Nicht behindert genug? Kurioses Sozialrecht für Pfarrer

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Streit um "Gleichstellung" am Sozialgericht Chemnitz

Pfarrerin oder Pfarrer zu sein ist kein Beruf wie jeder andere. Das verrät bereits ein kurzer Blick auf die ungewöhnlichen Arbeitszeiten, die von 0-24 Uhr reichen können und gerne am Sonntag liegen. Ebenso sind die Arbeitsinhalte mit Themen von Geburt bis Tod sicherlich etwas Besonderes. Dennoch: die Geistlichen verdienen mit ihrem Beruf ihren Lebensunterhalt. Sie ernähren sich und ihre Familie, sie zahlen Miete und Lebenshaltungskosten.

Man könnte daher frage, ob der Pfarrberuf also heutzutage "ein Job wie jeder andere" ist?

Das deutsche Sozialrecht sagt nein! Denn Pfarrer haben keinen Arbeitsplatz im Rechtssinne. Das hat der Bundesgesetzgeber schon vor Jahrzehnten so bestimmt. Damit entsteht aber plötzlich eine Schutzlücke für behinderte Geistliche. Bei dem Sozialgericht Chemnitz ist nun eine aktuelle Klage hierzu anhängig (Az. S 28 AL 757/15).

ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr bedeutet „schwerbehindert"

Die Lücke entsteht, wenn Pfarrer behindert, aber eben nicht ‚schwerbehindert‘ im rechtlichen Sinne sind, also ihr Grad der Behinderung unter 50 liegt. Jeder andere Arbeitnehmer oder Beamte kann mit einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 eine sogenannte „Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen" beantragen. Das Gesetz schreibt:

"Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen)." (§ 2 Abs. 3 SGB IX)

Pfarrer nimmt das Sozialgesetzbuch IX aber ausdrücklich aus. Denn es schreibt an anderer Stelle:

"Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen, auf denen beschäftigt werden ... Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften" (§ 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX)

Und das entstammt wohl der Vorstellung, dass bei Pfarrerinnen und Pfarrern nicht der Lebensunterhalt im Mittelpunkt steht, sondern allein selbstlose diakonische Arbeit. Sie sind dann im Ergebnis also nicht behindert genug.

Die Praxis zeigt, dass sich das Berufsbild aber Pfarrer immer weiter verändert hat. Der Pfarrberuf hat sich in seiner wirtschaftlichen Bedeutung durchaus anderen Berufen angenähert. Die Gleichstellung ist deshalb auch dort notwendig, um den Schutz der einzelnen Betroffenen zu verbessern.

verstößt das Sozialrecht gegen das Grundgesetz?

Die Klage greift daher ganz konkret die Norm des Sozialrechts an. Das Sozialgericht Chemnitz muss nun als erste Instanz darüber entscheiden, ob dieser Ausschluss der Pfarrer noch mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist.

Gerade in Zeiten von Inklusion ist es wichtig, ganz konkrete Lücken im rechtlichen Schutz von Behinderten aufzuzeigen.

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