommunikationsstörung kommt.
Ein echtes Umdenken und neue Wege zur Vereinfachung sind leider nicht erkennbar. Der Fortschritt der digitalisierten Steuererklärung sollte sich aber nicht darin erschöpfen, dass im Finanzamt keine Papiersteuererklärungen zur Bearbeitung abgetippt werden.
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