Die Verkehrssicherungspflicht für alte Bäume

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Das Problem

Verkehrssicherungspflicht für alte Bäume

Herabfallendes Totholz alter Bäume gefährdet Menschen und Sachen. Den Baumeigentümer trifft rechtlich eine Verkehrssicherungspflicht. Auch in Brandenburg begehrte ein Geschädigter Schadenersatz nach einem Baumschaden.

Die Gerichtsentscheidung

Das Brandenburgisches Oberlandesgericht hat im Urteil vom 17. Juni 2003 ( Az 2 U 50/02) die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht bestimmt:

"Die Verkehrssicherungspflicht umfasst den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, sei es durch Herabfallen von Teilen eines Baumes, sei es durch Umstürzen eines Baumes selbst. In diesem Zusammenhang muss nach ständiger Rechtsprechung der Verkehrssicherungspflichtige durch hinreichend qualifiziertes Personal regelmäßig zweimal pro Jahr die Bäume (einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand) kontrollieren. Dabei kann sich die Untersuchung normalerweise auf eine Sichtprüfung vom Boden beschränken. Lediglich in den Fällen, bei denen im Rahmen einer - in der Regel vom Boden aus durchzuführenden - visuellen Untersuchung Schäden am Baum auffallen, sind entsprechende weitergehende Maßnahmen, z.B. Abklopfen, Zugprüfungen oder Bohrungen zu veranlassen. Als Schäden am Baum, die auf Krankheiten desselben und Gefährdungen der Verkehrsteilnehmer hindeuten, kommen vor allem das Vorhandensein von Totholz, Fehler in der Rinde sowie in der Belaubung in Betracht."

Kommentar

Die Entscheidung folgt der Logik. Wer eine Gefahrenquelle für andere schafft, muss die Risiken eines Schadenseintrittes mindern. Zugleich enthält das Grundgesetz das Staatsziel Umweltschutz, stellt das Naturschutzrecht Anforderungen an die Vermeidung von Eingriffen in die Natur und das Landschaftsbild, sind Bäume als Naturdenkmale geschützt und von Baumschutzsatzungen erfasst. Je älter die Bäume, desto wertvoller werden sie für Mensch und Natur. Eine alte Linde wertet jeden Dorfanger auf. Specht und Steinkauz akzeptieren Bäume als Lebensraum erst ab einem Alter von mindestens 30 Jahren.
Scheinbar schmilzt aber der ganze Naturschutz dahin, wenn Überwachungs- und Pflegekosten sowie Haftungsrisiken drohen.

Die Wirkung für die Praxis

Da kaum ein älterer Baum kein Totholz zeigt, zwingt die Rechtsprechung die Eigentümer, zweimal jährlich kostenaufwendige Zugprüfungen oder Bohrungen durchzuführen. Für diese sich jährlich wiederholenden Ausgaben für Personal und Technik fehlen in vielen Haushalten der zumeist als Baumeigentümer betroffenen Städte und Gemeinden oft die Mittel. Als Folge scheint die Rechtsprechung eine Rechtfertigung für die Beseitigung alten Baumbestandes mit Totholzanteil zu bewirken.

Als Alternative ist es erwägenswert, durch Schilder deutlich sichtbar die Passanten vor den Baumgefahren im öffentlichen Raum zu warnen. Dieses „Schilda" an Alleen, Plätzen, Parks und Waldrändern könnte für den vielerorts alten Baumbestand eine Rettung vor den Schadensersatzrisiken sein. Ich rate dazu, diese Alternative den Grundeigentümerhaftpflichtversicherern vorzuschlagen.