Kostensparen bei Zwangsräumung

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Vermieterpfandrecht spart Kosten des Abtransportes von Mieterinventar bei Zwangsräumung einer Wohnung

A. Der Sachverhalt

Die Schuldner sind aufgrund eines Teilurteils verurteilt, eine Wohnung zu räumen. Die Gläubigerin erteilte dem Gerichtsvollzieher unter Benennung eines Kostenvorschusses in Höhe von 400 EUR einen Räumungsauftrag, wobei sie zugleich an sämtlichen in der Wohnung befindlichen Gegenständen der Schuldner ein Vermieterpfandrecht geltend machte. Die Ausführung dieses Auftrags machte der Gerichtsvollzieher von der Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 6.500 EUR für die Vollstreckungskosten abhängig.

B. Das Rechtsproblem

Zu klären ist, ob wegen der Ausübung des Vermieterpfandrechts bei der Vollstreckung kein Transportunternehmen bereitzustellen ist. Eine isolierte Herausgabevollstreckung ist im Gesetz nicht vorgesehen, vielmehr ein Herausgabeanspruch des Schuldners (§ 885 ZPO). Danach hat der Gerichtsvollzieher die Fortschaffung der zu räumenden Sachen zu veranlassen und unpfändbare Sachen ohne Weiteres an den Schuldner auf dessen Verlangen herauszugeben. Der Gerichtsvollzieher hat zu prüfen, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstreckt, und diese Sachen in der Wohnung zu belassen, während er die unpfändbaren Sachen einzulagern und gegebenenfalls an den Schuldner herauszugeben hat. Dieser Herausgabeanspruch des Schuldners könnte vereitelt werden, wenn der Gerichtsvollzieher sämtliche Sachen in der Wohnung belassen müsste. Nach der Lebenserfahrung befinden sich in fast jeder Wohnung Sachen, die wegen Unpfändbarkeit von dem Vermieterpfandrecht nicht betroffen seien. Deshalb könnte der Gerichtsvollzieher hier zu Recht die durch die Räumung mit Hilfe eines Transportunternehmens entstehenden Kosten bei der Bestimmung der Höhe des Vorschusses in Ansatz gebracht haben.

C. Die BGH-Entscheidung

Der von dem Gerichtsvollzieher verlangte, 400 EUR übersteigende Kostenvorschuss von 6.100 EUR für die Hinzuziehung eines Transportunternehmens war nicht gerechtfertigt. Die Gläubigerin konnte zulässigerweise nur die Herausgabe der Wohnräume ohne Wegschaffung der beweglichen Sachen begehren. Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung auf die Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht. Denn das Vermieterpfandrecht hat Vorrang gegenüber der Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind. Eine Prüfung, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Gegenstände vom Vermieterpfandrecht erfasst werden, ist vom Gerichtsvollzieher nicht vorzunehmen.

Der Gerichtsvollzieher ist als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht dafür zuständig, materiell-rechtliche Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. Dies gilt auch für die Frage, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen Unpfändbarkeit (§ 562 Abs. 1 Satz 2 BGB) dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegen. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden.

Schutzwürdige Belange des Vollstreckungsschuldners werden bei dieser Rechtsauslegung nach Ansicht des BGH nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen ist, wenn ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird.

Die Vollstreckung des Räumungstitels wird in der Weise durchgeführt, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz der zu räumenden Wohnung setzt und den Gläubiger in deren Besitz einweist. Bewegliche Sachen, die nicht Zubehör (§§ 97, 98 BGB) sind und auf die sich der Räumungstitel somit nicht erstreckt, werden vom Gerichtsvollzieher grundsätzlich weggeschafft, weil sie nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind (§ 885 Abs. 2 und 3 ZPO). Dieser Entfernung kann der Gläubiger eines Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts an den Sachen widersprechen. Der Vermieter kann sein gesetzliches Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) auch ohne Anrufen des Gerichts geltend machen (§ 562b Abs. 1 Satz 1 BGB). Er benötigt daher, wenn er sein Vermieterpfandrecht durch Beschränkung des Vollstreckungsauftrags aus dem Räumungstitel ausübt, keinen Vollstreckungstitel hinsichtlich der Gegenstände in der zu räumenden Wohnung. Die Frage, ob sich das geltend gemachte Vermieterpfandrecht auf alle in der Wohnung befindlichen Gegenstände erstreckt, ist materiell-rechtlicher Natur und daher nicht vom Gerichtsvollzieher zu entscheiden. Dies gilt auch für unpfändbare Sachen (§ 811 ZPO), die nicht dem Vermieterpfandrecht unterfallen (§ 562 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Ein Herausgabeanspruch des Schuldners entsteht erst, wenn der Gerichtsvollzieher die Sachen weggeschafft hat. Der Schuldner ist dadurch hinreichend geschützt, dass er die unpfändbaren, nicht dem Vermieterpfandrecht unterfallenden Gegenstände vor Durchführung der Herausgabevollstreckung aus der Wohnung entfernen kann, solange er noch nicht aus deren Besitz gesetzt ist. Die Beschränkung des Vollstreckungsauftrags des Gläubigers auf die Herausgabe der Wohnung hat lediglich zur Folge, dass der Gerichtsvollzieher von der Entfernung der nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden Sachen abzusehen hat. Sie berechtigt ihn dagegen nicht, den Schuldner daran zu hindern, Sachen aus der Wohnung zu entfernen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind.

BGH Beschluss vom 10.08.2005, Az. I ZB 135/05

D. Konsequenzen für die Praxis

Die Rechtsauslegung des BGH eröffnet dem Vermietern bei der zwangsweisen Räumung einer Mietwohnung durch den Gerichtsvollzieher eine seine Vermögensinteressen wahrende kostengünstige Lösung. Er beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Räumung der Wohnung, aber nicht mit der Herausnahme des Mieterinventars; an sämtlichen in der Wohnung befindlichen Gegenständen des Mieters wird ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht. Damit entfällt die Leistung eines in der Regel sehr hohen Vorschusses für die Kosten eines Umzugsunternehmers. Der Vermieter kann dann abwarten, ob der Mieter von ihm die nicht pfändbaren Gegenstände herausverlangt.