Screenreader Software für Blinde: Anspruch gegen Krankenkasse

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SGB V: Blinde oder Personen mit geringem Restsehvermögen haben gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf eine Screenreader-Software, damit ihr Grundbedürfnis auf selbständige Informationsbeschaffung und Kommunikation erfüllt wird. Dies hat das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 24.08.2010 Az. L 11 KR 3089/09 in zweiter Instanz bestätigt.
Bei einer Screenreader-Software wird der Bildschirminhalt eingelesen und die Information über Sprache oder Braille-Zeilen wiedergegeben.

Die beklagte Krankenkasse hatte den Antrag des Klägers, eines 1946 geborenen, an beidseitiger Retinitis pigmentosa erkrankten Mannes auf Erstattung der Kosten für diese Software abgelehnt, mit der Begründung, sie sei für Belange der privaten Lebensführung nicht leistungspflichtig.
Bereits in erster Instanz hat das Sozialgericht die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten verurteilt. Die Krankenkasse hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht als Berufungsgericht hat das Urteil bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.

Bei der Software handele es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sie diene vielmehr dem Ausgleich einer hochgradigen Sehbehinderung oder Blindheit. Kommunikation und  Information über das Internet gehöre zur normalen Lebensführung. Im Zuge der Modernisierung und Digitalisierung der Gesellschaft sei eine Zugangsmöglichkeit zum Internet als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens anzusehen. Die Sreenreader-Software sichere dem Kläger eine selbständige Lebensführung. Die Krankenkasse sei daher verpflichtet, die Versorgung mit dieser Software sicherzustellen.
Interessant ist die Bemerkung in dem Urteil, dass eine Reduktion des Menschen auf das Lesen von Texten im Hinblick auf die sonst zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten in der heutigen Zeit einer 
V e r d u m m u n g  gleichkomme.

Zu diesem Urteil ist noch anzumerken, dass die Krankenkasse darüber hinaus verpflichtet ist, die Kosten für die Ausbildung im Gebrauch der Software zu tragen. Das ergibt sich aus
§ 33 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

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