Landgericht erteilt Massenabmahnern Freifahrtschein

Mehr zum Thema: Meinung, Facebook, Impressum, Impressumspflicht, Abmahnung, Massenabmahnung
4,73 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
11

Impressum auf Facebook: 180 Abmahnungen die Woche "nicht rechtsmissbräuchlich"

Der Rechthaber

180 automatisierte Abmahnungen in einer Woche gegen Fanseiten wegen fehlenden Facebook Impressums sind für das Landgericht Regensburg nicht rechtsmissbräuchlich. Die Begründung des Gerichts wäre eigentlich lustig - wenn es nicht so traurig wäre.

Wer eine gewerbliche Fanseite auf Facebook betreibt und kein Impressum bereit stellt, der kann von Konkurrenten abgemahnt werden. Das ist mittlerweile republikweit bekannt, trotzdem gibt es immer noch unzählige Facebook Seiten, die ohne Anbieterkennzeichnung im Netz stehen.

Das Thema wurde in den letzten Jahren viel thematisiert, es gab bereits eine Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg zur Impressumspflicht auch auf Facebook. Man musste kein Internet-Evangelist oder Insider der Juristerei sein, um eine weitere Abmahnwelle vorherzusagen: Nach Homepages, eBay, Blogs und Foren würden Facebooknutzer die nächsten Opfer sein.

Die Abmahnwelle kam dann auch, in Form der Revolutive Systems GmbH. Die kleine Firma verschickte über 180 Abmahnungen innerhalb von einer Woche. An "Konkurrenten". Das Landgericht Regensburg bezeichnete die GmbH im Urteil zwar als "Vielfachabmahner", konnte sich aber nicht dazu durchringen, 180 Abmahnungen in einer Woche als rechtsmissbräuchlich zu bezeichnen.

Das Landgericht erwähnt sogar den Bundesgerichtshof. Der BGH hat bereits 2001 richtigerweise gesagt: Sinn und Zweck des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb beinhaltet nicht die Möglichkeit für Gewerbetreibende, "unabhängig von jedem vernünftigen wirtschaftlichen Interesse ihres Unternehmens als selbst ernannte Wettbewerbshüter Wettbewerbsverstöße jeglicher Art zu verfolgen".

Verdammt richtig. Das Landgericht Regensburg lässt das hier aber nicht gelten, weil der BGH sich in seinem Urteil auf eine alte Gesetzesfassung bezieht. Mittlerweile haben wir den Begriff des "konkreten Wettbewerbs". Früher durfte jeder Gewerbetreibende jeden anderen abmahnen, egal in welcher Branche. Heute darf man nur noch Konkurrenten abmahnen. Heute ist man als Abmahnender "systemimmanent". In 180 Fällen die Woche.

Als Konkurrent kann so ziemlich das ganze Internet herhalten. Jede Klitsche, die irgendwo sitzt, und auch nur entfernt in einer ähnlichen Branche unterwegs ist wie ich, kann von mir abgemahnt werden. Weil wir im Internet ja alle direkt miteinander konkurrieren. Der Friseur in München kann einen Friseur in Hamburg wegen fehlenden Impressums abmahnen. Systemimmanent.

Da man seine konkreten Mitbewerber ja heutzutage trotz Businessplan und Konkurrenzanalyse nicht kennt, nutzte die abmahnende GmbH - ein "aufstrebendes IT-Systemhaus" mit 5 Mitarbeitern - zur Identifizierung von abmahnfähigen Facebook-Seiten eine Software. Mit dieser vollautomatischen Opferidentifizierung war es ihr ein Leichtes, über 180 Facebook Seiten die Woche ohne Impressum abzumahnen. Alles Konkurrenten, mit denen die Firma im konkreten Wettbewerb steht. Ist doch klar. Man war gezwungen, "Maßnahmen gegen die immer massiver werdenden Wettbewerbsverstöße unserer Mitbewerber zu ergreifen."

Eben diese Software ist für das Landgericht der große Freifahrschein für Massenabmahnungen. Eben weil die Software die ganze Arbeit macht, seien die vielen Abmahnungen auch nicht rechtsmissbräuchlich. Bei den Abmahnern verursachte die Software kaum Arbeit, weshalb die Abmahntätigkeit in vernünftigem Verhältnis zur sonstigen gewerblichen Tätigkeit fiel.

So die "Argumentation" des Landgericht Regensburg. Lassen wir das mal eine Weile auf uns wirken.

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Wirkt es schon? Wie fühlen Sie sich jetzt? Sehen Sie es auch, die aufstrebende GmbH im Robin Hood Kostüm, im Auftrag der guten Sache, gegen den bösen Feind? 180 Abmahnungen auf einen Streich, ohne Gefährdung des Tagesgeschäfts, im Namen der Gerechtigkeit, genötigt zu Handeln, unzählige Verbraucher hätten sich weiterhin wie die Lemminge in ihr Verderben gestürzt.

Ich bin fast versucht zu spenden. Zu Tränen gerührt. Fast hätte ich auch dem Gericht eine Dankesmail geschrieben, aber dann habe ich diesen Satz im Urteil gelesen:

"Ein im Termin versuchter Augenschein auf der Facebookseite konnte mangels Zugriff auf diese Seite von dem amtlichen PC aus nicht durchgeführt werden."

Dann eben auf diesem Wege, vielleicht druckt es euch ja einer aus: Vielen Dank auch, liebes Landgericht Regensburg.



Für Freunde weiterer Recherche:

Das Aktenzeichen zu diesem wunderschönen Fall lautet: 1 HK O 1884/12

Das komplette Urteil findet ihr auf der Webseite der abmahnenden GmbH. Unter News. Recht leicht zu finden, es ist die einzige Nachricht dort.

Ein kostenloses Impressum für eure Webseite oder Facebook Fanseite könnt ihr euch in wenigen Minuten hier erstellen: http://www.123recht.de/impressumsgenerator.asp

Wer jetzt Lust auf die mühelose Abmahnung zwischendurch bekommen hat, sollte diesen empfehlenswerten Dienst nutzen: abmahnr.de .

Leserkommentare
von CONDOR_X am 07.02.2013 22:53:18# 1
Frühere hiess es: "wer nix wird wird Wirt" - heute ist es so, dass, wer zu dumm ist, als Anwalt erfolgreich seriös zu arbeiten, der wird Abmahnanwalt. Dumm darf man ja sein, man muss sich nur zu helfen wissen! - Aber man sollte nicht soo dumm sein, sich von diesen dubiosen Abzockern einschüchtern zu lassen.
    
von gerhard9928 am 08.02.2013 15:19:14# 2
Oje, traurig wie unterschiedlich Gesetze ausgelegt werden u. wie die Realität ist. Habe auch eine HP - mit Impressum zwar - da steht als 1. aber ein seit mehr als 10 Jahren benutzter Künstlername, die Adresse u. eine Tel. - Nr., so heißt ja auch die Seite. Trotz einiger Feinde hat sich noch nie was getan. Und wenn dann gilt es sich dagegen zu wehren.
    
Das könnte Sie auch interessieren
Meinung Der Abmahnanwalt - eine deutsche Unart
Musterverträge und Briefe Impressum für Ihre Webseite
Meinung Abgemahnt: Vom Regen in die Traufe?