Privat krankenversicherte Hartz-IV-Empfänger haben Anspruch auf Beiträge in voller Höhe

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Das Bundessozialgericht (BSG) hat gestern zu der - bis dahin - umstrittenen Frage Stellung bezogen, in welcher Höhe die ARGE bzw. das Jobcenter Leistungsbeziehern von Arbeitslosengeld II ("Hart IV"), die privat krankenversichert sind, die Beiträge bezuschussen muss.

Der hierfür zuständige 4. Senat des BSG hat ent­schieden, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe zu übernehmen hat (BSG, Urt. v. 18.01.2011, Az. B 4 AS 108/10 R).

Hintergrund
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, der gegen das Jobcenter  Regionalverbund Saarbrücken klagte, konnte nicht mehr wie nach der Rechtslage bis zum 31. Dezember 2008 als Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Mitglied der ge­setzlichen Krankenversicherung (GKV) werden, sondern musste seine private Krankenversicherung (PKV) mit einer Beitragsbelastung in Höhe von 207,39 Euro aufrecht erhalten.

Eine ausdrückliche Regelung dazu, wie der offene Beitragsanteil auszugleichen ist, findet sich im SGB II nicht.

Nach Ansicht des BSG besteht insofern eine gesetzesimmanente Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvoll­ständig­keit der gesetzlichen Vorschriften. Den Gesetzesmaterialen zu dem GKV-Wettbewerbs-Stär­kungs­gesetz lassen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber den privat krankenversi­cherten Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewusst und gewollt einen von ihnen finanziell nicht zu tragenden Beitragsanteil belassen wollte. Die schriftlich niedergelegten Motive enthalten Hinweise auf einen "bezahlbaren Basistarif" und dies berücksichti­gende Regelungen, die sicherstellten, dass "die Betroffenen finanziell nicht überfor­dert würden". Auch der weitere Regelungszusammenhang spricht für eine gesetzesimmanente Lücke, weil Beiträge für freiwillig krankenversicherte Leistungsempfänger in vollem Umfang und Beiträge zur privaten Kran­kenversicherung in Fallgestaltungen ganz übernommen werden, in denen dadurch der Eintritt einer Hilfebe­dürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann.

Schließlich wäre das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum privat versicherter SGB II-Leistungsempfänger betroffen, wenn die von ihnen geschuldeten Beiträge zur privaten Krankenversi­cherung nicht vom Träger der Grundsicherung übernommen würden. Die planwidrige Regelungslücke bei der Tragung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung ist hinsichtlich der offenen Bei­tragsanteile daher durch eine analoge Anwendung der Regelung für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen zu schließen.

Hieraus ergibt sich eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Beiträge in voller Höhe. Der Grundsicherungsträger hat dies nunmehr umzusetzen.

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