Unterbliebene Zahlung der Prozesskosten eines früheren Räumungsprozesses durch den Mieter kein Kündigungsgrund

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Am 14.07.2010 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Vermieter einen Wohnraummietvertrag nicht deshalb kündigen kann, weil der Mieter die Prozesskosten eines früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozesses nicht begleicht (BGH, Urteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 267/09).

In der Pressemitteilung Nr. 147/2010 vom 14.07.2010 des BGH heißt es u. a.:

„Der Beklagte hat von der Klägerin eine Wohnung in Lüneburg angemietet. Die Miete wird jedenfalls zurzeit von der ARGE (Arbeitsgemeinschaft des kommunalen Trägers und der Agentur für Arbeit für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II) für den Mieter bezahlt. Im Dezember 2006 kündigte die Vermieterin wegen eines erheblichen Zahlungsrückstands das Mietverhältnis fristlos und erhob anschließend Räumungsklage. Innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB* wurden die Mietrückstände von der ARGE beglichen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und dem Mieter die Prozesskosten auferlegt wurden. Der Mieter hat diese Kosten bislang nicht gezahlt. Im November 2008 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis erneut mit der Begründung, der Mieter habe seine Pflichten aus dem Mietverhältnis schuldhaft verletzt, indem er u. a. die aus dem ursprünglichen Räumungsprozess entstandenen Kosten nicht beglichen habe. Das Amtsgericht hat die Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die unterbliebene Zahlung der in dem früheren Räumungsprozess angefallenen Prozesskosten weder eine ordentliche noch eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigt.

Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Wohnraum nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB** nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, z. B. wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB**).

Zwar verletzt der Mieter, der die ihm auferlegten Kosten aus einem früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozess nicht begleicht, seine Pflichten aus dem Mietvertrag. Diese Pflichtverletzung erreicht jedoch nicht die vom Gesetz für eine Kündigung vorausgesetzte Erheblichkeitsschwelle. Denn bei der Beurteilung der Erheblichkeit darf die in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers nicht außer Acht gelassen werden. Nach der genannten Vorschrift wird eine auf Zahlungsverzug gestützte außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB***) unwirksam, wenn der Vermieter bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Ziel der Regelung ist es, die Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden. Mit dieser Intention ist es nicht zu vereinbaren, wenn zwar die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs aufgrund einer von der Sozialhilfebehörde innerhalb der Schonfrist herbeigeführten Befriedigung des Vermieters unwirksam wird, jedoch dem Vermieter die Möglichkeit verbliebe, das Mietverhältnis gleichwohl erneut zu kündigen, weil der Mieter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Prozesskosten des erledigten Räumungsrechtsstreits zu begleichen.

Aus den gleichen Erwägungen stellt die unterbliebene Bezahlung der Prozesskosten auch keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB*** dar".

(Anm.: Die Sternchen verweisen auf die jeweiligen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, die am Ende der Pressemitteilung im Wortlaut wiedergegeben werden).

Eine für Vermieter sicherlich unbefriedigende Entscheidung, berechnen sich die (Anwalts- und Gerichts-)Kosten eines Rechtsstreit doch nach dem sog. Streitwert, der im Räumungsprozess (regelmäßig) das Zwölffache der Miete beträgt. Bei einer Nettokaltmiete von 500,00 € können so z. B. leicht Kosten von mehr als 1.000,00 € entstehen.

Zur Beruhigung kann aber wenigstens auf die Regelung in § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB verwiesen werden. Die Unwirksamkeit eine auf Zahlungsverzug gestützten außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund durch Zahlung oder Verpflichtungserklärung einer öffentliche Stelle kann nämlich nicht beliebig oft bewirkt werden. Die Regelung gilt nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist. Kommt der Mieter also innerhalb der 2-Jahres-Frist erneut in erheblichen Zahlungsverzug, dann bewahrt ihn auch die Intervention einer öffentlichen Stelle wie der ARGE nicht vor der Kündigung (und - soweit erforderlich - anschließenden Räumung). Vor diesem Hintergrund darf man als Vermieter nach einer erneuten außerordentlichen Kündigung aber auch nicht mit Zahlungen rechnen, so dass die Einleitung des Räumungsprozesses zeitnah erfolgen sollte.

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