Freischaffende Opernsänger und Schauspieler – versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis

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Fall:

Im vorliegenden Fall ging es um ein Theater, das nicht über ein festes Ensemble verfügte, sondern alle künstlerischen Mitarbeiter nur über Teilspielzeit- oder Gastverträge engagierte. Für die Produktion einer Operette wurde dementsprechend dann mit einem renommierten Operettensänger auch ein Gastspielvertrag geschlossen. Seine Tätigkeit umfasste zunächst die Teilnahme an einigen Proben sowie danach an mehreren Veranstaltungen. In einem sog. Statusfeststellungsverfahren wurde dann vom zuständigen Rentenversicherungsträger ermittelt, dass der Kläger aufgrund seines Gastspielvertrags eine abhängige Beschäftigung ausgeübt hat und deshalb sozialversicherungspflichtig war. Dagegen wehrte sich der Operettensänger mit seiner Klage.

Entscheidung:

Bei dem Gastspielvertrag des Operettensängers handelte es sich nach Ansicht des Landessozialgerichts Essen um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Dass der Sänger mit seiner Klage dennoch erfolgreich war, war allein einem formalen Fehler des Rentenversicherungsträgers geschuldet. Das Landessozialgericht vertritt die Ansicht, dass sich auch ein international renommierter Bühnenkünstler in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befinden kann, wenn er „funktionsgerecht dienend" am künstlerischen Entstehungsprozess teilnimmt und in eine vom Träger des Theaters vorgegebene Organisation eingegliedert ist.

Maßgeblich für diese Beurteilung war die schriftliche Vereinbarung, die mit dem Sänger getroffen worden war und in wesentlichen Grundzügen einem Arbeitsvertrag entspreche. Der Sänger erhielt eine erfolgsunabhängige Vergütung, die monatlich berechnet und über die Lohnsteuerkarte abgerechnet wurde. Er war verpflichtet an Aufführungen und Proben teilzunehmen. Auch nur kurzzeitige Abwesenheiten waren nur mit Genehmigung des Intendanten und nach vorheriger Information der Theaterleitung bei gleichzeitiger telefonischer Erreichbarkeit zulässig.

Das notwendige Weisungsrecht sah das Landessozialgericht als ausgeübt durch Regisseur und Intendanten an.

Der Opernsänger hatte allerdings ausnahmsweise Glück. Der beklagte Rentenversicherungsträger hatte die rechtzeitige Feststellung der Rentenversicherungspflicht versäumt, so dass trotz grundsätzlich bestehender Versicherungspflicht der Klage stattgegeben wurde.

Das LSG Essen hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BSG zugelassen.

Quelle:

Pressemitteilung des LSG Essen v. 02.10.2015

Fachanwaltstipp:

Ausgangspunkt für die Frage, ob jemand echter Selbständiger oder tatsächlich scheinselbständig, also Arbeitnehmer, ist, ist immer der geschlossene Vertrag. Wenn dieser bereits fragwürdige Passagen enthält, die auf einen Arbeitsvertrag deuten, wird es später schwierig. Prüfer werden mit der Nase auf das Problem gestoßen. Selbst wenn der Vertrag tatsächlich der eines echten Selbstständigen ist, kann die gelebte Praxis später dazu führen, dass der vermeintlich Selbstständige doch als Arbeitnehmer angesehen wird. In der Praxis muss daher darauf geachtet werden, dass die Durchführung auch dem Vertragsinhalt entspricht. Hier ist das Risiko etwas geringer, da die abweichende Handhabung nicht so leicht ans Tageslicht kommt. Man kann zunächst einmal die Verträge vorlegen und sich auf deren Richtigkeit berufen. Kommt es allerdings zum Ärger mit dem Vertragspartner, wird es regelmäßig problematisch.


Zum Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 06.05.2015, Aktenzeichen: L 8 R 655/14.

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