BGH: Anspruch des Mieters auf Rückzahlung von Vorauszahlungen bei nicht fristgerechter Betriebskostenabrechnung

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BGH: Anspruch des Mieters auf Rückzahlung von Vorauszahlungen bei nicht fristgerechter Betriebskostenabrechnung

Von Rechtsanwalt A. Schwartmann

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer am 06.04.2005 veröffentlichten Entscheidung (Urteil v. 09.03.2005 - VIII ZR 57/04) mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Mieter eines beendeten Mietverhältnisses die vollständige Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen verlangen kann, wenn der Vermieter die fristgerechte Abrechnung versäumt. Der BGH hat diese Frage bejaht, so dass es überrascht, dass die Entscheidung in der Öffentlichkeit bislang ohne große Beachtung geblieben ist.

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Andreas Schwartmann
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Die Kläger waren von Juni 1989 bis Oktober 2001 Mieter einer Wohnung, deren Vermieter die Beklagte war. Nach dem Mietvertrag hatten Sie monatlich DM 100,00 auf die Betriebskosten als monatliche Vorauszahlungen zu leisten. Für die Jahre 1997 bis 1999 rechnete die Beklagte ordnungsgemäß über die in diesen Jahren tatsächlich entstandenen Betriebskosten ab. Für die Jahre 2000 bis 2001 erteilte die Beklagte hingegen trotz entsprechender Aufforderung keine Abrechnungen, und berief sich darauf, dass der Hausverwalter für sie nicht mehr erreichbar sei und sie daher keinen Zugriff auf die Unterlagen habe. Die Kläger begehrten die vollständige Rückzahlung der in den Monaten Januar 2000 bis September 2001 geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen.

Das Amtsgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Dagegen wendeten sich die Kläger mit der Revision vor dem BGH.

Der BGH hat zunächst unterschieden zwischen der Abrechnung für das Jahr 2000 und des Jahres 2001 unterschieden:

So gelte die Jahresfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB, wonach der Vermieter gehalten ist, binnen Jahresfrist nach Beendigung des Abrechnungszeitraumes über die Betriebskosten abzurechnen, erstmals für den Abrechnungszeitraum 2001. Für die nach altem Recht zu beurteilenden Abrechnungszeiträume sei aber davon auszugehen, dass der Mieter eine Abrechnung in angemessener Frist erwarten könne, wobei analog § 20 NMV als angemessene Frist für die Erstellung der Abrechnung ein Jahr anzusehen sei.

Ist das Mietverhältnis zwischenzeitlich beendet, kann der Mieter nach Auffassung des BGH nicht darauf verwiesen werden, den mit der Abrechnung säumigen Vermieter auf Erteilung der Abrechnung zu verklagen. Der Mieter könne zu Recht erwarten, dass er nach spätestens einem Jahr erfährt, ob und inwieweit er die Vorauszahlungen zurückverlangen kann oder eine Nachzahlungsforderung besteht. Er könne deshalb die in dem in Rede stehenden Abrechnungszeitraum geleisteten Vorauszahlungen vollständig zurückverlangen und klageweise geltend machen, da ihm nach Auffassung des Senats die Erhebung einer unter Umständen zeitraubenden und nicht immer Erfolg versprechenden Stufenklage auf Erteilung der Abrechung nicht zugemutet werden könne und er als Mieter eines beendeten Mietverhältnisses auch kein Zurückbehaltungsrecht mehr ausüben könne.

Der Mieter müsse auch keine Schätzung der tatsächlich entstandenen Betriebskosten vornehmen und seinen Rückforderungsanspruch insofern begrenzen. Denn mit der gesetzlich vorgeschriebenen Abrechnung mache der Vermieter seinen Anspruch auf Bezahlung der vertraglich übernommenen Betriebskosten gegenüber dem Mieter geltend. Es könne deshalb nicht Sache des Mieters sein, darzulegen, in welcher Höhe dem Vermieter ein derartiger Anspruch (mindestens) zusteht, denn das wäre mit der allein dem Vermieter obliegenden Abrechnungspflicht nicht vereinbar.

Zwar stehe es in der Regel zwingend fest, dass Betriebskosten in irgendeiner Höhe entstanden sind und der Vermieter deshalb einen Erstattungsanspruch gegen den Vermieter hat. Diesen könne er jedoch nur auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung geltend machen. Den Schwebezustand, der entstehe, wenn der Vermieter die Abrechnung verzögere, brauche der Mieter nicht hinzunehmen, da der Vermieter zur Abrechnung innerhalb einer angemessenen Frist verpflichtet sei. Stehe nach dem Ablauf dieser Frist nicht fest, in welcher Höhe der Vermieter Ersatz seiner Auslagen verlangen könne, sei der Mieter jedenfalls, da von ihm keine Schätzungen erwartet werden können, berechtigt, die Vorauszahlungen in voller Höhe zurückzuverlangen.

Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des Senates auch für die Abrechnungszeiträume ab 2001, über die nach § 556 Abs. 3 S. 2 BGB binnen zwölf Monaten abzurechnen ist. Auch für diese Abrechnungszeiträume gilt daher: Rechnet der Vermieter trotz entsprechender Aufforderung (zur Verzugsbegründung wichtig!) nicht fristgerecht über die Betriebskosten ab, kann der Mieter eines beendeten Mietverhältnisses die Vorauszahlungen des streitigen Abrechnungszeitraumes in voller Höhe zurückverlangen und einklagen. Dem steht nicht entgegen, dass der Vermieter auch nach Rechtskraft eines Urteils dem Anspruch des Klägers noch einen Erstattungsanspruch entgegenhalten kann. Dieser kommt aber nur auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung in Betracht:

Der Vermieter kann zwar während des Klageverfahrens oder auch nach Rechtskraft des Urteils die Fälligkeit seines Erstattungsanspruches durch Vorlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung herbeiführen. Denn durch § 556 Abs. 3 S. 3 BGB wird er lediglich mit Nachforderungen, die über den Betrag der Vorauszahlungen hinausgehen, ausgeschlossen. Rechnet er allerdings erst nach Klageerhebung durch den Mieter über die Betriebskosten ab, wird er, da er mit der Abrechnung in Verzug ist und Anlass zur Klage gegeben hat, die Verfahrenskosten zu tragen haben.


Rechtsanwalt A. Schwartmann, Köln

Rechtsanwalt Andreas Schwartmann
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Leserkommentare
von Skorpione am 03.07.2012 10:47:02# 1
Hallo, was ist denn wenn der Vermieter in zum Beispiel 10 Jahren Mietzeit, nie eine Nebenkostenabrechnung erstellt hat, man aber monatlich 200 Euro zahlen musste. Kann man dann die kompletten Nebenkosten für alle Jahre einklagen, oder gilt die Verjährungsfrist von 3 Jahren
    
von suitcase am 16.12.2013 15:45:20# 2
Innerhalb welcher Frist muss der Mieter den Vermieter in Verzug setzen und wann muss spätestens eine Klage erfolgen?