Familienleistungsausgleich 2012

Mehr zum Thema: Steuerrecht, Kindergeld, Kinderfreibetrag, Einkünftegrenze, Familienleistungsausgleich
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.... Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder

I. Derzeitige Rechtslage

Nach derzeitiger Rechtslage werden die steuerlichen Freibeträge für Kinder beziehungsweise Kindergeld nur gewährt, wenn volljährige Kinder nicht über eigene Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von mehr als 8.004,00 € verfügen.

Reinhard Schweizer
Rechtsanwalt
Muldestr. 19
51371 Leverkusen
Tel: 0214 / 2061697
E-Mail:
Erbrecht, Familienrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Verwaltungsrecht

Die Berechnung der Einkünfte und Bezüge gestaltet sich in vielen Fällen jedoch äußerst kompliziert und aufwändig.

Demgegenüber wird die Einkünfte- und Bezügegrenze nur von einer relativ kleinen Gruppe der grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Kinder überschritten.

Der Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder beim Familienleistungsausgleich ist deshalb mit einer erheblichen Vereinfachung der Anspruchsvoraussetzungen verbunden.

Der Verzicht auf die Einkommensüberprüfung bei volljährigen Kindern entlastet die Eltern und ihre volljährigen Kinder, Finanzämter und Familienkassen beim Ausfüllen beziehungsweise bei der Bearbeitung der Kindergeldanträge, Einkommensteuererklärungen und Lohnsteuerermäßigungsanträge, da komplizierte und umfangreiche Angaben zu den Einkommensverhältnissen der Kinder entfallen.

II. Berücksichtigung volljähriger Kinder

Der Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze machte es erforderlich, die Berücksichtigung von Kindern mit einer nebenbei ausgeübten Erwerbstätigkeit neu zu fassen.

Ab 2012 wird eine Erwerbstätigkeit nur noch bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung und eines Erststudiums eines Kindes außer Betracht bleiben .

Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums besteht die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, und damit nicht mehr zu berücksichtigen ist.

Die Vermutung gilt durch den Nachweis als widerlegt, dass das Kind sich in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt.

Der Umfang der schädlichen Tätigkeit wird - ausgehend von einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden - im Wege der Typisierung aus Gründen der Rechtsklarheit gesetzlich festgelegt. Danach ist eine Erwerbstätigkeit unschädlich, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt .

Ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind ebenfalls unschädlich .

Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden, sollen wie bisher berücksichtigt werden.

Praxistipp:

Die eingeführte widerlegbare Vermutung gilt nicht für Bezieher anderer Einkünfte als solcher aus nichtselbstständiger Arbeit. Das volljährige Kind kann daher künftig Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder aus Beteiligung an einem Gewerbebetrieb in unbegrenzter Höhe erzielen, ohne die kindbedingten Entlastungen der Eltern zu gefährden. Dies ermöglicht ein reales Familiensplitting.

III. Begriff der Berufsausbildung

Eine Einschränkung dieses Ausbildungsbegriffs erfolgt nicht.

Der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG n. F. verwendete Begriff Berufsausbildung ist demgegenüber enger gefasst und soll sicherstellen, dass nicht bereits jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme wie z. B. ein Computerkurs zum Verbrauch der Erstausbildung führt.

Eine Berufsausbildung liegt demnach vor, wenn der Steuerpflichtige durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen.

Voraussetzung ist, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt wird und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird.

Der Besuch einer allgemein bildenden Schule gilt folglich nicht bereits als erstmalige Berufsausbildung.

Ein Studium stellt dann ein erstmaliges Studium dar, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt.

Durch die generelle Berücksichtigung von Kindern bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums werden die schon bislang begünstigten Fälle ohne weitere Prüfungen auch künftig berücksichtigt, ohne dass der Umfang der begünstigten Fälle wesentlich erweitert wird.

Begünstigt sind auch Ausbildungsgänge (z. B. Abendschulen, Fernstudium ), die neben einer (Vollzeit-) Erwerbstätigkeit ohne eine vorhergehende Berufsausbildung durchgeführt werden.

IV. Freibeträge für „Scheidungskinder“

Die Freibeträge für Kinder von geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Eltern stehen beiden Elternteilen grundsätzlich je zur Hälfte zu.

Voraussetzung für eine Übertragung des Kinderfreibetrages von einem Elternteil auf den anderen Elternteil ist, dass der eine Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nicht nachkommt.

Nach derzeitiger Rechtslage scheidet eine Übertragung aber dann aus, wenn der eine Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gegenüber dem Kind ist (§ 1603 BGB).

Die Neufassung § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG n. F. ermöglicht in diesen Fällen die Übertragung des Kinderfreibetrages, um den Elternteil, der gezwungenermaßen allein für den Unterhalt des Kindes aufkommt, auch allein zu entlasten.

Eine Übertragung scheidet hingegen für einen Elternteil aus, der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezieht, weil dieser insoweit nicht allein für den Unterhalt des Kindes aufkommt (§ 32 Abs. 6 Satz 7 EStG n. F.)

V. Betreuungsfreibetrag

Nach derzeitiger Rechtslage erfolgt die Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf allein auf Antrag des Elternteils, bei dem das Kind gemeldet ist, ohne dass es auf eine Verletzung von Unterhaltspflichten des anderen Elternteils ankommt.

§ 32 Abs. 6 Sätze 8 ff. EStG n. F. stellt sicher, dass eine Übertragung nicht möglich ist, wenn der andere Elternteil Aufwendungen für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung hat, insbesondere wenn dieser Kosten für die Kinderbetreuung durch Dritte getragen hat.

Auf diese Weise wird der Grundsatz der hälftigen Teilung der Freibeträge für Kinder gewährleistet und dem Umstand Rechnung getragen, dass in zunehmendem Maße in Trennungsfällen beide Elternteile den Betreuungs- und Erziehungsbedarf ihres Kindes sicherstellen.

Bisher ist eine Übertragung der Freibeträge für Kinder auf einen Stief- oder Großelternteil nur möglich, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Nunmehr ist eine Übertragung auch dann möglich, wenn Großeltern – z. B. mangels Leistungsfähigkeit eines oder beider Elternteile – eine konkrete Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihren Enkelkindern trifft.