Riace: Ein Dorf mit Herz

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Ein Dorf in Italien als Vorbild für Europas Flüchtlingspolitik

Riace war ein Dorf ohne Zukunft, in einer Gegend Italiens ohne Zukunft. Die Menschen zogen weg, Läden schlossen, es gab nicht einmal mehr eine Pizzeria. Der Ort lag im Sterben. Doch dann passierten zwei Dinge, die alles veränderten. Ein Flüchtlingsboot mit über 200 Kurden strandete an der Küste - und die Einwohner von Riace nahmen sie auf.

Das war 1998. Heute ist jeder dritte Einwohner zugewandert, etwa 500 Migranten leben dort. Sie wurden mit offenen Armen empfangen, ihnen wurde geholfen, sie erhielten Wohnungen, wurden integriert. Die Kinder gehen gemeinsam zur Schule, lernen voneinander. Und die Flüchtlinge geben zurück, sie arbeiten, helfen, eröffnen Läden, Restaurants, Werkstätten. Aus Afghanistan, Mali, Nigeria, Ghana. Sie bauen Riace wieder auf. Riace lebt.

Fremde willkommen zu heißen, das habe ihm seine Mutter beigebracht, sagt der Bürgermeister Domenico Lucano. Aber wären die Flüchtlinge in Riace mit offenen Armen empfangen worden, wenn Riace geblüht hätte? Vermutlich nicht, nicht in dem Maße. Trotzdem darf die Leistung der Einwohner nicht geschmälert werden. Sie haben die Flüchtlinge wie Menschen behandelt und sie als Bereicherung angesehen, nicht als Bedrohung. Beide, die letzten Einwohner des Dorfes und die gestrandeten Flüchtlinge, waren in einer tiefen Krise, haben sich zusammengetan und gemerkt, dass man gemeinsam etwas Größeres schaffen kann. Dass man sich gegenseitig helfen und weiterbringen kann.

Europa hat nach der Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa die Gelegenheit verpasst, die menschenunwürdigen Zustände von Asylsuchenden in seinen Mitgliedsländern zu verbessern. Riace macht aber Hoffnung. Einige Flüchtlinge bleiben fest dort, andere ziehen irgendwann weiter, wenn der Asylantrag genehmigt ist, in Städte mit Universitäten vielleicht. Aber allen wird in Erinnerung bleiben, wie sie in Riace empfangen und behandelt wurden. Sie werden das weitergeben. Und wir können uns von Riace und seinem Bürgermeister inspirieren lassen.

Leserkommentare
von Jaani am 30.10.2013 22:04:52# 1
gerade Italien meckert doch über zu viele Flüchtlinge. Von mir aus, kann jeder der verfolgt und an Leib und Leben bedroht wird kommen. Aber die meisten die kommen, flüchten aus anderen Gründen. Für Wirtschaftsflüchtlinge kann es nun mal kein Asyl geben. Humanitär, wenn schon-denn schon, nicht nur für einzelne Familien, wo man sagt, ach die Kinder haben sich im Fussballverein eingelebt oder besuchen den Kindergarten. Nein, dann muss humanitäre Hilfe für alle gelten. Mir scheint, alle erwarten das die Europäer sagen- ja, kommt doch, das Tor ist geöffnet. Genau dieser Artikel hier- soll eine Einladung nach Italien sein?

    
von Sulina am 01.11.2013 19:07:29# 2
Kein Mensch irgendwo auf der Welt verläßt seine Heimat, wenn es ihm dort gut geht. Und : auch Hunger und Klimawandel bedrohen Menschen an Leib und Leben. Statt in Deutschland über den demographischen Wandel zu jammern - vor allem in ländlichen Gebieten - sollten wir es diesem italienischen Dorf nachmachen ! Dann hätten wir keine Sorgen mehr wegen fehlender Kinder und späterer Sozialversicherungs-Einzahler - es wäre ein Gewinn für alle Generationen !
    
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